Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Der E-Euro rückt näher
Die digitale Revolution und die Pandemie sorgen für veränderte Zahlungsgewohnheiten
STUTTGART - Aufgrund der digitalen Revolution haben sich die Zahlungsgewohnheiten der Menschen stark verändert. Immer häufiger halten Verbraucher beim Bezahlen einfach ihre Girocard vor das Bezahlterminal oder wischen mal kurz über ihr Smartphone. Beschleunigt wurde diese Entwicklung durch die Covid-19-Pandemie, in deren Verlauf nahezu die Hälfte der Menschen laut EZB-Erhebung Bargeld seltener genutzt hat als zuvor. Und fast 90 Prozent davon wollen dies auch nach der Pandemie beibehalten. Keine Frage, Corona hat beim Bezahlen einem Katalysator gleich für einen Digitalisierungsschub gesorgt.
Schon zuvor hatte der Hype um Kryptowährungen eingesetzt, der mit dem jüngsten Höhenflug des Bitcoin neue Dimensionen erreicht hat. Davor, dass durch die Ausbreitung der Kryptowährungen Gefahren für die globale Finanzstabilität erwachsen, warnen seit längerer Zeit Notenbanken und Wissenschaftler. „Kryptowährungen drohen jahrzehntelange Bemühungen um mehr Transparenz im weltweiten Finanzsystem zu konterkarieren“, sagt US-Professor Joseph Stiglitz.
Assistiert wird der Ökonom und Nobelpreisträger von BundesbankPräsident Jens Weidmann, der für Kryptowährungen aufsichtsrechtliche Anforderungen anmahnt, die Geldwäsche oder die Finanzierung von Terrorismus verhindern sollen. Dies gilt erst recht für die Ansätze privater Geldsysteme, die nicht mehr an staatlicher Regulierung, sondern an privaten Konzerninteressen ausgerichtet sind. Immerhin musste Facebook seine großen Pläne für „Libra“gehörig zusammenstutzen, nachdem der Widerstand gegen die Privatwährung immer größer wurde. Unter dem neuen Namen „Diem“plant Facebook indessen einen neuen Anlauf.
In Summe haben diese Entwicklungen dazu geführt, dass Regierungen und Notenbanken die aufkommenden Nebenwährungen nicht mehr ignorieren. Vielmehr arbeiten Zentralbanken weltweit an eigenen, offiziellen elektronischen Währungen wie der E-Krona, die es seit Februar 2020 in Schweden gibt, oder dem E-Yuan, den China derzeit testet. Bis zur Jahresmitte will auch die Europäische Zentralbank (EZB) über die Einführung eines digitalen Euros entscheiden.
Da Verbraucher und private Geldmittel zunehmend digitaler würden, müsse auch das Zentralbankgeld neu erfunden werden, lautet das Credo der EZB, damit es auch im digitalen Zeitalter als öffentliches Gut uneingeschränkt verfügbar bleibe. „Wir sollten daher darauf vorbereitet sein, ein digitales Pendant zu Banknoten einzuführen, sollte dies erforderlich werden“, sagt dazu EZB-Präsidentin Christine Lagarde. In einem neuen, digitalen Zeitalter würde ein digitaler Euro sicherstellen, dass die Bürgerinnen und Bürger im Euroraum weiterhin freien Zugang zu einem einfachen, allgemein akzeptierten, sicheren und verlässlichen Zahlungsmittel haben. Gleichzeitig könnte ein E-Euro den Übergang der europäischen Wirtschaft in das digitale Zeitalter unterstützen und Innovationen im Massenzahlungsverkehr aktiv fördern.
Zwar hat bei physischen Einkäufen immer noch Bargeld die Nase vorne. Doch überwiegen beim Bezahlen von Rechnungen Lastschriftverfahren und Überweisungen. Beim Versandkauf sind Kartenzahlung und elektronische Zahlung die bevorzugte Lösung. Dies zeigt, dass keine der zurzeit verfügbaren Zahlungsmethoden alle Verbraucherbedürfnisse erfüllt. „Es ist also wichtig, den Menschen beim Bezahlen weiterhin Auswahlmöglichkeiten zu lassen“, heißt es bei der EZB. Und so sollen sich Bargeld und digitales Geld künftig gegenseitig ergänzen.
Ein E-Euro würde die Entwicklung von E-Commerce und einen vernetzten Lebensstil fördern. Gleichzeitig setzt die EZB hohe Priorität auf den Schutz der Privatsphäre, damit der digitale Euro dazu beitragen kann, das Vertrauen in Zahlungen im digitalen Zeitalter aufrechtzuerhalten. Doch trotz aller möglichen Absicherungen bleiben digitale Zahlungen anfällig für Störungen wie Stromausfälle, Cyberbedrohungen oder technische Mängel. Genau dann stellt wiederum Bargeld eine wichtige Absicherung und einen zuverlässigen Wertspeicher dar. Wenn es also darauf ankommt, kann es eben immer noch das Bargeld sein, das sprichwörtlich lacht. Nicht von ungefähr halten laut EZB-Studie 34 Prozent der Bürger im Euroraum zu Hause eine zusätzliche Barreserve vor.