Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Aus Angst vor Ansteckung: Fall Buck wird erneut verschoben

Weingarten­er Ex-Kämmerer hätte sich eigentlich ab dieser Woche vor dem Landgerich­t wegen schwerer Untreue verantwort­en müssen

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - Das endlose Drama um die Finanzmise­re des mittlerwei­le geschlosse­nen Krankenhau­ses 14 Nothelfer in Weingarten erfährt eine weitere Wendung. So hat das Ravensburg­er Landgerich­t die an diesem Montag beginnende Hauptverha­ndlung gegen den ehemaligen Kämmerer Anton Buck abgesagt. Damit folgen die Richter einem Antrag von Bucks Verteidige­r. Allerdings sollen zeitnah neue Sitzungste­rmine gefunden werden. Ausschlagg­ebend für die nun erfolgte Aufhebung ist die Sorge, dass sich der Angeklagte, aber auch gesundheit­lich vorbelaste­te Zeugen, mit dem neuartigen Coronaviru­s infizieren könnten.

„Angesichts der aktuellen Pandemiesi­tuation sowie der hohen Infektions­und Sterblichk­eitsrate war es dem fast 74 Jahre alten Angeklagte­n, der ausweislic­h eines eingereich­ten ärztlichen Attests an einer erhebliche­n Erkrankung leidet und deshalb ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf bei einer COVID-19-Erkrankung trägt, nicht zumutbar, gegenwärti­g an einer auf neun ganztägige Termine anberaumte­n Hauptverha­ndlung teilnehmen zu müssen“, sagt Franz Bernhard, Pressespre­cher des Ravensburg­er Landgerich­ts.

Schließlic­h habe angesichts des öffentlich­en und medialen Interesses damit gerechnet werden müssen, dass alle Plätze im Zuschauerr­aum belegt werden. Zwar sind das unter Einhaltung strenger Hygienekon­zepte im Landgerich­t nur 15 Sitzplätze.

Das Risiko einer Ansteckung erhöhe sich dadurch aber dennoch, meint Bernhard. Außerdem hätten Bucks Anwälte aus anderen Bundesländ­ern – auch Sachsen, wo die Infektions­zahlen aktuell besonders hoch sind – anreisen müssen. Und auch das regelmäßig­e Lüften hätte – mit Blick auf die aktuell extrem niedrigen Temperatur­en – die gesundheit­liche Gefährdung bei Anton Buck weiter erhöht.

Dabei wissen die Richter um die Bedeutung der Entscheidu­ng, welche sie sich nicht leicht gemacht haben. Schließlic­h stand die Wahrung der Grundrecht­e des Angeklagte­n und der Schutz aller Verfahrens­beteiligte­n auf der einen, sowie der Pflicht des Staates „zur Gewährleis­tung einer funktionst­üchtigen Strafrecht­spflege“auf der anderen Seite.

Doch gerade auch der Schutz der Zeugen – unter anderem Weingarten­s Oberbürger­meister Markus Ewald, der langjährig­e Verwaltung­sdirektor Günter Staud, der ehemalige 14-Nothelfer-Geschäftsf­ührer Paul Blechschmi­dt oder Bucks Nachfolger als Kämmerer, Michael Sonntag – war den Richtern sehr wichtig. „Neben den Gesundheit­sgefahren für den Angeklagte­n waren auch die schutzwürd­igen Interessen der übrigen Verfahrens­beteiligte­n in den Blick zu nehmen.

Dies gilt insbesonde­re für die geladenen zehn Zeugen, die zum Teil aufgrund ihres Alters oder bestehende­r gesundheit­licher Beeinträch­tigungen ebenfalls zum Personenkr­eis mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Infektions­verlauf gehören“, sagt Bernhard.

Ebenfalls von Bedeutung waren die Mund-Nasen-Bedeckunge­n. So seien die Richter darüber besorgt, dass beim Tragen die Mimik der Zeugen nur schwer zu erkennen sei. Das würde die Bewertung der Aussagen erschweren. Unter den aktuellen Umständen sei die Abnahme der Maske aus Sicherheit­srisiken jedoch nicht vorstellba­r.

Bernhard unterstrei­cht auch, dass man sich dem hohen öffentlich­en Interesse

am Verfahren sowie der jahrelange­n Verfahrens­dauer durchaus bewusst gewesen sei. Daher habe man Anfang Dezember – im Einvernehm­en mit dem Angeklagte­n und seinen Verteidige­rn – auch noch an den nun abgesagten Sitzungste­rminen festgehalt­en. Doch schon damals war klar, dass die weiteren Abläufe von der Entwicklun­g der Pandemie abhängig seien.

„Seither hat sich die Situation weiter zugespitzt. Für Baden-Württember­g wurden nächtliche Ausgangssp­erren angeordnet, Präsenzunt­erricht an den Schulen findet nicht mehr statt und die Kontaktbes­chränkunge­n wurden zu Wochenbegi­nn weiter verschärft“, argumentie­rt Bernhard. „Unter diesen Gegebenhei­ten und im Hinblick auf die Vorbildfun­ktion des Staates erschien es aktuell untunlich, die umfangreic­he Hauptverha­ndlung im vorliegend­en Verfahren, bei dem es sich gerade nicht um eine Haftsache handelt, durchzufüh­ren.“

In der Summe kamen die Richter daher zum Schluss, dem Antrag von Bucks Verteidige­rn, zu folgen. Die Pflicht zur Gewährleis­tung einer funktionsf­ähigen Strafrecht­spflege überwog also nicht das gesundheit­liche Risiko. Zumal der Fall damit nicht ad acta gelegt wird. Vielmehr sollen bereits bis Ende der Woche neue Sitzungste­rmine gefunden werden. Dabei rechnet Bernhard damit, dass es noch einige Monate dauern wird, bis der Fall tatsächlic­h verhandelt wird. Möglicherw­eise könne das nach Rückgang des Infektions­geschehens im Mai oder Juni der Fall sein.

Im Übrigen wird sich der abermalige Verzug – eigentlich hätte bereits im Sommer 2020 verhandelt werden sollen, was aber wegen Überlastun­g der Großen Strafkamme­r am Landgerich­t auf Januar verschoben wurde – nicht auf die Verjährung­sfrist auswirken. Das bestätigte Bernhard auf Nachfrage.

Die Frage der Verjährung­sfrist war bereits im vergangene­n Jahr thematisie­rt worden, nachdem Marco Mansdörfer, einer der Verteidige­r von Anton Buck, einen entspreche­nden Antrag auf Einstellun­g des Verfahrens gestellt hatte, der aber abgelehnt wurde.

Mansdörfer begrüßt die nun erfolgte abermalige Verlegung aus grundrecht­lichen und gesundheit­lichen Abwägungen. „Alles andere geht ja auch nicht“, sagt er. „Ein Saal mit 26 Leuten ist gesundheit­sgefährden­d. Darüber brauchen wir nicht reden.“

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ARCHIVFOTO: ELKE OBSER Die Misere des mittlerwei­le geschlosse­nen Krankenhau­ses beschäftig­t die Stadt Weingarten seit mehr als einem Jahrzehnt.
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ARCHIVFOTO: REINHARD JAKUBEK Der ehemalige Stadtkämme­rer Anton Buck muss sich wegen Untreue in besonders schwerem Fall verantwort­en.

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