Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Aus Angst vor Ansteckung: Fall Buck wird erneut verschoben
Weingartener Ex-Kämmerer hätte sich eigentlich ab dieser Woche vor dem Landgericht wegen schwerer Untreue verantworten müssen
WEINGARTEN - Das endlose Drama um die Finanzmisere des mittlerweile geschlossenen Krankenhauses 14 Nothelfer in Weingarten erfährt eine weitere Wendung. So hat das Ravensburger Landgericht die an diesem Montag beginnende Hauptverhandlung gegen den ehemaligen Kämmerer Anton Buck abgesagt. Damit folgen die Richter einem Antrag von Bucks Verteidiger. Allerdings sollen zeitnah neue Sitzungstermine gefunden werden. Ausschlaggebend für die nun erfolgte Aufhebung ist die Sorge, dass sich der Angeklagte, aber auch gesundheitlich vorbelastete Zeugen, mit dem neuartigen Coronavirus infizieren könnten.
„Angesichts der aktuellen Pandemiesituation sowie der hohen Infektionsund Sterblichkeitsrate war es dem fast 74 Jahre alten Angeklagten, der ausweislich eines eingereichten ärztlichen Attests an einer erheblichen Erkrankung leidet und deshalb ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf bei einer COVID-19-Erkrankung trägt, nicht zumutbar, gegenwärtig an einer auf neun ganztägige Termine anberaumten Hauptverhandlung teilnehmen zu müssen“, sagt Franz Bernhard, Pressesprecher des Ravensburger Landgerichts.
Schließlich habe angesichts des öffentlichen und medialen Interesses damit gerechnet werden müssen, dass alle Plätze im Zuschauerraum belegt werden. Zwar sind das unter Einhaltung strenger Hygienekonzepte im Landgericht nur 15 Sitzplätze.
Das Risiko einer Ansteckung erhöhe sich dadurch aber dennoch, meint Bernhard. Außerdem hätten Bucks Anwälte aus anderen Bundesländern – auch Sachsen, wo die Infektionszahlen aktuell besonders hoch sind – anreisen müssen. Und auch das regelmäßige Lüften hätte – mit Blick auf die aktuell extrem niedrigen Temperaturen – die gesundheitliche Gefährdung bei Anton Buck weiter erhöht.
Dabei wissen die Richter um die Bedeutung der Entscheidung, welche sie sich nicht leicht gemacht haben. Schließlich stand die Wahrung der Grundrechte des Angeklagten und der Schutz aller Verfahrensbeteiligten auf der einen, sowie der Pflicht des Staates „zur Gewährleistung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege“auf der anderen Seite.
Doch gerade auch der Schutz der Zeugen – unter anderem Weingartens Oberbürgermeister Markus Ewald, der langjährige Verwaltungsdirektor Günter Staud, der ehemalige 14-Nothelfer-Geschäftsführer Paul Blechschmidt oder Bucks Nachfolger als Kämmerer, Michael Sonntag – war den Richtern sehr wichtig. „Neben den Gesundheitsgefahren für den Angeklagten waren auch die schutzwürdigen Interessen der übrigen Verfahrensbeteiligten in den Blick zu nehmen.
Dies gilt insbesondere für die geladenen zehn Zeugen, die zum Teil aufgrund ihres Alters oder bestehender gesundheitlicher Beeinträchtigungen ebenfalls zum Personenkreis mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Infektionsverlauf gehören“, sagt Bernhard.
Ebenfalls von Bedeutung waren die Mund-Nasen-Bedeckungen. So seien die Richter darüber besorgt, dass beim Tragen die Mimik der Zeugen nur schwer zu erkennen sei. Das würde die Bewertung der Aussagen erschweren. Unter den aktuellen Umständen sei die Abnahme der Maske aus Sicherheitsrisiken jedoch nicht vorstellbar.
Bernhard unterstreicht auch, dass man sich dem hohen öffentlichen Interesse
am Verfahren sowie der jahrelangen Verfahrensdauer durchaus bewusst gewesen sei. Daher habe man Anfang Dezember – im Einvernehmen mit dem Angeklagten und seinen Verteidigern – auch noch an den nun abgesagten Sitzungsterminen festgehalten. Doch schon damals war klar, dass die weiteren Abläufe von der Entwicklung der Pandemie abhängig seien.
„Seither hat sich die Situation weiter zugespitzt. Für Baden-Württemberg wurden nächtliche Ausgangssperren angeordnet, Präsenzunterricht an den Schulen findet nicht mehr statt und die Kontaktbeschränkungen wurden zu Wochenbeginn weiter verschärft“, argumentiert Bernhard. „Unter diesen Gegebenheiten und im Hinblick auf die Vorbildfunktion des Staates erschien es aktuell untunlich, die umfangreiche Hauptverhandlung im vorliegenden Verfahren, bei dem es sich gerade nicht um eine Haftsache handelt, durchzuführen.“
In der Summe kamen die Richter daher zum Schluss, dem Antrag von Bucks Verteidigern, zu folgen. Die Pflicht zur Gewährleistung einer funktionsfähigen Strafrechtspflege überwog also nicht das gesundheitliche Risiko. Zumal der Fall damit nicht ad acta gelegt wird. Vielmehr sollen bereits bis Ende der Woche neue Sitzungstermine gefunden werden. Dabei rechnet Bernhard damit, dass es noch einige Monate dauern wird, bis der Fall tatsächlich verhandelt wird. Möglicherweise könne das nach Rückgang des Infektionsgeschehens im Mai oder Juni der Fall sein.
Im Übrigen wird sich der abermalige Verzug – eigentlich hätte bereits im Sommer 2020 verhandelt werden sollen, was aber wegen Überlastung der Großen Strafkammer am Landgericht auf Januar verschoben wurde – nicht auf die Verjährungsfrist auswirken. Das bestätigte Bernhard auf Nachfrage.
Die Frage der Verjährungsfrist war bereits im vergangenen Jahr thematisiert worden, nachdem Marco Mansdörfer, einer der Verteidiger von Anton Buck, einen entsprechenden Antrag auf Einstellung des Verfahrens gestellt hatte, der aber abgelehnt wurde.
Mansdörfer begrüßt die nun erfolgte abermalige Verlegung aus grundrechtlichen und gesundheitlichen Abwägungen. „Alles andere geht ja auch nicht“, sagt er. „Ein Saal mit 26 Leuten ist gesundheitsgefährdend. Darüber brauchen wir nicht reden.“