Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Heimleiterinnen sehen Impfpflicht für Personal kritisch
So steht es um die Impfbereitschaft von Pflegepersonal in Ravensburg
RAVENSBURG - Die Mitarbeiter in Seniorenheimen gehören zu den ersten Baden-Württembergern, die sich impfen lassen können. Doch bei einem ersten Einsatz eines mobilen Impfteams in einem Ravensburger Heim nahmen nur 25 Prozent der Beschäftigten dieses Angebot wahr. Die Diskussion über eine Impfpflicht für Pfleger hatte zuletzt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder angefacht. Was sagen Ravensburger Heimleiterinnen dazu? Und wie hoch ist die Impfbereitschaft der Mitarbeiter in anderen Einrichtungen und dem Krankenhaus?
Im Haus der Pflege St. Meinrad in Ravensburg stimmte beim Besuch des Impfteams am Dienstag nur etwa jeder vierte Beschäftigte der Impfung zu. Zur Erklärung teilte das Heim mit, viele Mitarbeiter sähen unerforschte Risiken in der neuartigen Impfung und reagierten deshalb verhalten auf die Möglichkeit zur Immunisierung.
In anderen Heimen gibt es auch Mitarbeiter mit einer abwartenden oder kritischen Haltung gegenüber einer Impfung, jedoch nicht so viele. Im Haus am Mehlsack in der Seestraße, betrieben von der Firma Alpenland aus Sonthofen, wollen rund 70 Prozent der Mitarbeiter das Aufklärungsgespräch zur Impfung mitmachen, einige behalten sich die Entscheidung bis dahin noch vor. Aber Einrichtungsleiterin Claudia Weber sagt, dass sich etwa die Hälfte ihrer Belegschaft definitiv impfen lassen wolle.
Sie habe das Gespräch darüber mit allen Mitarbeitern gesucht und konnte einige Skeptiker motivieren, ins angebotene Aufklärungsgespräch zu gehen, wie sie sagt. Diejenigen, die eine ablehnende Haltung haben, könnten zum Teil plausible Gründe vorbringen, andere aber auch nicht. „Da sind auch Fake News unterwegs“, sagt Weber. Deshalb müsse die Politik noch besser über die Impfung aufklären. „Wenn es das Ziel der Politik ist, alle zu impfen, dann muss sie herkommen und Infoveranstaltungen machen.“Die angestrebte Impfquote von deutlich mehr als 50 Prozent hält sie für richtig – „das gilt nicht nur für die Pflege, sondern für die ganze Gesellschaft“, so Weber. Erst wenn das erreicht sei, entspanne sich die Gefährdungslage für Einrichtungen wie ihre. „Bei uns gehen viele Leute aus und ein, nicht nur die Pflegekräfte. Wir leben auch von Kooperationspartnern und Ehrenamtlichen.“Sollte eine Impfpflicht für Pfleger kommen, habe schon eine Mitarbeiterin versichert, dann werde sie kündigen.
Knapp 80 Prozent Impfbereitschaft unter den Mitarbeitern hat die Stiftung Bruderhaus in ihrer Einrichtung in Oberhofen, wie die Hausleiterin des Bruderhauses Ravensburg, Sibylle Arana, am Donnerstag sagte: Von 41 wollten sich dort 32 Mitarbeiter impfen lassen, wenn das mobile Einsatzteam in den nächsten Tagen vor Ort ist. „Das fand ich schon toll“, so Arana. Für Skepsis hat sie jedoch auch Verständnis. Die Politik sei mit ihren Informationen auf Zickzackkurs unterwegs, was Zweifel an der fachlichen Tiefe der Aussagen wecke. Als Beispiel nennt sie die öffentlich geäußerte Überlegung, wegen des Mangels an Impfstoff die Pause zwischen der Verabreichung von erster und zweiter Dosis zu verlängern. „Das kommt nicht gut.“
Eine Pflicht zur Impfung für Pflegepersonal hält sie für eine schwierige Angelegenheit und erklärt dazu: „Unsere Mitarbeiter gehen seit fast schon einem Jahr sehr verantwortungsvoll mit der Situation um: Sie haben teilweise auf freie Tage verzichtet, haben ihr privates Umfeld zum Teil extrem eingeschränkt und sich hier rührend gekümmert. Es gefällt mir nicht, dass zusätzlich zu alldem jetzt womöglich noch eine Impfpflicht kommen soll.“In der Gesamtschau der Situation sagt Arana: „Ich finde gute Argumente wichtig, nicht Paragrafen.“
Die Oberschwabenklinik (OSK) hat die Impfbereitschaft unter rund 500 Mitarbeitern der Notaufnahme, Intensivpflege und bei Ärzten, die in der Covid-Behandlung tätig sind, schon abgefragt. Der Rücklauf lässt ein erstes Meinungsbild zu, wonach sich 70 Prozent derer, die geantwortet haben, impfen lassen würden. Ob die Bereitschaft nur in den Teams so hoch ist, die unmittelbar mit der Behandlung von Covid-Patienten befasst sind, oder sich auf die ganze Krankenhaus-Belegschaft erstreckt, lasse sich nicht voraussagen, so Leiprecht.
Überraschend hat das Krankenhaus am Donnerstag nach langer Wartezeit tatsächlich Impfstoff geliefert bekommen – der reichte für 52 Mitarbeiter, wie die Klinik mitteilte. Das Universitätsklinikum hat die OSK mit Impfdosen aus seinen Beständen unterstützt. Der Impfstoff, eingelassen in Trockeneis, wurde laut Pressemitteilung per Taxi geliefert. Die beiden Intensiv-Fachpflegekräfte Sonja Andris-Zimmerer und Thomas Böse-Ploching wurden als erste vom Impfkoordinator der OSK, Tobias Sonnberger, geimpft. Die Freude darüber habe man ihnen trotz Maske angesehen. „Schließlich erleben sie Tag für Tag in ihren Schichten, was Corona für die Schwersterkrankten bedeutet, wie Patienten nach und nach abbauen und im schlimmsten Falle sterben“, berichtet die OSK weiter.
Eigentlich sei auch geplant gewesen, am Donnerstag auch Personal am Westallgäu-Klinikum in Wangen zu impfen, doch das Wetter habe einen Strich durch diese Rechnung gemacht. Die Impfung in Wangen sei auf Freitag verschoben worden. Mitarbeiter, die nicht am Krankenhaus geimpft werden können, müssen sich laut OSK-Sprecher Leiprecht zum Start des Kreisimpfzentrums dort um einen Termin bemühen. Wer nach der Definition der Ständigen Impfkommission zur ersten Gruppe gehört, die geimpft werden darf, bekomme eine entsprechende Bescheinigung des Arbeitgebers, um sich dort auszuweisen.