Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Bewachte Isolation
Das Land bringt Quarantäneverweigerer in Kliniken in Gerlingen und Heidelberg unter
STUTTGART - Es sind nicht viele, aber es gibt sie: Immer wieder klagen Behörden über Menschen, die sich nicht an eine verordnete Quarantäne halten. Was tun? Darüber hat die grün-schwarze Landesregierung lange gerungen. Nun gibt es eine Lösung.
Warum geht es?
Das Coronavirus braucht den Kontakt von Mensch zu Mensch, um sich zu verbreiten. Um Infektionsketten zu brechen, können Gesundheitsämter Menschen in Quarantäne schicken – etwa dann, wenn sie sich nachweislich mit dem Virus angesteckt haben. Grundlage dafür ist das Infektionsschutzgesetz des Bundes. Genau genommen kann das zuständige Gesundheitsamt eine Quarantäne verhängen für Menschen, die engen Kontakt mit einem Infizierten hatten. Die Infizierten selbst müssen sich indes in Isolation begeben – zwei verschiedene Begriffe, die dasselbe bezeichnen.
Wo liegt das Problem?
Nicht jeder folgt der Anordnung. Zudem haben die Behörden kaum die Möglichkeit, umfänglich und permanent zu kontrollieren, ob sich die Betroffenen an ihre Qurantäne oder Isolation halten. Zuständig dafür sind die Ortspolizeibehörden, die bei den Kommunen angesiedelt sind – also die Ordnungsämter.
Wie viele Menschen haben sich einer Quarantäne verweigert?
Genaue Zahlen können weder die Kommunalverbände, noch die Ministerien in Stuttgart nennen. Alle sprechen von einzelnen Fällen. Mancherorts wurden die Quarantäneverweigerer in leer stehenden Wohnungen untergebracht und bewacht. Das sei für die einzelnen Kommunen sehr aufwändig gewesen, erklärt eine Sprecherin des Städtetags und sagt: „Eine zentrale Unterbringung dieser Personen begrüßen wir, denn wir haben uns von Beginn an gegen dezentrale Lösungen ausgesprochen.“Der Bedarf werde zudem mutmaßlich steigen, sagt Tim Gerhäusser vom Landkreistag. „Wir gehen im Übrigen davon aus, dass mit zunehmender Dauer der Pandemie die Anzahl uneinsichtiger Personen eher zu- denn abnehmen wird und sich die Frage nach einer Unterbringung verstärkt stellen wird.“
Gibt es ein Beispiel?
In Albstadt etwa gibt es den Fall eines geduldeten Asylbewerbers mit
Covid-19-Erkrankung. Er hat die verhängte Isolation ignoriert und sich auch geweigert, die Namen der Menschen zu nennen, mit denen er Kontakt hatte. In einem Schreiben aus dem Rathaus heißt es: „Aufgrund dieser Vorkommnisse und des psychischen Zustandes müssen wir sicher davon ausgehen, dass er sich weiterhin nicht an die Quarantäne halten wird.“Mit dem Schreiben, das der „Schwäbischen Zeitung“vorliegt, wird das Land eindringlich gebeten, eine entsprechende Einrichtung für solche Fälle zu schaffen.
Was soll jetzt passieren?
Das Land hat am Montag verkündet, dass es künftig zwei zentrale Einrichtungen für Quarantäneverweigerer geben wird. Bereits seit Montag stehen vier Plätze im RobertBosch-Krankenhaus Schillerhöhe in Gerlingen im Landkreis Ludwigsburg zur Verfügung. Fünf weitere Plätze gibt es ab kommendem Montag in der Universitätsklinik Heidelberg. „Die Zimmer liegen alle auf einem Flur und werden durch Security-Mitarbeiter bewacht“, erklärt ein Sprecher von Sozialminister Manfred Lucha (Grüne). Zuständig für eine zwangsweise Unterbringung sind auch weiterhin die Kommunen. Sie sollen geeingnete Räume finden, betont der zuständige Amtsleiter aus Luchas Ministerium in einem Brief an die Ortspolizeibehörden mit Verweis
auf das Infektionsschutzgesetz. „Für den Fall, dass Quarantäneverweigerer nicht in entsprechenden Einrichtungen der Stadt- und Landkreise zwangsweise untergebracht werden können, hat das Sozialministerium Unterbringungsmöglichkeiten auf Landesebene organisiert.“
Unter welchen Umständen werden Quarantäneverweigerer zwangsweise dort untergebracht?
Die Zwangsquarantäne sei „ultima ratio“– also allerletztes Mittel, erklärt Luchas Amtsleiter in seinem Brief. Demnach sollen zuvor andere Schritte erfolgen. Die Behörden können etwa Bußgelder bis zu 25 000 Euro verhängen, wenn jemand gegen Quarantäne oder Isolation verstoßen hat. In solchen Fällen droht sogar Gefängnis bis zu fünf Jahren. Manche Verweigerer ließen sich vielleicht vorab umstimmen, wenn sie dies wüssten – oder ihnen auch ein Zwangsgeld angedroht werde. Da es sich bei einer Zwangsunterbringung um einen massiven Eingriff in Grundrechte handelt, muss ein Gericht darüber entscheiden.
Warum gibt es die beiden zentralen Einrichtungen erst jetzt?
Im Land gab es Zank darüber, ob es solche Einrichtungen geben soll – und wenn ja, wo. Innenminister Thomas Strobl (CDU) hat sich schon früh dafür stark gemacht und eine ungenutzte Klink im Schwarzwald als zentralen Ort vorgeschlagen. Sozialminister Lucha zögerte und brachte als Gegenvorschlag das Justizvollzugskrankenhaus Hohenasperg ins Spiel – was Justizminister Guido Wolf (CDU) ablehnte. Das Krankenhaus sei ungeeignet und voll ausgelastet, so sein Argument. Zur Lösung des Streits hat sich im November eine Arbeitsgruppe aus Innenministerium, Sozialministerium, Justizministerium und Kommunalverbänden zusammengefunden – und das jetzige Ergebnis vorbereitet.
Was tun andere Länder?
Nur wenige Bundesländer setzen auf zentrale Einrichtungen. SchleswigHolstein hat eine gerade in Betrieb genommen, in Sachsen wird laut Medienberichten eine Unterkunft gerade hergerichtet. In Bayern gibt es solche Pläne nicht. Auf eine Anfrage der „Welt am Sonntag“hatte das Gesundheitsministerium im Freistaat jüngst erklärt, Bürger durch den Hinweis auf „Zwangsabsonderung und Bußgeld“zum Einlenken zu bewegen. Als letztes Mittel blieben Zwangseinweisungen in Kommunen.