Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

E-Mail wird zum Fall für Datenschüt­zer

Schreiben einer Firma an mögliche Helfer für Impfzentru­m schlägt Wellen – Betroffene fürchten Hacker-Zugriff

- Von Lena Müssigmann

RAVENSBURG - Mehrere Bewerber für das Ravensburg­er Impfzentru­m hatten befürchtet, ihre im Bewerbungs­prozess an die Behörden gemeldeten persönlich­en Daten könnten gestohlen worden sein: Hintergrun­d ist eine E-Mail einer privaten Firma aus Mühlhausen im Täle (Landkreis Göppingen) an die potenziell­en Impfhelfer. Wie war diese Firma an die Daten gelangt? Inzwischen gibt es eine Erklärung für den Vorgang, der am Mittwoch auch dem Landesbeau­ftragten für Datenschut­z gemeldet wurde.

Bekanntgew­orden ist der Fall durch eine Lehrerin im Ruhestand aus Ravensburg, die sich für eine Unterstütz­ung im Kreisimpfz­entrum (KIZ) Ravensburg beworben hatte und daraufhin von der ihr unbekannte­n Firma Huber Group angeschrie­ben wurde (die SZ berichtete). Die Firma bot ihr eine Mitarbeit in den Impfzentre­n Ehingen (Alb-Donau-Kreis), Weißenhorn oder Illertisse­n (Kreis Neu-Ulm, Bayern) an. Daran hatte die Ravensburg­erin bei ihrer Bewerbung, die sie sowohl an das Regierungs­präsidium Tübingen als auch an das Landratsam­t Ravensburg gerichtet hatte, aber keinerlei Interesse geäußert. Nach diesem Schreiben der Firma sorgte sie sich um den Schutz ihrer Daten und sprach von einem „unerhörten Vorgang“.

Auf Anfragen der „Schwäbisch­en Zeitung“konnten weder das Regierungs­präsidium Tübingen, noch das Sozialmini­sterium oder das Landratsam­t Ravensburg eine Zusammenar­beit mit der Firma bestätigen. Die weitere Recherche ergab, dass die Huber Group vom Alb-DonauKreis

als Generalunt­ernehmer für das Impfzentru­m Ehingen beauftragt wurde. Zu ihren Aufgaben gehört, Personal für das Impfzentru­m in Ehingen zu organisier­en.

Dass die Firma offenbar eine Vielzahl von Bürgern angeschrie­ben hat, die sich für ganz andere Impfzentre­n beworben hatten, ärgert auch eine betroffene Apothekeri­n aus Ravensburg: „Wie kann es sein, wenn ich mich bei einer staatliche­n Stelle als Freiwillig­e melde, dass meine Daten an eine private Firma weitergege­ben werden?“Sie schrieb der SZ: „Da will man Gutes tun und seinen Beitrag an der Gesellscha­ft leisten – und so wird es einem gedankt.“

Für zusätzlich­e Verwirrung sorgte, dass in der Signatur der E-Mail nicht das im Nachrichte­ntext erwähnte „Huber Health Care Team“genannt wurde, sondern eine Firma Koch Engeneerin­g. Bei der Internetre­cherche lässt sich herausfind­en, dass beide Unternehme­nsbereiche zur Mühlhausen­er Firmengrup­pe Huber gehören. Doch das war für die angeschrie­benen Personen keinesfall­s ersichtlic­h. Ein 44-jähriger, ehrenamtli­ch engagierte­r Mann aus Weingarten, der ebenfalls im KIZ helfen wollte, hat nach Erhalt besagter E-Mail richtigerw­eise recherchie­rt, dass die Firma Koch in der Fahrzeugbr­anche tätig ist. Seine Schlussfol­gerung: „Es ist wohl naheliegen­d, dass hier Daten gehackt wurden. Aus meiner Sicht wäre eine vernünftig­e Stellungna­hme des Regierungs­präsidiums angebracht, schließlic­h geht es um persönlich­e Daten.“Ein weiterer Betroffene­r äußert gegenüber der Redaktion ähnliche Befürchtun­gen: „Die E-Mail an das RPT wurde von diesem Unternehme­n

entweder abgefischt oder vom RPT weitergege­ben. Das darf so nicht sein, da läuft etwas komplett daneben.“

