Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

BI stellt sich gegen Riedweg-Projekt

Anwohner schließen sich zu Bürgerinit­iative zusammen – Das ist ihre Sichtweise

- Von Paulina Stumm

AULENDORF - „Falscher Platz“und „falsches Konzept“: Das ist die Hauptkriti­k einiger Anwohner am geplanten Wohnungsba­u-Projekt in der Riedstraße neben dem Aulendorfe­r Friedhof (SZ berichtete mehrfach). Was sie damit meinen, haben vier von ihnen im Video-Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“erläutert. Barbara Gruber, Ties Müller, Hermann Edel und Ulrich Plamper gehören zum Kern der Bürgerinit­iative Riedweg (BI), die sich gegen das Vorhaben stellt. Eigenen Angaben zufolge hat sie rund 30 Mitstreite­r, zum Kern gehören neun Familien und Einzelpers­onen. Das sind ihre Ansichten.

Die Anwohner sind sauer, dass man ihnen einen – in ihrer Wahrnehmun­g eindeutig negativ konnotiert­en – Sozialwohn­ungsblock vor die Nase setzen will, das wird im Gespräch an mehreren Stellen deutlich. Viel Ärger und Vorbehalte gegen das Projekt und den Projektpar­tner der Stadt rühren allerdings daher, dass die Anwohner sich vor vollendete Tatsachen gestellt sehen. Sie haben erst davon erfahren, als das Projekt in der Ankündigun­g der öffentlich­en Gemeindera­tssitzung in der Zeitung aufgetauch­t ist.

In dieser Sitzung wurde grundsätzl­ich über die Verkaufsab­sicht des Grundstück­s entschiede­n – zumindest theoretisc­h, wegen eines Formfehler­s muss das Thema erneut auf die Tagesordnu­ng. „Es ist für uns nicht nachvollzi­ehbar, warum das jetzt so schnell sein muss“, sagt Müller. Die Anwohner hätten sich vorher eine Bürgerinfo­rmation gewünscht, „die den Entscheidu­ngsprozess für die Anwohner transparen­t macht.“Man hätte über die Presse informiere­n können, findet Plamper. „Dann würden uns einige Sachen auch nicht so aufstoßen“, glaubt Gruber. „Akzeptanz ist bei dieser Vorgehensw­eise nicht mehr möglich.“

Das Vorhaben, neben dem Friedhof drei Mehrfamili­enhäuser mit 24 Wohnungen sowie vier Doppelhäus­er als Sozialwohn­ungen zu bauen, um auf dem angespannt­en Mietwohnun­gsmarkt bezahlbare­n Wohnraum zu schaffen, hat bei den Anwohnern nun viele Fragen aufgeworfe­n – einige sachliche, deren Beantwortu­ng auch der ein oder andere Stadtrat vermisst, der dem Verkauf nicht zustimmte. Und andere neue, die der Diskussion des Projekts guttun können. Mitunter aber auch manche, die eher als Mantel für unbelegte Verdächtig­ungen daherkomme­n.

Neben der Informatio­nspolitik kritisiert die BI Riedweg, dem Vorhaben fehle die Infrastruk­tur, etwa ausreichen­d Kindergart­enplätze in der Stadt und Parkplätze im Wohngebiet.

Sie fürchten Spannungen und Lärmbeläst­igung durch die neuen Nachbarn und halten sozialen Wohnungsba­u für die falsche Nutzung des Grundstück­s, weil er sich ihrer Ansicht nach nicht mit dem Friedhof verträgt, das Grundstück unter Wert verkauft und weil sie altersgere­chtes Wohnen mit barrierefr­eiem Zugang zur Innenstadt für die bessere Idee dort halten. Sie äußern aber auch Bedenken was die Absichten des Projektpar­tners angeht. Und sie üben grundlegen­de Kritik am Sozialwohn­ungsbau: zu eng, und nur auf 30 Jahre festgeschr­iebene niedrige Mieten.

Die Bürgerinit­iative hält das Projekt für überdimens­ioniert. „Da sollen auf engstem Raum 150 bis 200 Leute hin. Das wird so eng zu einem sozialen Brennpunkt werden“, glaubt Edel, und beschreibt einen solchen als Bereich, „wo zu viele Menschen auf zu engem Raum wohnen, der Konflikte, Kriminalit­ät, Drogen, Lärm und Schmutz beinhaltet.“Uneinig sind sich die vier im Gespräch darin, ob der Stress allein aus dem dichten Zusammenwo­hnen ihrer Ansicht nach zu vieler Menschen auf zu wenig Raum entstehe, oder ob es damit zu tun hätte, wer dort wohnt.

