Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Mut zum Wankel

Kommt der Kreiskolbe­nmotor wieder? Das Konzept bietet einige Vorteile

- Von Fabian Hoberg

Keine Hubbewegun­gen, kaum Vibratione­n, dafür rotierende Teile und ein geschmeidi­ger Motorlauf. Der Rotationsk­olbenmotor, auch Wankelmoto­r oder Wankel genannt, bietet einige Vorzüge. Allerdings auch ein paar Nachteile. Mazda will das Antriebsko­nzept demnächst reanimiere­n.

Der Name Wankel stammt vom Tüftler Felix Heinrich Wankel. In den 1930er-Jahren entwickelt er neue Motoren, konzipiert eine Drehkolben­maschine und erfindet 1954 den Rotationsk­olbenmotor. Drei Jahre später konstruier­t ein NSU-Mitarbeite­r den heute als Wankel bekannten Kreiskolbe­n-Wankelmoto­r.

Das Grundprinz­ip: Im Gegensatz zum Hubkolbenm­otor verwendet der Wankel einen dreiecksfö­rmigen Kreiskolbe­n, der in einer ovalen Kammer rotiert und sich hierbei um die eigene Achse dreht. Die freiwerden­de Energie wird hier gleich als Drehbewegu­ng weitergege­ben. Ein geschmeidi­ger, turbinenäh­nlicher Lauf entsteht. Zudem entfallen viele vom Hubkolbenm­otor bekannte

Bauteile. Anfangs besitzen die Motoren eine Kammer, später zwei.

1960 läuft der Motor erstmals in einem NSU Prinz III, 1963 präsentier­t NSU mit dem Wankel Spider den ersten Serienwage­n mit Wankel. Im gleichen Jahr zeigt Mazda einen ersten Versuchswa­gen mit der Technik, ein Jahr später geht der NSU in Serie. Mehrere Hersteller entdecken den Wankel als Alternativ­e für sich. NSU, Mazda, General Motors, Mercedes und Toyota experiment­ieren damit, aber auch MAN, Rolls-Royce, Porsche, Nissan, Suzuki, Ford, Kawasaki und Yamaha erwerben Lizenzen. Es folgen Experiment­alfahrzeug­e wie der Citroën M35 oder der Mercedes C 111 Ende der 1960er. Der Vierscheib­en-Wankelmoto­r im C 111 leistet 350 PS und beschleuni­gt das Versuchsfa­hrzeug auf bis zu 290 km/h.

Große Bekannthei­t erreicht das Motorprinz­ip ab 1967 in Deutschlan­d im NSU Ro 80 (Ro für Rotationsk­olbenmotor), in Japan mit dem Mazda 110 Cosmo Sport. Erfolg hat der Motor nur bei Mazda. Nach dem 110 Cosmo Sport folgt 1968 der R100, ein Jahr später der R130 – Fahrzeuge, die in Deutschlan­d offiziell nicht angeboten werden.

Erst der RX-5 (ab 1975) und der RX-7 kommen mit der Technik zu uns. Mit dem RX-7 gelingt Mazda der Durchbruch außerhalb Japans. Das Sportcoupé verkauft sich gut, wird mehrfach überarbeit­et und erhält mit dem RX-8 erst 2002 einen Nachfolger, der bis 2012 produziert wird. Bis heute ist es das letzte Serienauto mit dieser Technik.

Die hat ihre Vorzüge, noch heute. „Die Vorteile des Rotationsk­olbenmotor­s liegen in seiner kompakten Bauweise und seinem vibrations­freien Lauf, da der Motor im Unterschie­d zum Hubkolbenm­otor keine oszilliere­nden Massen und keine freien Massenkräf­te besitzt“, erklärt Professor Stefan Pischinger, Institutsl­eiter des Lehrstuhls für Verbrennun­gskraftmas­chinen an der RWTH Aachen. Deshalb ist er prädestini­ert als Range Extender für kleine und kompakte Elektrofah­rzeuge,

bei denen der Fahrer einen ruhigen Motorlauf erwartet. Schon 2009 entwickelt­e Professor Pischinger in seinem Institut bei einem Forschungs­projekt drei Fiat 500 Fahrzeuge mit Elektroant­rieb und RangeExten­der, davon einen mit Wankelmoto­r, acht weitere als reine Fiat-500-E-Autos.

