Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
So läuft der Wahlkampf ohne direkten Bürgerkontakt
Wegen der Pandemie müssen die Kandidaten umdenken: Vor allem setzen sie auf Online-formate – aber nicht nur
(jps, sin, hey) - Trotz der Pandemie und ihrer Folgen rückt die Landtagswahl am 14. März immer mehr in den Blickpunkt. Corona hat auch darauf weitreichende Auswirkungen. Einen Wahlkampf im herkömmlichen Sinne wird es zum Beispiel nicht geben. Wie die hiesigen Kandidatinnen und Kandidaten auch ohne Präsenzveranstaltungen in Hallen, Wirtschaften und auf Märkten sich und ihre Ziele in den Blick rücken wollen: ein Überblick zu den im Land- beziehungsweise Bundestag vertretenen Parteien – sortiert nach dem Stimmenanteil des Urnengangs von 2016.
Raimund Haser, CDU
„Wir müssen Wahlkampf im Moment neu definieren“, konstatiert Raimund Haser, der 2016 das Direktmandat erobert hatte. Klassische Elemente wie Podiumsdiskussionen, Marktstände oder Zusammenkünfte mit Verbänden seien wegen der Corona-pandemie unmöglich. „Normalerweise wäre ich von September bis März an keinem Abend zu Hause“, meint Haser.
Dass sämtliche Treffen nun wegfallen, schmerzt den Landtagskandidaten: „Man bekommt in dieser Zeit eigentlich viele Anregungen von Leuten, die man sonst nicht sieht.“Die aktuelle Corona-pandemie und deren Auswirkungen beschäftige den Cdu-landtagsabgeordneten derzeit „quasi den ganzen Tag“. Deshalb bleibe ohnehin nicht viel Zeit für Wahlkampf.
Im Internet – speziell in sozialen Medien – ist Haser bereits seit geraumer Zeit aktiv. Angebote wie etwa eine Facebook-live-sprechstunde will er in den kommenden Wochen weiterführen. Gleichzeitig gelte es, auch andere Online-formate intensiv zu nutzen. Über Videoverbindungen will der Landtagsabgeordnete auch gezielt Interessengruppen erreichen – etwa Blasmusiker, Schulleiter oder Erzieher.
Klar ist Haser aber auch, dass mit diesen Angeboten nicht alle Teile der Bevölkerung erreicht werden können. Deshalb werde er auch gedruckte Werbemittel – etwa Prospekte – einsetzen.
Petra Krebs, Grüne
Nachdem auch die Hoffnung zumindest auf Infostände weitgehend zerstoben ist, setzt Petra Krebs, die 2016 über die Liste ins Landesparlament einzog, ebenfalls weitgehend auf Online-formate. Offenbar durchaus erfolgreich, wie sie aufgrund erster Eindrücke schildert. Mit bis zu 40 Teilnehmern pro Videoschalte erreiche sie auf diesem Wege nicht weniger Menschen als sonst und könne mehr Veranstaltungen machen. Zudem erreiche sie so Interessierte aus einem weiteren Umkreis: Bei einer Fachdiskussion zum Thema „Wolf“hätten sich Menschen aus dem Schwarzwald zugeschaltet.
Einen weiteren Vorteil von Veranstaltungen dieser Art sieht sie in der Chance, hochkarätigere Referenten und Gesprächspartner zu bekommen – und sie glaubt, dass hybride Formate auch nach Ende der Krise Bestandteil von Wahlkämpfen werden, zumindest teilweise: „Die Pandemie hat gezeigt, dass man weiterdenken muss; wir sind eine digitale Gesellschaft.“
Grundsätzlich versuchten sie und die Grünen in allen Medien präsent zu sein. Dazu gehören auch konventionelle Plakate, „das einzig verlässliche Medium“. Und Telefonschalten. Denn in den Städten Wangen, Bad Waldsee, Isny und Aulendorf will Petra Krebs zusammen mit jeweils dortigen Stadträten als neues Format telefonische Sprechstunden anbieten. Dabei könnten Interessierte mit ihr und den Mandatsträgern ins Gespräch kommen, auch zu kommunalen Themen.
