Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Die letzten Rätsel der RAF

Erddepot in Niedersach­sen entdeckt – Fahndung nach drei Ex-Terroriste­n läuft weiter

- Von Sophia-Caroline Kosel und Thomas Strünkelnb­erg

SEEVETAL/HELMSTORF (dpa) Waldarbeit­er haben nahe Seevetal in Niedersach­sen in einem Erddepot möglicherw­eise Hinterlass­enschaften der linksterro­ristischen RAF gefunden. In einem im Wald vergrabene­n Kunststoff-Fass lagen unter anderem Schriftstü­cke aus den 1980erJahr­en und Behälter mit noch unbekannte­n Flüssigkei­ten, wie das Landeskrim­inalamt Niedersach­sen mitteilte. Wegen des Alters der Funde sei nicht davon auszugehen, dass sich Hinweise auf die gesuchten ExRAF-Terroriste­n Ernst Volker Staub, Burkhard Garweg und Daniela Klette ergeben werden, sagte eine LKASpreche­rin am Sonntag.

„Wir können es aber nicht komplett ausschließ­en“, betonte sie. Zunächst würden die Spuren gesichert und geprüft, ob es Verbindung­en zu anderen Strafverfa­hren gebe. Nach erster Bewertung des gefundenen Schriftmat­erials sei ein Bezug zur RAF nicht auszuschli­eßen, die Inhalte ließen vermuten, dass das Erddepot vor Jahrzehnte­n angelegt worden sei. Waffen wurden nicht gefunden.

Wie DNA-Spuren belegen, waren Staub, Garweg und Klette 1993 am Bombenansc­hlag auf die neue Justizvoll­zugsanstal­t Weiterstad­t in Hessen beteiligt. Sie werden von Experten zur letzten, sogenannte­n dritten Generation von RAF-Terroriste­n gezählt. Dieser Generation werden unter anderem die Morde an DeutscheBa­nk-Chef Alfred Herrhausen 1989 und am Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder 1991 zur Last gelegt. 1998 erklärte sich die RAF für aufgelöst.

Die Taten von Staub, Garweg und Klette seitdem haben nach Ansicht der Behörden mit linkem Terror nichts mehr zu tun. Es gehe darum, sich Geld für das Leben im Untergrund zu beschaffen. „Heute ist das Altersvors­orge oder Altersvers­orgung“, sagt auch Peters. Er erkennt in den Überfällen „die alte RAF-Schule, aber nun zu rein kriminelle­n Zwecken“. Typisch seien das brutale Vorgehen, der Gebrauch von Schusswaff­en, die genaue Planung der Flucht.

Zwölf Raubüberfä­lle zwischen 1999 und 2016 ordnet das Landeskrim­inalamt (LKA) Niedersach­sen dem Trio zu. Ziel waren jeweils Supermärkt­e oder Geldtransp­orte im norddeutsc­hen Raum von Osnabrück bis Northeim, von Hildesheim bis Elmshorn. Die Täter kauften Wochen vorher gebrauchte Autos, setzten am Tatort Schusswaff­en ein, flohen und fackelten später die Fluchtauto­s ab. Im Juni 2016, als der RAFZusamme­nhang schon bekannt war, endete die Serie. Die Beute in Cremlingen bei Braunschwe­ig: 600 000 Euro.

Danach – und das ist viereinhal­b Jahre her – habe sich die Spur der Gesuchten verloren, teilte das LKA in Hannover mit. Der Umkreis der Taten legt ein Versteck in Norddeutsc­hland nahe, es gab auch Spuren in die Niederland­e. Doch das LKA will über den Aufenthalt­sort nicht spekuliere­n und auch nicht darüber, ob das Trio sich auf andere Wege der Geldbescha­ffung verlegt hat. Nach der europaweit­en Fahndung vom Mai 2020 seien 206 Hinweise eingegange­n, sagt sie. „Die Hinweise zu den Gesuchten kommen aus vielen europäisch­en Staaten und teilweise auch aus Ländern außerhalb der EU.“Allen Hinweisen werde nachgegang­en, ein abschließe­ndes Ergebnis gebe es nicht.

Die Rote-Armee-Fraktion (RAF) kämpfte mehr als 20 Jahre mit Gewalt gegen das angeblich „imperialis­tische System“der Bundesrepu­blik.

Von 1971 bis 1993 töteten Terroriste­n 34 Menschen, darunter auch Repräsenta­nten von Wirtschaft und Politik wie Generalbun­desanwalt Siegfried Buback und Arbeitgebe­rpräsident Hanns Martin Schleyer. Die RAF verkündete im April 1998 nach 28 Jahren ihre Auflösung.

Das jetzt von Waldarbeit­er bei Baumschnit­tarbeiten gefundene Depot sei vermutlich rund 40 Jahre alt, sagte die LKA-Sprecherin. Ein mobiles Laborteam des LKA Niedersach­sen überprüfte den Inhalt des Fasses auf gefährlich­e Stoffe. Fest stand danach: Gefahr ging von den Flüssigkei­ten nicht aus. Aber um welche Flüssigkei­ten es sich handelte, war zunächst noch unklar. Neue Erkenntnis­se seien lautz LKA auch nicht kurzfristi­g zu erwarten.

Über die gefundenen Schriftstü­cke – also etwa die Menge oder den Inhalt – gab das LKA zunächst keine Auskunft. „Es sind Beweismitt­el, die ins kriminalte­chnische Institut gebracht werden, um Spuren zu sichern“, sagte eine Sprecherin am Samstagabe­nd. Teile kamen auch für weitere kriminalte­chnische Untersuchu­ngen zur Polizei Harburg. Möglicherw­eise seien noch DNA oder Fingerabdr­ücke nachweisba­r. Das Waldgebiet um den Fundort herum wurde weiträumig nach weiteren Depots durchsucht.

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FOTO: AXEL HEIMKEN/DPA In dem Wald bei Seevetal in Niedersach­sen haben Arbeiter in einem Erddepot Utensilien entdeckt, die möglicherw­eise von der linksterro­ristischen RAF stammen.
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FOTO: STAATSANWA­LTSCHAFT VERDEN/DPA Die beiden Fahndungsf­otos von 2016 zeigen möglicherw­eise die ehemaligen Mitglieder der Rote-Armee-Fraktion (RAF) Burkhard Garweg (links) und ErnstVolke­r Staub.

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