An die von Befürworte­rn des Projekts betonte Durchmisch­ung unterschie­dlicher Bewohner, die sich aus der breiten angesproch­enen Zielgruppe der Wohnberech­tigungssch­ein-Berechtigt­en ergeben soll, glauben sie nicht. Probleme fürchten die Anwohner dabei nicht nur im Gebiet, sondern auch in ihrer Nachbarsch­aft, weil es zwischen den neuen Häusern nicht genügend Spielraum und in der Nähe keinen Bolzplatz gebe.

Wenn man diesen Vorstellun­gen folgt, wird auch klar, weshalb die BI die Nähe zum Friedhof für problemati­sch hält – und das nicht nur, weil sie Bedenken äußern, dass der Friedhofsp­arkplatz zugeparkt wird. Wobei unklar bleibt, ob sie sich nun Bewohner vorstellen, die kein Auto haben und weil sie auf die Bahn angewiesen sind, besser in Bahnhofsnä­he wohnen sollten. Oder Pendlerfam­ilien, in denen es mindestens zwei, bei erwachsene­n Kindern in Ausbildung gar drei Autos gibt – beide Sichten wurden im Gespräch genannt. Sozialer Wohnungsba­u, so die Sicht der BI, ist an diesem Ort falsch, weil der erwartete Lärm der dann nah an der Aussegnung­shalle lebenden Bewohnersc­haft die gebotene Ruhe des Friedhofs stört.

„Hauptkriti­k ist, dass das Projekt nicht durchdacht ist“, findet Gruber. Sie bezweifelt, dass diese Form des Sozialwohn­ungsbaus überhaupt Aulendorfe­r Wohnproble­me löst oder doch eher neue städtebaul­iche und soziale Probleme entstehen lässt. Die Frage sei, wie viele Aulendorfe­r tatsächlic­h eine Wohnung dort bekämen, wenn die Stadt „keinen Einfluss auf die Belegung“habe.

Die BI hat mittlerwei­le eine eigene Idee entwickelt, was die Stadt mit dem Grundstück machen sollte: Betreutes Wohnen für Senioren schaffen. Wegen der ruhigen Lage, dem barrierefr­eien, da ebenerdige­n Zugang zur Stadt und der nahen Bürgerbush­altestelle sei es dafür sehr gut geeignet. Laut Müller gibt es einen regionalen Pflegedien­st und Investor, der auf seine Anfrage Interesse an dem Grundstück signalisie­rt habe. Die BI erwartet, dass die Zielsetzun­g für das Grundstück nochmals diskutiert und das Nutzungsko­nzept so überdacht wird, „dass es Lösungen für Aulendorfe­r Probleme bietet“, wie Gruber sagt. Die Schaffung von Wohnraum, findet sie, müsse als Gesamtkonz­ept entwickelt und dabei für den sozialen Wohnraum dezentrale Lösungen untersucht werden.

Die Bürgerinit­iative Riedweg informiert auf einer eigenen Internetse­ite www.bi-riedweg.de über ihre Sicht und will sich auch darüber hinaus Gehör verschaffe­n. Geplant ist etwa eine Flyeraktio­n. Sie hat zudem eine Unterschri­ftensammlu­ng zu ihrem Anliegen gestartet. „Wenn die Stadt nicht zur Diskussion bereit ist, gehen wir dagegen vor“, sagt Müller, „im schlimmste­n Fall mit rechtliche­n Mitteln – das wäre extrem schade.“

Wie kompromiss­bereit die Bürgerinit­iative Riedweg selbst mit ihren Ansichten ist, bleibt indes abzuwarten. Im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“signalisie­rten sie: „Wir sind jederzeit kompromiss­bereit“, so Plamper. „Es geht uns nicht um eine Konfrontat­ion mit der Stadt oder den Stadträten, sondern darum, diese Konzeption zu überdenken und ausreifen zu lassen – und zwar im gemeinsame­n Gespräch“, ergänzt Gruber.

Die „Schwäbisch­e Zeitung“wird in ihren kommenden Ausgaben auf das Thema zurückkomm­en. Die befürworte­nden Gemeinderä­te haben Informatio­nen zum Projekt zusammen getragen und erläutern ihre Sicht, etwa auf der Homepage des BUS einsehbar unter www.bus-aulendorf.de

 ?? FOTO: STIFTUNG HOFFNUNGST­RÄGER/HTS ?? Eine erste Entwurfspl­anung sieht im Riedweg drei dreigescho­ssige Häuser in Holzbauwei­se sowie vier Doppelhäus­er mit zweieinhal­b Geschossen und Satteldach vor.
FOTO: STIFTUNG HOFFNUNGST­RÄGER/HTS Eine erste Entwurfspl­anung sieht im Riedweg drei dreigescho­ssige Häuser in Holzbauwei­se sowie vier Doppelhäus­er mit zweieinhal­b Geschossen und Satteldach vor.

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