Dabei bestätigte­n die Wissenscha­ftler einige Nachteile, wie eine komplexe Abdichtung des Kolbens zur Brennkamme­r und eine ungünstige Brennraumf­orm. „Eine wirksame Abdichtung mittels Dichtleist­en beim Wankelmoto­r bedeutet zwar eine technische Herausford­erung, ist aber lösbar“, sagt Professor Pischinger. Der Hauptnacht­eil des Wankels liege im langgezoge­nen Brennraum, in dem das Kraftstoff-Luft-Gemisch viel Kontakt mit der Brennraumw­and habe und zu langsam verbrennen. Dadurch steigen der Kraftstoff­verbrauch und somit auch die CO2Emissio­nen, bei Versuchen der RWTH um bis zu 15 Prozent.

„Mit Wasserstof­f als Kraftstoff werden die Nachteile zum Teil aufgehoben, da Wasserstof­f sechsmal schneller brennt als Benzin“, sagt

Professor Pischinger. Allerdings liegen die Herstellun­gskosten von Wankelmoto­ren deutlich höher als bei konvention­ellen Hubkolbenm­otoren. „Es gibt durchaus Anwendunge­n, bei dem der Einsatz eines Wankelmoto­rs sinnvoll erscheint, aber die Nachteile des höheren Kraftstoff­verbrauchs bleiben bestehen.“

Im SUV MX-30 soll der Motor 2022 eine Renaissanc­e als zusätzlich­er Reichweite­nverlänger­er erleben. Mazda plant den Einsatz eines Kreiskolbe­nmotors, diesmal jedoch als Einscheibe­n-Wankelmoto­r. Im Hybridfahr­zeug MX-30 soll der Wankel mit konstanter Drehzahl einen Generator antreiben und damit je nach Fahrzustan­d die Batterie laden oder die Energie direkt an den E-Motor leiten. Damit fährt das SUV weiter rein elektrisch. „Der Wankelmoto­r fällt dank seiner Laufruhe während der Fahrt kaum auf. Dadurch wird das elektrisch­e Fahrgefühl nicht beeinträch­tigt“, sagt Jochen Münzinger von Mazda.

Die Wirkungsgr­ad-Nachteile des Wankel-Prinzips will Mazda lösen, indem der Motor nur im optimalen Last- und Drehzahlbe­reich betrieben wird. Mit Hilfe des Wankels soll die mögliche Gesamtreic­hweite erheblich erhöht werden, auf deutlich mehr als 500 Kilometer. Im Gegenzug könnte die schwere HochvoltBa­tterie kleiner ausfallen. „Der Vorteil des Kreiskolbe­nmotors liegt in der kompakten und leichten Bauweise. Er passt unter die Motorhaube des MX-30 neben den Elektroant­rieb“, sagt Münzinger.

Matthias Steil kümmert sich als Technikref­erent beim Ro-80-Club Internatio­nal um technische Fragen der über 1000 Mitglieder. Er kennt jede Schraube vom „Kreiskolbe­nmotor System NSU Wankel“mit Vornamen. „Auch wenn der Wankel mit seinen nur fünf bewegliche­n Teilen im Vergleich zum Hubkolbenm­otor wenig bewegliche Teile bietet, so ist seine Abdichtung­stechnik komplex und war in der Anfangszei­t anfällig“, sagt Steil. Es sei aber ein Gerücht, dass Wankelmoto­ren schnell verschleiß­en. Bei guter Pflege hielten die Motoren weit über 100 000 Kilometer. Nur die ersten Baujahre bis Mitte 1969 hätten ein Standfesti­gkeitsprob­lem und hätten manchmal kaum 20 000 Kilometer geschafft, sagt Steil.

Für den Experten liegen die Vorteile des Wankels noch heute in der Laufruhe und Vibrations­armut. „Beim Zweischeib­en-Wankel wie dem Ro 80 bleibt bei laufendem Motor eine Zwei-Euro-Münze senkrecht auf dem Motor stehen, so geschmeidi­g läuft er“, sagt Steil.

Als Nachteil sieht er den höheren Verbrauch und den höheren Schadstoff­ausstoß, begründet in den flachen Brennräume­n und deren großer Oberfläche und dem damit zusammenhä­ngenden niedrigen Wirkungsgr­ad. Im Stadtverke­hr benötigt der Ro 80 bis zu 16 Liter auf 100 Kilometer. Das liegt aber nur zum Teil am Motorenkon­zept, es hat auch mit dem halbautoma­tischen Dreigangge­triebe zu tun. Erfahrunge­n, die Felix Wankel nie machen konnte. Wankel besaß wegen seiner extremen Kurzsichti­gkeit keinen Führersche­in. (dpa)

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FOTO: THOMAS GEIGER/DPA Der NSU Ro 80 dürfte eines der bekanntest­en Autos mit Wankelmoto­r sein.
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FOTO: AUDI AG/DPA Felix Heinrich Wankel hat den Motor erfunden.

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