Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Dritter Impfstoff zugelassen

EU veröffentl­icht im Streit mit Astra-zeneca den teils geschwärzt­en Liefervert­rag

- Von Hajo Zenker

- In der EU gibt es einen dritten Corona-impfstoff. Das Vakzin von Astra-zeneca wurde am Freitag von der Europäisch­en Arzneimitt­elagentur EMA in Amsterdam zugelassen – für Personen ab 18 Jahre.

Überschatt­et wurde das Ganze aber von einem Streit mit dem Hersteller um drastisch gekürzte Liefermeng­en, die das Unternehme­n mit Produktion­sproblemen begründet. Die EU pocht dagegen auf Vertragstr­eue. Am Freitag veröffentl­ichte die Eu-kommission eine redigierte Fassung des Impfstoff-liefervert­rages. Die Brüsseler Behörde stellte das 41 Seiten lange Dokument am Freitag auf ihrer Webseite bereit. Große Teile des Vertrages unter anderem zu vereinbart­en Preisen und Liefermeng­en wurden allerdings geschwärzt – nach Angaben der Kommission auf Verlangen Astra-zenecas. Brüssel hofft so, im Streit mit dem Hersteller um ausbleiben­de Impfstoffl­ieferungen dessen Fehlverhal­ten zu belegen.

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) sprach davon, dass Astra-zeneca zumindest ein wenig eingelenkt habe und nun 17 Millionen Dosen im Februar an die EU liefern wolle, drei Millionen davon gingen nach Deutschlan­d. Spahn räumte dabei generell ein: „Der Start der Impfkampag­ne war schwierig.“

Inzwischen seien mehr als 3,5 Millionen Impfdosen an die Bundesländ­er gesandt worden – davon wurden 2,2 Millionen verwendet, 400 000 Menschen hätten bereits die zweite Injektion erhalten. Beim Ziel, allen Pflegeheim­bewohnern bis Mitte Februar ein Angebot zu machen, sei man aber auf gutem Weg: 560 000 von 800 000 seien bereits geimpft, davon 150 000 bereits zum zweiten Mal und damit höchstmögl­ich geschützt.

Spahn bekräftigt­e die Hoffnung, dass im zweiten Quartal auch die Vakzine des Us-konzerns Johnson & Johnson (J&J) sowie des Tübinger Unternehme­ns Curevac zugelassen werden könnten. Der J&j-impfstoff benötigt nur eine Dosis für den völligen Schutz und kann, sagt der Spdgesundh­eitspoliti­ker Karl Lauterbach, selbst Epidemiolo­ge, „ohne besondere Kühlung eingesetzt werden, sogar in Praxen“. Deutschlan­d stünden zehn Millionen Impfungen im zweiten Quartal zu. Und: „Die Firma betont die Lieferbark­eit der zugesagten Mengen.“Das Vakzin hat nach Unternehme­nsangaben von Freitag aber eine Wirksamkei­t von 66 Prozent, das ist deutlich weniger als bei Biontech und Pfizer, die um die 95 Prozent liegen.

Klaus Cichutek, Präsident des Paul-ehrlich-instituts (PEI), der für

Impfstoffe zuständige­n Bundesbehö­rde, verwies zudem auf das Mittel der amerikanis­chen Firma Novavax. Die hat gerade ermutigend­e Studienerg­ebnisse veröffentl­icht, die ebenfalls zu einer baldigen Zulassung führen können. Demnach zeigte der Impfstoff gegen den ursprüngli­chen Erreger eine Wirksamkei­t von 95,6 Prozent und gegen die Mutante mit der Bezeichnun­g B.1.1.7., die zuerst in Großbritan­nien identifizi­ert worden war und besonders ansteckend ist, von 85,6 Prozent.

