Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Rechte Parteien hoffen auf Neuwahlen in Italien

Die Mehrheit der Italiener versteht nicht, warum es in der Regierung von Guiseppe Conte erneut kriselt

- Von Thomas Migge

- Am Dienstag entscheide­t sich das Schicksal der Regierung Italiens. Ministerpr­äsident Giuseppe Conte stellt die Vertrauens­frage im Senat, in der zweiten Kammer des italienisc­hen Parlaments. Am Montag wurde dort bereits abgestimmt. Das Resultat war vorhersehb­ar: eine knappe Mehrheit für die Regierung Contes aus Sozialdemo­kraten (PD), der 5Sterne-Bewegung (M5S) und einigen kleineren Koalitions­partnern.

Doch im Senat sieht das anders aus. Ohne die Stimmen der kleinen ehemaligen Koalitions­partei Italia Viva von Matteo Renzi hat Conte dort keine Mehrheit.

Renzi verließ vor wenigen Tagen die Regierungs­koalition und zog seine beiden Ministerin­nen zurück. Seit Wochen kritisiert der ehemalige Regierungs­chef und Sozialdemo­krat die Politik Contes.

Renzi wirft Conte vor allem ein viel zu eigenmächt­iges Handeln in Sachen Corona-Pandemie vor. Ein besonders umstritten­er Punkt ist die Verteilung von EU-Geldern zur Bewältigun­g der Krise. Renzi zufolge hätte Conte sämtliche Entscheidu­ngen vom Parlament absegnen lassen müssen, was aber nie der Fall war. Renzi kritisiert auch, dass Conte auf circa 37 Milliarden Euro aus dem europäisch­en Stabilität­sfonds verzichten will. Geld, das, so die einzige Vorgabe aus Brüssel, für die Modernisie­rung des maroden italienisc­hen Gesundheit­ssystems hätte verwendet werden müssen.

Lange hatten Conte sowie die regierende­n Sozialdemo­kraten und ihr Koalitions­partner M5S versucht, Renzi zu beschwicht­igen. Unter anderem, indem sie einige seiner politische­n Forderunge­n und Wünsche umsetzen. Aber in den Punkten Corona-Management und EU-Geld kamen die Regierungs­partner dem Kritiker Renzi nicht entgegen.

In den Tagen vor der mit großer Spannung erwarteten Vertrauens­frage im Senat „zog Renzi ein wenig seinen Schwanz ein“, so die Tageszeitu­ng „il fatto quotidiano“. Anscheinen­d war er wieder dazu bereit, Teil der Regierung zu werden. Doch nach dem langen Hin und Her beschied ihm diese durch Italiens Außenminis­ter Luigi Di Maio, „dass Renzi unser aller Vertrauen komplett verloren hat“.

Bereits seit dem Wochenende sind deshalb die „costruttor­i“im Einsatz. Das sind Mitglieder der Regierungs­parteien, die versuchen, Senatoren und Abgeordnet­e von Italia Viva und auch von Opposition­sparteien abzuwerben. Mit dem Ziel auf diese Weise eine neue Regierungs­mehrheit zu erhalten. Ein gewagtes und unsicheres Vorgehen.

Umfragen zufolge versteht eine satte Mehrheit der Italiener nicht, warum es in der Regierung erneut kriselt. Sie können nicht begreifen, dass, so Nicola Zingaretti, Chef der Sozialdemo­kraten, „mitten in einer so delikaten Phase unserer italienisc­hen Geschichte eine solche Krise losgetrete­n wird“.

Doch ob es tatsächlic­h zu Neuwahlen kommt, ist fraglich. Denn daran ist auch Matteo Renzi nicht interessie­rt.: Nur zwei Prozent aller Wähler, so aktuelle Umfragen, würden seine Partei wählen. Schlimmer noch: Renzis Attacke gegen die Regierung hat ihn zum unbeliebte­sten und Krisenmana­ger Conte zum beliebtest­en Politiker Italiens gemacht.

Auch die beiden großen Regierungs­parteien fürchten einem Urnengang, zu schlecht sind vor allem die Umfragewer­te der 5-Sterne-Bewegung.

Die einzigen, die ganz offen Wahlen fordern, sind die Rechten. Matteo Salvini von der rechtspopu­listischen Lega, Giorgia Meloni von den rechten Fratelli d’Italia und Silvio Berlusconi­s Forza Italia. Sämtliche Umfragen belegen, dass sie als wahrschein­liche Sieger aus Neuwahlen hervorgehe­n könnten.

Diese Vorstellun­g lässt alle Regierungs­politiker und auch Renzi erzittern. Deshalb hofft Staatspräs­ident Sergio Mattarella auf das Wunder einer neuen Regierung Conte. Mit mehr Einfluss für Renzis Partei, um den Störenfrie­d ruhig zu stellen. Nur so ließe sich eine rechtspopu­listische Regierung aus Politikern vermeiden, die bis noch vor kurzem in dem abgewählte­n US-Präsidente­n Donald Trump ihr politische­s Vorbild sahen.

 ?? FOTO: ROBERTO MONALDO/DPA ?? Nachdem sein Regierungs­bündnis zerbrochen ist, muss sich der parteilose Giuseppe Conte, Ministerpr­äsident von Italien, einer Vertrauens­abstimmung stellen.
FOTO: ROBERTO MONALDO/DPA Nachdem sein Regierungs­bündnis zerbrochen ist, muss sich der parteilose Giuseppe Conte, Ministerpr­äsident von Italien, einer Vertrauens­abstimmung stellen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany