Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Die „Hochschulstadt“mit Leben erfüllen
Ein neues Projekt in Biberach könnte bald zu einem Leuchtturm für die Bauindustrie werden
BIBERACH - Während der Studienbetrieb an der Hochschule Biberach (HBC) nach dem Jahreswechsel erneut in virtuellen Räumen erfolgt (SZ berichtete), plant die Hochschulleitung bereits an der ganz realen Zukunft. Vor allem ein Projekt wirft bereits seine Schatten voraus.
Wenn alles glatt läuft, dann darf Biberach noch in diesem Jahr den Zusatz „Hochschulstadt“auf seine Ortsschilder schreiben. Für Hochschulrektor André Bleicher ist es mit ein paar Buchstaben aber nicht getan. „Wir wollen das Thema Hochschulstadt wirklich leben“, sagt er. Einen großen Schritt „in die Stadt hinein“werde ein Projekt sein, das auf dem Gelände der früheren Dollinger-Sporthalle entsteht. Das nutzt die HBC derzeit als Schotterparkplatz für Studierende und Mitarbeitende. 2023 – so ist der Plan – soll dort der Spatenstich für ein Zentrum für bioökonomische Hybrid-Bauweisen (ZbH) erfolgen.
„Das Bauen steht vor einem ähnlich radikalen Strukturwandel wie die Autoindustrie“, so die Ansicht des Hochschulrektors. Deshalb sei es auch in diesem Bereich wichtig den CO2-Verbrauch zu reduzieren. „Holzbau allein löst hier nicht alles, wir müssen stärker auf neuartige biogene Materialien setzen“, so Bleicher. Diese sollen in einem innovativen Ansatz mit Materialien wie Beton, Stahl und Holz verbunden werden. Der gesamte Entwicklungsprozess dieser Hybrid-Baustoffe werde konsequent unter nachhaltigen, bioökonomischen und multifunktionalen Aspekten betrachtet, beschreibt die Hochschule ihren Ansatz. Ziel sei bei allem, eine deutliche CO2-Reduzierung im gesamten Bauprozess – von der Planung, über Bewirtschaftung, bis hin zu Abbau und Entsorgung. Das ganze Thema soll multidisziplinär bearbeitet werden.
An der HBC sei dafür bereits eine Forschungsgruppe gebildet worden, sagt Bleicher. Man habe zu diesem
Thema bereits mit 15 Bauunternehmen gesprochen. „Keiner hat gesagt: Ihr arbeitet da an einem Orchideenthema“, so Bleicher. „Jeder sagt: So, wie wir heute bauen, werden wir in Zukunft nicht mehr bauen.“Aufgabe der HBC sei es, dies in ihre Lehre mit aufzunehmen. Dazu habe man auch ein Forschungsprojekt mit dem Titel „Bauen morgen“gewonnen. Im neuen ZbH solle die Bauökonomie mit der Ökologie „versöhnt“werden, wie es Bleicher ausdrückt.
Dies alles soll in dem neuen Gebäude auf dem heutigen Parkplatz geschehen, über dessen Gestaltung die HBC gerade mit der Stadt verhandle, sagt Hochschulkanzler Thomas Schwäble. „Das ganze soll ein Eingangstor zur Stadt und auch zur Hochschule werden.“In etwa einem Jahr falle die Entscheidung, ob die HBC mit dem Projekt einen Wettbewerb gewinne. „Falls nein, hat das Land Interesse, das Projekt zu bauen. Das Land möchte dieses Forschungsthema in Biberach haben“, so Schwäble.
Für den Hochschulstandort Biberach würde das bedeuten, neben dem Innovations- und Technologiezentrum (ITZ) Plus am Campus Aspach noch ein weiteres Leuchtturmprojekt, diesmal am Campus Stadt, zu haben. Auch am ITZ, das sich momentan im Bau befindet, soll künftig die „Hochschulstadt“gelebt werden. „Sicher werden die intellektuellen Leistungen zunächst aus der Hochschule kommen müssen, aber es wäre gut, wenn möglichst bald Gründer mit dazukämen“, sagt Bleicher. Die Schwerpunkte bei dem 15-Millionen-Euro-Projekt liegt auf Biotechnologie und Energiesystemen.
Auch mit den VR-Simulationen zur künftigen Marktplatzgestaltung haben Studierende der HBC im vergangenen Herbst einen Beitrag zur kommunalpolitischen Diskussion geliefert. „Wenn wir zu solchen Prozessen unseren Beitrag leisten können, immer gerne“, sagt Hochschulrektor Bleicher.