Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Der allerletzte Fahrschüler hat bestanden
35 Jahre lang hat Werner Zorn eine Fahrschule in Bad Schussenried betrieben
Von Katrin Bölstler
BAD SCHUSSENRIED - Seit 1985 hat Werner Zorn eine Fahrschule in Bad Schussenried betrieben. Nun, mit 71 Jahren, ist er in Rente gegangen. In 36 Jahren hat er Hunderte Fahrschüler ausgebildet und zum Schluss sogar die Enkel seiner ersten Fahrschüler unterrichtet.
Der Weg zum Fahrlehrerberuf führte bei Werner Zorn über mehrere Ecken. Denn eigentlich hatte der gebürtige Schussenrieder bei Liebherr eine Ausbildung zum Maschinenschlosser absolviert. Nach der Ausbildung ging er jedoch erst einmal für ein paar Jahre zur Handelsmarine und danach zur Bundeswehr. „Dort hatten die Fahrlehrer eine eigene Fußballmannschaft und weil ich damals ein ganz ordentlicher Fußballer war, wollte mich der Chef der Bundeswehrfahrschule in seinem Team haben. Und so wurde ich Fahrlehrer“, erinnert er sich. Der Job machte ihm Spaß und so verpflichtete er sich, insgesamt acht Jahre bei der Bundeswehr zu bleiben und dort als Fahrlehrer zu arbeiten.
Erst danach, mit 36 Jahren, kehrte er in seine Heimat zurück und beschloss, eine eigene Fahrschule zu eröffnen. Die passenden Räume mietete er in der Klosterstraße von Karl Ammann. Seine Ehefrau übernahm die Büroarbeit. „Sich selbstständig zu machen, birgt natürlich immer ein gewisses Risiko. Es gab auch schon eine Fahrschule in Bad Schussenried, doch ich vertraute darauf, dass ich mir schnell einen eigenen Kundenstamm aufbauen würde, da mich im Ort viele kannten.“
Und so war es dann auch. Es dauerte nicht mal ein Jahr, dann hatte Zorn mehr als genug zu tun. „In so einem kleinen Ort kommt es vor allem darauf an, mündlich weiterempfohlen zu werden. Und mit mir schienen die Leute zufrieden.“Zwischen 80 und 100 junge Menschen bildete er im Jahr aus – im Alleingang. Wie viele Stunden er dabei jede Woche im Auto verbrachte, kann der Fahrlehrer rückblickend gar nicht mehr sagen. Nur sonntags, das war der heilige Tag für die Familie. „Samstags habe ich versucht, immer nur bis 12 Uhr zu arbeiten, aber das hat mal mehr, mal weniger gut geklappt.“
Ob ihm besondere Momente aus all diesen Jahren in Erinnerung geblieben sind? Zorn denkt nach. „Im Theorieunterricht habe ich einmal die korrekte Bezeichnung der Verkehrsschilder abgefragt. Auf die Frage, wie das Warnzeichen heiße, das oft vor Schulen steht, auf dem zwei Kinder abgebildet sind, antwortete ein Schüler: freilaufende Kinder. Das hat mir so gut gefallen, dass ich das bis zuletzt in meinem Unterricht verwendet habe.“
Natürlich habe es auch Schüler gegeben, die er „am liebsten aus dem Fenster geworfen hätte“. Doch er habe sich stets beherrscht. „Als Fahrlehrer musst du gelassen bleiben, da führt kein Weg dran vorbei“, sagt er. Manchmal seien es auch eher die Eltern als die Fahrschüler gewesen, die ihn Nerven gekostet hätten. „Manche Eltern wollten partout nicht verstehen, warum ihr Kind ein paar Stunden mehr als ein anderes gebraucht hat, aber das ist eben so. Manche lernen schneller, andere langsamer.“
Dass zuletzt immer wieder die Kinder oder in einem Fall sogar ein Enkel eines früheren Fahrschülers aufgetaucht seien, habe ihn und seine Frau sehr gefreut. „Da wurde dann ausdrücklich ein Gruß von zu Hause ausgerichtet und ich habe mich zurückerinnert, das ist wirklich schön“, sagt der 71-Jährige.
Jahrelang habe er nun nach einem Nachfolger gesucht, doch keinen gefunden. Am 15. Dezember hat der letzte seiner Fahrschüler die Prüfung bestanden. Seitdem ist Schluss. Künftig gibt es daher nur noch eine Fahrschule in Bad Schussenried. „Ich denke, dass es daran liegt, dass die Bundeswehr keine oder kaum noch Fahrlehrer ausbildet, denn in meiner Generation haben die meisten Fahrlehrer bei der Bundeswehr gelernt – und mussten für die Ausbildung nichts zahlen“, sagt Zorn. Heute gebe es deswegen zu wenig Nachwuchs.
Das letzte Berufsjahr sei aufgrund der Corona-Pandemie sehr anstrengend gewesen. „Zuerst durften wir noch fahren, dann nicht mehr, dann mit Maske – die Regeln haben sich ständig geändert. Und wenn wir unterrichten durften, haben die Fahrschüler Schlange gestanden.“Jetzt, in der Rente, will er sich mehr seinen Enkeln und Haus und Garten widmen. Allerdings hätten ihn Kollegen aus Bad Saulgau auch schon angefragt, ob er mal „im Notfall“aushelfen könne. Dem sei er nicht abgeneigt. „Vielleicht mache ich noch die ein oder andere Fahrt. Es soll nur nicht mehr in Arbeit ausarten.“