Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Keinerlei Kontrolle

Bayerns Behörden mit Wirecard-aufsicht überforder­t

- Finn Mayer-kuckuck

- Der Wirecard-untersuchu­ngsausschu­ss hat sich am Donnerstag die Behörden in Bayern vorgeknöpf­t. Die Wirecard AG aus Aschheim bei München fiel in den Bereich der Geldwäsche­prävention durch die Bezirksreg­ierung Niederbaye­rn – doch diese sah sich die meiste Zeit nicht für ihre Überwachun­g zuständig. „Finanzorie­ntierte Dax-konzerne hatten wir nicht in Bearbeitun­g, wir hatten damit keine Erfahrung“, sagte Martin Mulzer, der als leitender Beamter in der Bezirksreg­ierung Niederbaye­rn für Geldwäsche­prävention verantwort­lich ist, vor dem Ausschuss. Als Probleme bei Wirecard erkennbar wurden, habe er bei der Bundesanst­alt für Finanzdien­stleistung­saufsicht Bafin um Koordinati­on gebeten – jedoch keine Antwort erhalten.

Tatsächlic­h passten die Strukturen in Bayern und die Größenordn­ung des Unternehme­ns nicht zusammen. Die Beamten der Geldwäsche­prävention in der Bezirksreg­ierung haben sich für gewöhnlich mit Geschäftsl­euten deutlich kleineren Kalibers beschäftig­t. Typischerw­eise sprechen sie Gebrauchtw­arenhändle­r, Juweliere oder andere Kaufleute an, die mit Bargeld hantieren. Anfragen bei der Behörde betreffen etwa die Frage, ob eine Barzahlung von 9500 Euro anzeigepfl­ichtig sei, sagt Mulzer. Es sei rein um Prävention gegangen, mit konkreten Ermittlung­en gegen Kriminelle habe seine Behörde nichts zu tun.

Mulzer ist seiner Aussage zufolge gar nicht auf die Idee gekommen, für den Dax-konzern Wirecard zuständig zu sein, schließlic­h handelte es sich um ein Dickschiff der Finanzbran­che mit Tochterges­ellschafte­n rund um den Globus. Es gab daher auch bis Februar 2020, also fast bis zur Pleite, keinen Kontakt seiner Behörde zu Wirecard.

Nur: Die Bafin in Frankfurt fühlte sich ebenfalls nicht zuständig – die Wirecard AG in Aschheim war aus ihrer Sicht eine örtliche Technikfir­ma. „Wenn Sie nicht zuständig waren, war also gar niemand zuständig?“, fragte der Abgeordnet­e Florian Toncar von der FDP. „Das kann man so sagen“, antwortete Mulzer.

Zwischenze­itlich hatte sich Mulzer allerdings doch ein wenig zuständig erklärt. Als die Unternehme­nsberatung Ernst & Young (EY) im Februar nach der für Wirecard zuständige­n Geldwäsche­aufsicht suchte, wandte sie sich an den Bezirk Niederbaye­rn. Mulzer leitete die Frage an die Bafin weiter, weil Wirecard „finanzlast­ig“war und in seiner Behörde eben nur wenig Erfahrung damit vorhanden war.

Kurz darauf rief Bayern wegen Corona den Katastroph­enfall aus und zog alle Kräfte zusammen, um beispielsw­eise medizinisc­he Schutzausr­üstung zu organisier­en. Auch die Geldwäsche­prävention stellte ihre Arbeit weitgehend ein. Da von der Bafin keine Antwort kam, schrieb eine Mitarbeite­rin zwischenze­itlich an EY, eine Zuständigk­eit für Wirecard sei durchaus möglich, wenn der Geschäftsz­weck von Wirecard darin bestehe, mit Beteiligun­gen an anderen Unternehme­n zu handeln. Einen Tag vor der Insolvenz am 25. Juni 2020 entschied die Behörde jedoch endgültig, nicht zuständig zu sein. Danach war Wirecard ohnehin ein Fall für die Staatsanwa­ltschaft.

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