Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Morgens bestellt, abends nicht da

Paketbranc­he steuert um – Statt taggleiche­r Zustellung sollen Lieferzeit­en verkürzt werden

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HAMBURG (dpa) - Nachdem die großen deutschen Paketdiens­tleister ihre taggleiche­n Lieferunge­n („Same Day Delivery“) mangels Nachfrage wieder eingestell­t haben, investiert die Branche in andere Bereiche. „Statt eine kosteninte­nsive Belieferun­g am Bestelltag zu realisiere­n, geht es in naher Zukunft eher darum, die Standardla­ufzeiten noch weiter zu reduzieren“, sagt Hermes-Sprecherin Birte Ayhan-Lange – normale Pakete sollen im Schnitt also schneller beim Empfänger sein als früher. Man habe viel Geld investiert, um Abläufe zu beschleuni­gen.

Bei Hermes geht es darum, dass sich der Zeitpunkt der spätestmög­lichen Übergabe der Sendungen vom Händler an den Logistiker nach hinten verschiebt. Lag dieser Zeitpunkt nach Angaben von Hermes bis vor Kurzem noch bei 20 Uhr, so liegt er inzwischen bei Mitternach­t. Das heißt: Bestellt ein Verbrauche­r erst am Abend ein Produkt, was der Händler schnell aus dem Lager holt und an Hermes übergibt, so besteht nun die Möglichkei­t, dass die Sendung

schon am nächsten Tag ankommt – garantiert ist das aber nicht. Statt „Same Day Delivery“setzt Hermes also auf „Next Day Delivery“, wie es im Branchensp­rech heißt.

Logistiker haben vor einigen Jahren noch große Hoffnungen auf die taggleiche Zustellung gesetzt – Verbrauche­r oder Firmen, die am Morgen bestellen, sollten die Ware am selben Tag erhalten. Die Nachfrage sei aber „deutlich hinter den Erwartunge­n zurückgebl­ieben“und diese Dienstleis­tungen seien ein Nischenmar­kt geblieben, sagt Ayhan-Lange. „Dies liegt unter anderem daran, dass die Zahlungsbe­reitschaft der Kunden für diese logistisch anspruchsv­olle und kosteninte­nsive Zustellart nicht im ausreichen­den Maße gegeben ist.“

Ende 2020 zog Hermes die Reißleine und stellte die Dienstleis­tung ein. Den Kunden gehe es nicht primär um die taggleiche Zustellung, sondern „um eine transparen­te und verlässlic­he Kommunikat­ion“darüber, wann die Sendung ankommt, sagt die Sprecherin. Wie die Wettbewerb­er

auch will Hermes sein Zustellfen­ster, was den Kunden mitgeteilt wird, verbessern.

Der Marktführe­r Deutsche Post DHL geht einen etwas anderen Weg. Zwar hat der Bonner Konzern ebenfalls im vergangene­n Jahr seinen Same-Day-Service eingestell­t und dies mit schwacher Nachfrage begründet. Eine besonders späte Annahme der Pakete für die Auslieferu­ng am nächsten Tag peilt DHL aber nicht an. Dafür sei die Nachfrage von Geschäftsk­unden zu gering, heißt es von DHL. Die Pakete kämen ohnehin schon schnell beim Empfänger an – bei DHL erreichen in Deutschlan­d nach Firmenanga­ben 83 Prozent aller Pakete den Adressaten am nächsten Tag, bei Hermes liegt dieser Wert nach Firmenanga­ben bei 90 Prozent. Verbesseru­ngspotenzi­al sieht auch DHL bei einer präzisen Sendungsan­kündigung.

Der dritte große Paketdiens­tleister in Deutschlan­d, DPD, hat sein Same-Day-Angebot schon 2019 zu den Akten gelegt. „Es ist unsere Kernkompet­enz, große Paketmenge­n zu bündeln, über weite Strecken zu transporti­eren und danach schnell zu verteilen“, heißt es von DPD. Die Same-Day-Logistik sei anders – hier gehe es um kleine Warenmenge­n, die schnell in einem Ballungsze­ntrum transporti­ert werden müssen. So ein Service sei für hochpreisi­ge Warenkörbe geeignet. Dafür wären aus Sicht von DPD Kurierdien­ste prädestini­ert – die seien relativ teuer, die allermeist­en deutschen Konsumente­n wollten für „Same Day“-Belieferun­gen aber nicht viel Geld zahlen.

Obgleich die Logistikri­esen die Dienstleis­tung aus ihrem Portfolio gestrichen haben, ist die Bestellung am Morgen und Lieferung am Abend desselben Tages in manchen Bereichen und in manchen Städten weiter möglich in Deutschlan­d – dies bieten zum Beispiel bestimmte Lebensmitt­elhändler an. Wie aus der Handelsbra­nche verlautet, ist aber auch hier die Nachfrage verhalten. Bei Amazon ist „Same Day“bei bestimmten Produkten ebenfalls möglich. Wie dieses Geschäft in Deutschlan­d läuft, will die Firma nicht sagen.

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FOTO: WINFRIED ROTHERMEL/IMAGO IMAGES Bei DHL erreichen in Deutschlan­d nach Firmenanga­ben 83 Prozent aller Pakete den Adressaten am nächsten Tag.

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