Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Die Lage an der OSK bleibt angespannt
An den Kliniken im Kreis sterben mehr Männer als Frauen an Covid-19
RAVENSBURG - Die Zahl der Covid-19-Patienten an der Oberschwabenklinik (OSK) stagniert derzeit auf hohem Niveau. „Ungeachtet der täglichen Schwankungen sind die Zahlen unverändert hoch“, sagt OSKPressesprecher Winfried Leiprecht auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Er macht auch erstmals Angaben zur Altersstruktur der Menschen, die trotz aller ärztlichen Bemühungen nicht gerettet werden konnten.
Dass mehr Männer als Frauen einen schweren Verlauf erleiden, wenn sie sich mit Sars-CoV-2 infizieren, war bereits allgemein bekannt, wenngleich die Gründe dafür noch nicht abschließend erforscht sind. Experten vermuten, dass das entweder hormonelle Ursachen haben könnte oder an einem ungesünderen Lebensstil der Männer liegt, der dann häufiger zu entsprechenden Vorerkrankungen wie beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck oder Übergewicht führt. Auch das Todesrisiko ist für Männer höher, was die Zahlen im Kreis zu bestätigen scheinen, wenngleich sie insgesamt dann doch zu klein für allgemeine Rückschlüsse sind. Von den 19 Menschen, die in der zweiten Pandemiewelle an einer OSK-Klinik gestorben sind, waren 15 männlich und nur vier weiblich. Die Betroffenen waren laut Leiprecht zwischen 60 und 100 Jahren alt, die meisten über 80.
Der überwiegende Anteil der Covid-19-Todesopfer stirbt jedoch nicht im Krankenhaus, sondern im Altersheim oder zuhause. Von den insgesamt 71 Menschen, die infolge einer Corona-Erkrankung im Kreis Ravensburg gestorben sind, waren nur 25 in einem OSK-Krankenhaus. Laut Selina Nußbaumer, Pressesprecherin des Landratsamtes, waren nur drei der 71 Verstorbenen im Landkreis unter 60 Jahre alt, weitere vier unter 70 und weitere zwölf unter 80 Jahre alt.
Momentan werden an den OSKKliniken in Ravensburg und Wangen 69 bestätigte Corona-Kranke versorgt, davon zwölf auf den Intensivstationen (jeweils sechs am Elisabethenkrankenhaus und am Westallgäuklinikum). 57 Patienten liegen mit Sars-Cov-2 auf einer normalen Isolierstation (30 in Ravensburg, 27 in Wangen). Hinzu kommen 24 Verdachtsfälle, die ebenfalls isoliert werden müssen, bis feststeht, was sie haben: vier in Ravensburg, 18 in Wangen und zwei in Bad Waldsee. „Bad Waldsee wollen wir eigentlich coronafrei halten, aber Verdachtsfälle können natürlich jederzeit ankommen“, sagt Leiprecht. Wegen der vielen Corona-Patienten muss die OSK weiterhin das Angebot einschränken. Notfälle wie Herzinfarktpatienten oder Menschen mit Knochenbrüchen werden weiter versorgt, ebenso wie Krebspatienten. Gestrichen sind jedoch Operationen oder Behandlungen, die aufschiebbar sind, wenngleich sich die Verantwortlichen darüber im Klaren sind, dass das kein Dauerzustand sein sollte. „Auch jemand, der eine neue Hüfte braucht, ist ja krank. Aber eben nicht lebensbedrohlich“, erklärt der Pressesprecher. Gut 20 Mitarbeiter sind momentan selbst infiziert oder in Quarantäne, allerdings sei kein Arzt oder Pfleger schwer erkrankt.
So sehr sich die OSK über die ersten 52 Impfungen dank einer Spende der Uniklinik Ulm gefreut habe, so enttäuscht seien manche Mitarbeiter, dass medizinisches Personal in anderen Bundesländern schneller geimpft werde als in Baden-Württemberg. „Seit fast einem Jahr stehen sie an vorderster Front und haben ein großes Risiko, selbst zu erkranken“, sagt Leiprecht. Etwa 500 OSK-Mitarbeiter würden direkt mit Covid-19Patienten in Kontakt kommen und warteten sehnsüchtig auf den Impfstoff.
Der Landkreis Ravensburg hat übers Wochenende derweil 168 Neuinfizierte gemeldet und einen weiteren Sterbefall in Zusammenhang mit einer Corona-Infektion.
Allein 58 neue Fälle wurden in Ravensburg registriert, der bislang höchste Wert an einem Wochenende, 23 in Wangen, 18 in Bad Waldsee, 12 in Leutkirch, 8 in Weingarten. Der Rest verteilt sich über fast alle anderen Städte und Gemeinden im Kreis. Die Betroffenen sind zwischen null und 100 Jahren alt. Auffällig: Es haben sich aktuell nur 13 Kinder und Jugendliche zwischen 0 und 18 Jahren infiziert, wahrscheinlich als Folge der Kita- und Schulschließungen. Leider aber extrem viel ältere Menschen: Von den 168 Betroffenen sind 56 mindestens 70 Jahre alt, die meisten 80 plus.
Die Sieben-Tage-Inzidenz, die die Anzahl der neuen Fälle innerhalb einer Woche auf 100 000 Einwohner angibt, liegt nach Berechnungen der „Schwäbischen Zeitung“bei 210,5. Das Landesgesundheitsamt, das wegen eines herben Meldeverzugs der Wirklichkeit stark hinterherhinkt, nennt einen Wert von 201,8 (Stand Sonntag, 16 Uhr) – doch selbst damit wäre der Kreis Ravensburg beinahe das traurige Schlusslicht im ganzen Land Baden-Württemberg: Nur der Stadtkreis Heilbronn hat einen noch schlechteren Wert.