Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Herzog und Walser für „Landshut“-museum

ALT-OB und Ex-polizeiche­f machen sich für einen Gedenkort in Friedrichs­hafen stark

- Von Martin Hennings

- Die Liste der Befürworte­r eines „Landshut“-museums wächst. Unter anderem haben sich ALT-OB Martin Herzog und der ehemalige Polizeiche­f im Bodenseekr­eis, Hans-peter Walser, dem „Unabhängig­en Unterstütz­erkreis“angeschlos­sen, aber auch weitere ehemalige Geiseln und Befreier aus den Reihen der GSG 9 sowie deren Angehörige. Sie fordern ein „Museum der Deutschen Demokratie“in Friedrichs­hafen.

Das Projekt ist in Stadt und Region umstritten, nicht nur der eigenwilli­gen Vorgeschic­hte wegen. Im September 2017 war das Wrack der 1977 von Terroriste­n entführten und in Mogadischu befreiten Lufthansab­oeing „Landshut“auf Geheiß des damaligen Außenminis­ters Sigmar Gabriel (SPD) nach Friedrichs­hafen gebracht worden. Der Plan, das Flugzeug im Dornier-museum auszustell­en, scheiterte an Geldstreit­igkeiten, Kompetenzg­erangel und wohl auch an verletzten Eitelkeite­n. Ende 2020 – nach über drei Jahren Stillstand – hat der Haushaltsa­usschuss des Bundestags auf Initiative des Biberacher Spd-angeordnet­en Martin Gerster beschlosse­n, das Projekt künftig bei der dem Innenminis­terium unterstehe­nden Bundeszent­rale für politische Bildung anzusiedel­n und für den Standort Friedrichs­hafen 15 Millionen Euro bereitzust­ellen. Geplant ist kein klassische­s Museum, sondern ein Ort des Gedankens und der politische­n Auseinande­rsetzung mit dem Thema „Terrorismu­s“.

Weil das Projekt vor Ort bislang eher kritisch beäugt worden ist, haben Landrat Lothar Wölfle (CDU) und der Vorsitzend­e der SPD im Kreistag, Norbert Zeller, zur Jahreswend­e einen „Unabhängig­en Unterstütz­erkreis“ins Leben gerufen. Dem hat sich jetzt auch Martin Herzog (CDU), ehemals Landeswirt­schaftsmin­ister sowie Landrat und OB in Friedrichs­hafen, angeschlos­sen. „Gerade in den Tagen der Coronakris­e tut es not, die demokratis­chen Kräfte und das Selbstbewu­sstsein in unserer Gesellscha­ft zu pflegen“, schreibt Herzog an Wölfle und Zeller. „Die Baader-meinhoff-ära war ein tiefdunkle­s und gefährlich­es Kapitel unserer Nachkriegs­geschichte. Ihre siegreiche Bewältigun­g aber ein großartige­r Erfolg, den wir in lebendiger Erinnerung halten müssen“, heißt es in dem Schreiben, das der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt. Er habe die „ersten Reaktionen der Seehasen“auf die Idee eines „Landshut“-museums

„ziemlich enttäusche­nd“gefunden, schreibt der EXOB. „Wo blieb da der viel beschworen­e Zeppelin-geist?“Herzog räumt ein, dass haushalter­ische Vorbehalte ihre Berechtigu­ng hätten, „aber wenn wir allein mit buchhalter­ischem Griffel an so ein Projekt herangehen, springen wir zu kurz“. Nur von solchen Überlegung­en geleitet, hätte es das in seiner Amtszeit gebaute Graf-zeppelin-haus nie gegeben, sagt der ALT-OB.

Auch Hans-peter Walser, viele Jahre Polizeiche­f des Bodenseekr­eises, macht sich für ein „Landshut“museum stark. Sein Ansatz: zeitgeschi­chtliche Aufarbeitu­ng im Zeichen einer wehrhaften Demokratie und Wegweiser für die politische Zukunft mit der ,Landshut’ als spektakulä­rem Ausstellun­gsobjekt. Gerade für Schulklass­en ergebe sich die Chance für „Geschichts­unterricht zum Anfassen“. Es werde immer deutlicher, wie Extremiste­n aus dem linken, vor allem aber aus dem rechten Spektrum versuchten, die Demokratie und ihre Organe „subtil, aber auch ganz offen der Lächerlich­keit preiszugeb­en und zu schwächen, ja sogar mit Gewalttate­n herauszufo­rdern“. Was über Jahrzehnte an demokratis­chen Werten und Strukturen aufgebaut worden sei, dürfe man nicht kampflos aufgeben. „Wenn wir zu lange zusehen, dann wird sich die braune Brühe irgendwann über uns ergießen“, sagt Walser zur „Schwäbisch­en Zeitung“.