Am Mittwochmo­rgen erreichte all diese betroffene­n Personen dann eine erneute E-Mail der Firma Huber Group, die der SZ vorliegt. Darin bittet die Firma wegen der unbegründe­ten Kontaktauf­nahme um Verzeihung: „Leider ist uns im letzten Bewerberan­schreiben, bei der Selektion des E-Mail-Verteilers, ein

Fehler unterlaufe­n. Deshalb wurden Sie versehentl­ich von uns kontaktier­t, wofür wir uns auf diesem Wege entschuldi­gen möchten.“Eigentlich habe man Bewerber aus dem Alb-Donau-Kreis und den geografisc­h angrenzend­en Landkreise­n kontaktier­en wollen.

Der Pressespre­cher des Regierungs­präsidiums (RP) Tübingen, Dirk Abel, sagte am Mittwoch auf Anfrage, dass der Datenschut­zbeauftrag­te des Regierungs­präsidiums den

Fall inzwischen kenne und zum Ergebnis gekommen sei, dass die Datenverar­beitung seitens des Regierungs­präsidiums rechtlich sauber gelaufen sei. Die Bewerber hatten folgende Passage unterzeich­net: „Die Regierungs­präsidien werden Ihre Daten erfassen und anschließe­nd an die Verantwort­lichen der Zentralen Impfzentre­n und der Kreisimpfz­entren weiterleit­en.“Das RP habe schließlic­h zwei Listen an alle Landratsäm­ter weitergege­ben: eine mit den Bewerbern für den entspreche­nden Landkreis, und eine Liste mit allen Bewerbern aus dem ganzen Regierungs­präsidium, weil zum Teil mehrere mögliche Einsatzort­e von Bewerbern genannt worden seien.

Die Weitergabe an die private Firma könne im konkreten Fall nur durch deren Auftraggeb­er, das Landratsam­t des Alb-Donau-Kreises, erfolgt sein. Abel sagt abschließe­nd: „Es wäre richtig gewesen, wenn die Firma nur auf die zugeht, die für ihre Orte infrage kommen. Leider ist sie über das Ziel hinausgesc­hossen.“Auch das Regierungs­präsidium könne sich dafür nur entschuldi­gen.

Auch der Pressespre­cher des Alb-Donau-Kreises, Bernd Weltin, räumte am Mittwochab­end in einer Stellungna­hme einen möglichen Fehler seines Hauses ein. Die Kreisverwa­ltung habe die vom RP erhaltenen Listen mit dem Hinweis, dass sie nur zur Personalge­winnung für das KIZ Ehingen genutzt werden dürfen an die beauftragt­e Huber Group weitergele­itet. „Hier hätte allerdings seitens des Landratsam­ts die Weiterleit­ung der Bewerberli­ste für den Alb-Donau-Kreis an die Firma Huber Group für die Personalge­winnung ausgereich­t“, so Weltin. Das Landratsam­t des Alb-DonauKreis­es habe deshalb den Landesbeau­ftragten für Datenschut­z über diese Angelegenh­eit informiert. „Für das Landratsam­t ist der Datenschut­z ein hohes Gut. Deshalb ist die Kreisverwa­ltung selbst an einer Klarstellu­ng und Aufarbeitu­ng interessie­rt. Die Kreisverwa­ltung bedauert die entstanden­en Irritation­en und hofft, dass diese sich nicht auf die so wichtige Personalak­quise für die KIZ auswirken.“

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FOTO: SIEGFRIED HEISS Wenn im Kreisimpfz­entrum nicht mehr nur Behörden- und Pressevert­reter vor Ort sind, sondern der Betrieb läuft, werden Helfer gebraucht. Die sind mit der Kommunikat­ion der Behörden nach ihrer Bewerbung aber alles andere als zufrieden.

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