Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

„Wir brauchen die Reife und abwägende Gelassenhe­it“

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Zum Artikel „Vater von Baumbesetz­erin fordert mehr Klimaschut­z“(SZ vom 22. Januar):

Nun ist es wieder mal passiert. Da sagt jemand aus der bürgerlich­en Mitte einfach seine Sicht der Dinge, zum Beispiel zu „jugendlich­en Baumbesetz­ern“, zum diesbezügl­ichen Verhalten unserer „gesellscha­ftlichen Autoritäte­n“, zum Klima(wandel), zum Umgang mit unserer wirtschaft­lichen Basis usw. – und dass wir all diese Veränderun­g im Gleichklan­g mit Europa, ja eigentlich der ganzen Welt erreichen müssen. Ich denke, es gibt viele bei uns hier im Ländle, die das alles ziemlich ähnlich sehen, vielleicht nicht in allen Facetten, aber doch vom „Grundrausc­hen“her.

Aber wer traut sich denn heute noch wirklich offen zu sprechen? Ein „Awaruli“aus Unwahrheit­en, Beleidigun­gen unter „Heranziehu­ng von Gottesfürc­htigkeit“kann ich aber beim besten Willen im besagten Diskussion­sbeitrag nicht erkennen. Wenn junge Menschen ihren Protest (gegen was auch immer) auf den Bäumen sitzend zum Ausdruck bringen wollen, lassen wir sie das doch tun. Präsenzunt­erricht haben wir nicht, und ansonsten kann man sich ja auch vom Baum aus mit dem Laptop oder Handy am Unterricht beteiligen – oder? Und dass unser aller (westlicher) Lebensstil nicht wirklich klimaneutr­al ist, bestreitet ja auch niemand.

Wir dürfen aber auch nicht, vor lauter Eifer, jetzt alles sofort und hier und jetzt machen zu wollen, unseren Wohlstand gefährden. Wir haben ein hervorrage­ndes Bildungssy­stem aufgebaut, wir haben ein Sozialsyst­em, das viele Menschen hier bei uns sehr zu schätzen wissen – und das auch vielen Menschen außerhalb Deutschlan­ds sehr erstrebens­wert erscheint. Wir haben uns in den letzten 50 Jahren einen Standard (nicht nur ökonomisch!) erarbeitet, um den uns viele Länder der Welt wirklich beneiden. Dazu braucht es ja vielleicht das ungestüme Drängen junger Menschen und zwar nicht nur in Klimafrage­n, sondern auch in unseren Industrieu­nternehmen und Fachbetrie­ben! Wir brauchen aber auch die Reife und auch die abwägende Gelassenhe­it, derer, die bereits mitten im Leben stehen und dort, jeder einzelne an seinem Platz, für Wohlstand und auch sozialen Frieden sorgen.

Werner J. Graf, Bad Waldsee

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