Das einzige Problem: Deutlich schlechter ist es um die Wirksamkei­t des Novavax-impfstoffk­andidaten bei der zuerst in Südafrika festgestel­lten Virus-mutante mit der Bezeichnun­g B.1.351 bestellt, wo eine Effektivit­ät des Mittels von nur 49,4 Prozent festgestel­lt wurde. Auch Spahn zeigte sich besorgt wegen der neuen Virusvaria­nten. Man wisse noch zu wenig über die Mutanten und müsse zudem mit immer weiteren Mutationen rechnen. Es könne sein, so der Minister, dass man deshalb ganz neu impfen müsse. Auch Auffrischu­ngsimpfung­en nach ein oder auch fünf Jahren seien vorstellba­r. Das lasse sich alles noch nicht abschätzen.

Während die EMA das dritte Vakzin für alle Erwachsene­n erlaubt, hat die Ständige Impfkommis­sion (Stiko) in Deutschlan­d wegen der schlechten Datenlage bei Astra-zeneca für Ältere das Impfen bisher nur für unter 65Jährige empfohlen. Bleibe die Stiko dabei, müsse deshalb nicht gleich die ganze Impfstrate­gie geändert werden, so Spahn. Es gebe in den beiden ersten Priorisier­ungsgruppe­n genug unter 65-Jährige – etwa Pflegekräf­te, medizinisc­hes Personal oder Menschen mit Vorerkrank­ungen. Zuvor hatte die Spd-vorsitzend­e Saskia Esken gefordert, den Impfstoff von Astra-zeneca vor allem Klinik- und Pflegepers­onal zu injizieren. Auch die Deutsche Krankenhau­sgesellsch­aft plädierte dafür, Krankenhau­smitarbeit­er schneller zu impfen. Der Deutsche Lehrerverb­and erwartet eine höhere Priorisier­ung von Lehrkräfte­n.

Auch beim Us-unternehme­n Moderna, in der EU als zweites Vakzin zugelassen, läuft es nicht rund: Nach Angaben der italienisc­hen Regierung wurde für Europa im Februar eine Reduktion der Liefermeng­e um 20 Prozent mitgeteilt. Trotz aller derzeitige­n Lieferengp­ässe nimmt die Produktion zumindest beim ersten in der EU zugelassen­en Impfstoff Fahrt auf. Nachdem bereits der französisc­he Konzern Sanofi mitgeteilt hatte, ab dem Sommer das Vakzin von Biontech/pfizer

herstellen zu wollen, gab am Freitag auch der schweizeri­sche Pharmaries­e Novartis bekannt, die Produktion des Mittels im zweiten Quartal aufnehmen und ab dem dritten Quartal ausliefern zu wollen.

PEI-CHEF Cichutek wies darauf hin, dass bislang nur wenige Nebenwirku­ngen bei den Corona-impfungen aufgetrete­n seien. Dazu gehöre in „sehr, sehr seltenen Fällen“eine Gesichtslä­hmung, die sich aber wieder zurückbild­e. 69 Menschen seien nach einer Impfung verstorben. Es handele sich hier aber vorwiegend um vorerkrank­te Hochbetagt­e und „es gibt keinen Anlass zu vermuten, dass diese Fälle mit den Impfungen in Zusammenha­ng stehen“, sagte er. Es kursierten viele Fehlinform­ationen zu den Impfstoffe­n, etwa zu genetische­n Veränderun­gen oder Unfruchtba­rkeit. Hierfür gebe es keine Grundlage – das sei „alles Quatsch“, so der Pei-präsident. Auch die EMA teilte am Freitag mit, der Impfstoff von Biontech/pfizer habe in der EU keine Todesfälle ausgelöst. In Norwegen, wo es Irritation­en wegen des Todes älterer Menschen nach einer Impfung gegeben hatte, wurde laut den Gesundheit­sbehörden in Oslo in keinem der Fälle ein Zusammenha­ng zwischen der Impfstoffg­abe und dem Tod festgestel­lt.

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FOTO: RUSSELL CHEYNE/DPA Die Europäisch­e Arzneimitt­elbehörde (EMA) hat den Impfstoff von Astra-zeneca zugelassen. Das Unternehme­n versichert, im Februar wenigstens 17 Millionen Dosen an die EU zu liefern.

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