Der Polizist leitete von 1978 bis 2003 die Polizeidir­ektion Friedrichs­hafen,

zuvor war er im Lagezentru­m des Innenminis­teriums eingesetzt. Nach Stuttgart und Karlsruhe sei der Bodenseekr­eis zur RAF-ZEIT der größte Brennpunkt beim Thema Personen- und Objektschu­tz gewesen. Das lag zum einen an Firmen wie MTU, Dornier und anderen, die im Rüstungsge­schäft engagiert waren. Hinzu kam, dass stark gefährdete Menschen wie der damalige Innenminis­ter Karl Schiess (CDU), der hier seinen Wahlkreis hatte und in Überlingen wohnte, oder Arbeitsgeb­er-präsident Hanns-martin Schleyer, der in Meersburg ein Haus besaß. „Dass die Polizei tagtäglich mit der Maschinenp­istole im Einsatz war und sich dadurch ihr Erscheinun­gsbild zumal bei häufigen Öffentlich­keitsfahnd­ungen grundlegen­d verändert hatte, ist mit Sicherheit noch vielen Menschen in Erinnerung“, sagt Walser. Er erinnert auch an die Ermordung des Mtuchefs Ernst Zimmermann 1985 im bayerische­n Gauting und den Rafanschla­g auf die Firma Dornier im Jahr 1986.

Zuwachs erhält der „Unabhängig­e Unterstütz­erkreis für ein Museum der Deutschen Demokratie in Friedrichs­hafen“auch von außerhalb. Neben mehreren ehemaligen Geiseln und GSG 9-Beamten haben sich auch der ehemalige Landesjust­izminister Rainer Stickelber­ger (SPD), der Ravensburg­er Ex-landrat Kurt Widmaier (CDU) und Meersburgs Bürgermeis­ter Martin Scherer angeschlos­sen. In der Liste zu finden sind zudem der Regisseur Heinrich Breloer

und die Schauspiel­erin Susanne Schäfer. Beide haben sich im Dokudrama „Todesspiel“künstleris­ch mit der RAF-ZEIT beschäftig­t. Der zweiteilig­e Fernsehfil­m wurde 1997 erstmals ausgestrah­lt.

Gegen ein „Museum der Deutschen Demokratie“in Friedrichs­hafen hat sich die AFD ausgesproc­hen. Ihre Bundestags­fraktion fordert ein „Museum des Deutschen Herbstes“in Berlin, das an den Terrorismu­s der RAF und seine Opfer erinnern und die „Landshut“ausstellen soll. Eröffnet werden soll das Museum nach dem Wunsch der AFD spätestens im

Oktober 2027 zum 50. Jahrestag der Entführung der „Landshut“. Im Haushaltsa­usschuss hatte die AFD noch für das Museum am Bodensee gestimmt. Damit habe man aber nur die „jahrelange Ungewisshe­it um die Zukunft des Ausstellun­gsprojekts“beenden wollen. Ein solches Museum brauche einen „würdigen Platz in Berlin“, heißt es im Antrag der AFD. Es dürfe nicht „in einer abgelegene­n deutschen Kleinstadt errichtet werden“.

 ?? FOTO: DPA ?? Die von Terroriste­n gekaperte Lufthansa-boeing 737 „Landshut“am 14. Oktober 1977 auf dem Flugplatz von Dubai. Nach ergebnislo­sen Verhandlun­gen stürmte die Anti-terror-einheit des Bundesgren­zschutzes, GSG 9, am 18. Oktober die Maschine in Mogadischu.
FOTO: DPA Die von Terroriste­n gekaperte Lufthansa-boeing 737 „Landshut“am 14. Oktober 1977 auf dem Flugplatz von Dubai. Nach ergebnislo­sen Verhandlun­gen stürmte die Anti-terror-einheit des Bundesgren­zschutzes, GSG 9, am 18. Oktober die Maschine in Mogadischu.

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