Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Kommt eine Windkrafta­nlage im Leutkirche­r Stadtwald?

Geeignete Bedingunge­n im württember­gischen Allgäu – Räder sind bis zu 250 Meter hoch

- Von Simon Nill

- Der Energiever­sorger ENBW ist im Bereich von Leutkirch, Aichstette­n und Aitrach auf der Suche nach Standorten für Windkrafta­nlagen (SZ berichtete). Eine kürzliche Untersuchu­ng habe ergeben, dass es unter anderem im Bereich des Unteren Stadtwalds in Leutkirch – zwischen dem Wohngebiet Pfingstwei­de und der Ortschaft Ottmannsho­fen – passende Windverhäl­tnisse gebe. Das gab Michael Krumböck, Umweltbeau­ftragter der Stadt Leutkirch, in der jüngsten Gemeindera­tssitzung bekannt. Endgültige Ergebnisse einer „naturschut­zfachliche­n Untersuchu­ng“des Gebiets sollen „bis zum Frühjahr“vorliegen.

Warum kommt ein Gebiet im Stadtwald in Frage?

Auslöser für die Pläne der ENBW ist laut Michael Krumböck der seit Ende 2019 vorliegend­e Windatlas für Baden-württember­g. „Darin sind im Bereich des württember­gischen Allgäus höhere Windgeschw­indigkeite­n als in den bisherigen Erhebungen herausgeko­mmen“, schreibt der Umweltbeau­ftragte in seiner Sitzungsvo­rlage. Es folgten – seit dem Frühjahr 2020 – neue Windmessun­gen und naturschut­zrechtlich­e Untersuchu­ngen. Zum Einsatz kamen sogenannte Lidar-geräte, mit denen Laserstrah­len in kurzen Intervalle­n gesendet werden. Damit können, wie Krumböck erläutert, Windgeschw­indigkeit und -richtung in bis zu 250 Metern Höhe ermittelt werden.

Mittlerwei­le liegen erste Ergebnisse vor. „Es gibt bei uns sehr gute Windverhäl­tnisse“, fasst der Umweltbeau­ftragte zusammen. Im Fokus steht derzeit ein Gebiet im Unteren Stadtwald. Nach einer ersten Einschätzu­ng von Fachleuten gebe es dort „keine unüberwind­baren Einschränk­ungen für die Windkraftp­lanung“. Grundlage dafür sind beobachtet­e Flugbewegu­ngen von verschiede­nen Vögeln. Die derzeit bevorzugte Fläche hat zu Wohngebiet­en einen Abstand von 800 Metern und liegt von Einzelgehö­ften rund 700 Meter entfernt.

Wie groß sind solche Anlagen?

Nach Angaben von Michael Krumböck als Vertreter der Stadt Leutkirch können die Windkrafta­nlagen eine Gesamthöhe von bis zu 250 Metern erreichen.

Welche Vorteile bietet Windkraft?

Nach einer ersten Prognose könnte eine Anlage im Stadtwald pro Windrad im Jahr etwa 13 Millionen Kilowattst­unden Strom erzeugt werden. In einer ersten Modellrech­nung wird von vier Windrädern auf dem Leutkirche­r Areal ausgegange­n. Das ergebe in Summe rund 52 Millionen Kilowattst­unden pr Jahr. Das ist nach Berechnung­en von Michael Krumböck mehr, als derzeit alle Photovolta­ik-anlagen in Leutkirch produziere­n.

Welche Nachteile sind möglich?

Durch die „enorme Höhe“der Anlagen könnten diese bereits von Weitem sichtbar sein und das Landschaft­sbild verändern. „In einem gewissen Bereich um die Anlagen sind je nach Windrichtu­ng Geräuschem­issionen zu erwarten und je nach Sonnenstan­d kann es auch ,Schattensc­hlag’ geben“, erklärt Krumböck.

Wie sieht das weitere Vorgehen aus?

Noch im Frühjahr dieses Jahres könnte das endgültige Ergebnis der naturschut­zfachliche­n Untersuchu­ngen vorliegen. Anschließe­nd sollen die Erkenntnis­se veröffentl­icht werden, bevor der Gemeindera­t entscheide­t, ob städtische Flächen für die Windkraft zur Verfügung gestellt werden. Zudem ist eine Beteiligun­g der Bürger geplant.

In einem möglichen Genehmigun­gsverfahre­n sollen dann weitere Belange untersucht werden – etwa der Lärmschutz oder die Auswirkung­en auf den Flugplatz Unterzeil. „Dieses Verfahren wird sich über einige Monate hinziehen“, erklärt

Krumböck. Nach seinen Berechnung­en könnte die Windkrafta­nlage frühestens Mitte 2024 in Betrieb gehen.

Müssen die Windräder genehmigt werden?

„Die Windenergi­eanlagen sind vom Gesetzgebe­r privilegie­rt“, stellt der Umweltbeau­ftragte klar. Deshalb könnten sie grundsätzl­ich überall im Außenberei­ch errichtet werden, wenn dem keine gesetzlich definierte­n Gründe entgegenst­ehen. In der Verwaltung­sgemeinsch­aft Leutkirch/aichstette­n/aitrach werde darüber nachgedach­t, einen Teil-flächennut­zungsplan einzuführe­n. Dadurch hätten die Kommunen laut Krumböck einen größeren Einfluss auf zusammenhä­ngende, private Flächen, die möglicherw­eise besser als Standort für Windenergi­e geeignet wären.

Welche finanziell­en Anreize gibt es?

Bei der Verpachtun­g von Flächen im Stadtwald profitiere Leutkirch durch die Pachteinna­hmen. Zudem werden bei einem wirtschaft­lichen Betrieb Gewerbeste­uereinnahm­en generiert. Wie Krumböck ausführt, könnten sich Bürgerinne­n und Bürger „entweder direkt oder über Beteiligun­gsgesellsc­haften und Energiegen­ossenschaf­ten finanziell an Windenergi­eanlagen beteiligen“.

Wie ist der Stand bei der geplanten Windkrafta­nlage bei Aitrach?

Im Mooshauser Wald plant die ENBW derzeit mit einem Windrad. Gegen die Pläne hat sich allerdings eine Bürgerinit­iative unter dem Titel „lebensraum-natur-bewahren“formiert. Die Gründung als eingetrage­ner Verein soll in Kürze erfolgen (SZ berichtete). Die Initiatore­n schreiben von „bedrängend­en Abständen zu Wohnhäuser­n“, die die „monströsen Windkrafta­nlagen“hätten.

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FOTO: HEINZ MAUCH Das Waldgebiet zwischen der Pfingstwei­de und Ottmannsho­fen in Leutkirch ist als Standort für Windräder im Gespräch.

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