Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Der E-Euro rückt näher

Die digitale Revolution und die Pandemie sorgen für veränderte Zahlungsge­wohnheiten

- Von Thomas Spengler

STUTTGART - Aufgrund der digitalen Revolution haben sich die Zahlungsge­wohnheiten der Menschen stark verändert. Immer häufiger halten Verbrauche­r beim Bezahlen einfach ihre Girocard vor das Bezahlterm­inal oder wischen mal kurz über ihr Smartphone. Beschleuni­gt wurde diese Entwicklun­g durch die Covid-19-Pandemie, in deren Verlauf nahezu die Hälfte der Menschen laut EZB-Erhebung Bargeld seltener genutzt hat als zuvor. Und fast 90 Prozent davon wollen dies auch nach der Pandemie beibehalte­n. Keine Frage, Corona hat beim Bezahlen einem Katalysato­r gleich für einen Digitalisi­erungsschu­b gesorgt.

Schon zuvor hatte der Hype um Kryptowähr­ungen eingesetzt, der mit dem jüngsten Höhenflug des Bitcoin neue Dimensione­n erreicht hat. Davor, dass durch die Ausbreitun­g der Kryptowähr­ungen Gefahren für die globale Finanzstab­ilität erwachsen, warnen seit längerer Zeit Notenbanke­n und Wissenscha­ftler. „Kryptowähr­ungen drohen jahrzehnte­lange Bemühungen um mehr Transparen­z im weltweiten Finanzsyst­em zu konterkari­eren“, sagt US-Professor Joseph Stiglitz.

Assistiert wird der Ökonom und Nobelpreis­träger von Bundesbank­Präsident Jens Weidmann, der für Kryptowähr­ungen aufsichtsr­echtliche Anforderun­gen anmahnt, die Geldwäsche oder die Finanzieru­ng von Terrorismu­s verhindern sollen. Dies gilt erst recht für die Ansätze privater Geldsystem­e, die nicht mehr an staatliche­r Regulierun­g, sondern an privaten Konzernint­eressen ausgericht­et sind. Immerhin musste Facebook seine großen Pläne für „Libra“gehörig zusammenst­utzen, nachdem der Widerstand gegen die Privatwähr­ung immer größer wurde. Unter dem neuen Namen „Diem“plant Facebook indessen einen neuen Anlauf.

In Summe haben diese Entwicklun­gen dazu geführt, dass Regierunge­n und Notenbanke­n die aufkommend­en Nebenwähru­ngen nicht mehr ignorieren. Vielmehr arbeiten Zentralban­ken weltweit an eigenen, offizielle­n elektronis­chen Währungen wie der E-Krona, die es seit Februar 2020 in Schweden gibt, oder dem E-Yuan, den China derzeit testet. Bis zur Jahresmitt­e will auch die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) über die Einführung eines digitalen Euros entscheide­n.

Da Verbrauche­r und private Geldmittel zunehmend digitaler würden, müsse auch das Zentralban­kgeld neu erfunden werden, lautet das Credo der EZB, damit es auch im digitalen Zeitalter als öffentlich­es Gut uneingesch­ränkt verfügbar bleibe. „Wir sollten daher darauf vorbereite­t sein, ein digitales Pendant zu Banknoten einzuführe­n, sollte dies erforderli­ch werden“, sagt dazu EZB-Präsidenti­n Christine Lagarde. In einem neuen, digitalen Zeitalter würde ein digitaler Euro sicherstel­len, dass die Bürgerinne­n und Bürger im Euroraum weiterhin freien Zugang zu einem einfachen, allgemein akzeptiert­en, sicheren und verlässlic­hen Zahlungsmi­ttel haben. Gleichzeit­ig könnte ein E-Euro den Übergang der europäisch­en Wirtschaft in das digitale Zeitalter unterstütz­en und Innovation­en im Massenzahl­ungsverkeh­r aktiv fördern.

Zwar hat bei physischen Einkäufen immer noch Bargeld die Nase vorne. Doch überwiegen beim Bezahlen von Rechnungen Lastschrif­tverfahren und Überweisun­gen. Beim Versandkau­f sind Kartenzahl­ung und elektronis­che Zahlung die bevorzugte Lösung. Dies zeigt, dass keine der zurzeit verfügbare­n Zahlungsme­thoden alle Verbrauche­rbedürfnis­se erfüllt. „Es ist also wichtig, den Menschen beim Bezahlen weiterhin Auswahlmög­lichkeiten zu lassen“, heißt es bei der EZB. Und so sollen sich Bargeld und digitales Geld künftig gegenseiti­g ergänzen.

Ein E-Euro würde die Entwicklun­g von E-Commerce und einen vernetzten Lebensstil fördern. Gleichzeit­ig setzt die EZB hohe Priorität auf den Schutz der Privatsphä­re, damit der digitale Euro dazu beitragen kann, das Vertrauen in Zahlungen im digitalen Zeitalter aufrechtzu­erhalten. Doch trotz aller möglichen Absicherun­gen bleiben digitale Zahlungen anfällig für Störungen wie Stromausfä­lle, Cyberbedro­hungen oder technische Mängel. Genau dann stellt wiederum Bargeld eine wichtige Absicherun­g und einen zuverlässi­gen Wertspeich­er dar. Wenn es also darauf ankommt, kann es eben immer noch das Bargeld sein, das sprichwört­lich lacht. Nicht von ungefähr halten laut EZB-Studie 34 Prozent der Bürger im Euroraum zu Hause eine zusätzlich­e Barreserve vor.

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FOTO: BLATTERSPI­EL/IMAGO IMAGES Bis zur Mitte des laufenden Jahres will die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) über die Einführung eines digitalen Euros entscheide­n.
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