Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
„Würde Filmfestspiele schon gerne machen“
Wie Helga Reichert über ihren Rückzug in Biberach denkt und was Filmschaffende dazu sagen
(gem) - Mit Enttäuschung und zum Teil mit Fassungslosigkeit haben Filmschaffende und Besucher der Biberacher Filmfestspiele in den vergangenen Wochen die Nachricht aufgenommen, dass Helga Reichert eine Weiterarbeit als Intendantin des Festivals abgelehnt hat. Als Grund dafür nannten sie und der Vorstand des Filmfestvereins unterschiedliche Auffassungen über die Zukunft des Festivals und in Fragen der internen Zusammenarbeit. „Grundsätzlich ist es aber schon so, dass ich natürlich gerne Filmfestspiele machen würde“, sagt Reichert im Gespräch mit der SZ.
Auf der Facebookseite der Biberacher Filmfestspiele haben sich in den vergangenen Tagen verschiedene Filmschaffende zu dem Thema zu Wort gemeldet. „Ob Biberach nach dieser Entscheidung noch das „Familientreffen der deutschen Filmemacher“bleiben wird?“, fragt sich zum Beispiel Regisseur Felix Hassenfratz, Gewinner des Debütbibers 2018, und fährt fort: „Die Herzensarbeit von Adrian Kutter und Helga Reichert sehe ich durch diesen Bruch mit den Wurzeln des Festivals und seinen Grundwerten nach über 40 Jahren ernsthaft in Gefahr. Ich wünsche mir, genau wie viele, viele Filmschaffende, dass ihr eure Entscheidung überdenkt.“
Regisseur und Produzent Martin Blankemeyer schreibt: „Biberacher Filmfestspiele ohne/gegen Helga und Adrian sind völlig unvorstellbar! Entweder ihr einigt euch – oder ihr macht den weg frei für einen neuen Vorstand, der das hinbekommt!“
„Wieso lässt man Menschen wie Helga Reichert, und mit ihr die Institution, das jahrzehntelange Aushängeschild, den Gründer Adrian Kutter, der dieses Filmfestival 40 Jahre (40!!!) geleitet hat, so einfach ziehen?“, fragt sich Schauspieler Christian Schiesser.
„Helga Reichert, hat als neue Festivaldirektorin bereits gezeigt, dass sie eine würdige Nachfolgerin ist. Hier kann das letzte Wort doch noch nicht gesprochen sein! Es wäre fatal und ein unfassbar schwerer Verlust, nicht nur für die Stadt, sondern für uns Filmschaffende“, äußert sich Regisseurin Sigrid Klausmann, die mit ihrem Mann Walter Sittler regelmäßig in Biberach zu Gast war. Und Schauspieler und Regisseur Erik Borner schreibt: „Der Vorstand sollte keinesfalls unterschätzen, dass ein Biberacher Filmfestival ganz ohne Helga Reichert und Adrian Kutter im Grunde keinen wirklichen Anklang mehr finden wird.“
Aber ist eine Einigung überhaupt noch möglich? Auf der Internetseite des Monatsmagazins „Blix“ist zu lesen, dass Helga Reichert sich vorstellen könne, die Intendanz weiterhin zu übernehmen. Zeichen einer Annäherung also?
„Ich würde die Filmfestspiele schon gerne machen, aber nicht in diesem Rahmen“, sagt Helga Reichert auf Nachfrage der SZ. Sie könne sich das mit einem neuen Team vorstellen. „Möglicherweise funktioniert die aktuelle Struktur ja nicht. Derzeit entscheidet ein ehrenamtlicher Laienvorstand über ein professionelles Filmfest.“
Sie habe in den vergangenen Tagen viele Rückmeldungen aus der Filmbranche und von Festivalbesuchern bekommen, die ihre Entscheidung bedauert hätten. „Sie haben mir aber auch vermittelt, dass ich es bislang richtig gemacht habe“, sagt Reichert. Sie habe ein halbes Jahr lang versucht, mit dem Vereinsvorstand eine Einigung zu erreichen. „Wir sind nicht zusammengekommen, und es wurde mir zu verstehen gegeben, dass man mit mir nicht mehr will.“Der Verein sei auf dem Papier der Veranstalter und sie werde nicht darum betteln, die Filmfestspiele machen zu dürfen. Sie sei in dieser Sache nicht mehr in Kontakt mit dem Vorstand, sagt Reichert.
Auch Tobias Meinhold, Vorsitzender des Filmfestvereins, bestätigt dies der SZ in einem knappen Statement. Man sei aktuell bemüht und in Gesprächen um eine Nachfolge bei der Intendanz, nicht allerdings mit Helga Reichert. Ziel sei, bis zur Mitgliederversammlung am 30. März eine neue Intendanz zu präsentieren, hatte Meinhold vor knapp drei Wochen gesagt.