Helmut Dietz, AFD
Bisher habe die AFD hauptsächlich auf Infostände gesetzt, sagt Helmut Dietz, der für seine Partei nicht nur im Wahlkreis Wangen-illertal antritt, sondern auch im benachbarten Ravensburger. Jetzt rückten verstärkt Flyer und die Verteilung von Wahlbotschaften in Briefkästen in den Fokus.
Plakate sieht Dietz hingegen als zweischneidiges Schwert: In Ravensburg würden sie schnell wieder abgerissen, im Raum Wangen habe man dieses Problem aber weniger. Gleichwohl werde man erneut auf dieses Mittel setzen.
Ansonsten ist auch die AFD Dietz’ Angaben zufolge viel digital unterwegs: einerseits über den Facebookaccount der Landespartei, andererseits über den des hiesigen Kreisverbands. „Das läuft enorm“, sagt er. Auf diesem Weg habe man in der Region bereits bis zu 10 000 Klicks erhalten.
Eigene Online-veranstaltungen seien noch nicht geplant, allerdings durchaus noch möglich.
Rainer Marquart, SPD
Dass der Lockdown „einen Wahlkampf nur unter erschwerten Bedingungen“zulässt, erklärt auch Spdlandtagskandidat Rainer Marquart:
„Zur Zeit gestalten wir alle Vorbereitungen telefonisch, per Email oder in Online-meetings. Da noch nicht absehbar ist, ab wann oder ob überhaupt ein Präsenz-wahlkampf möglich ist, planen wir, die klassischen Printprodukte wie Flyer und Plakate vermehrt einzusetzen.“
Wenn es die Corona-einschränkungen noch zulassen, möchte die SPD in den letzten Wochen vor der Wahl die Auftritte auf Märkten sowie Hausbesuche forcieren. Im Bereich Online-wahlkampf gibt es indes noch keine spruchreifen Veranstaltungen. Bisher sei nur vorgesehen, den Politiker „nach Hause“zu holen. „Eventuell erweitern wir unsere Präsenz im Online-bereich. Auch über eine größere Telefonaktion denken wir im Moment nach“, so Marquart.
Frank Scharr, FDP
Frank Scharr, Landtagskandidat der FDP, ist ebenso der Meinung, dass die „traditionelle Form des Wahlkampfes eher nicht stattfinden kann“. Zwar werde seine Partei Werbemittel wie Plakate, Flyer verteilen und in stark reduzierter Form auf Wochenmärkten präsent sein. „Der Schwerpunkt wird aber auf den Internetmedien liegen“, betont Scharr.
Das spiele der
FDP in die Hände
– schließlich sei sie die „Digitalisierungspartei“.
So finde unter dem Titel „FDP online“derzeit zweimal pro Woche ein Austausch mit interessierten Bürgern statt. An den
Abenden steht jeweils ein politisches Thema auf der Agenda. Unlängst hatte Scharr insgesamt mehr als 30 (Online-)veranstaltungen bis zum Wahltag angekündigt.
Enes Muric, Linke
Weil die Krise den klassischen Wahlkampf erschwert, will Enes Muric den Austausch mit den Wählern vor allem online suchen. „Ich biete dafür viele verschiedene Möglichkeiten an, darunter direkte Möglichkeiten über Instagram, Facebook, oder per E-mail. Für die Menschen, die diesen Weg meiden wollen, habe ich, gemeinsam mit meinem Wahlkreiskollegen aus Ravensburg, auch ein tolles Format namens ,Digitale Town Hall’ ins Leben gerufen“, berichtet der Landtagskandidat der Linken. Das Konzept sehe eine digitale Bürgersprechstunde vor, bei welcher live über verschiedene Themen gesprochen werde. Interessierte können während der Online-veranstaltung direkt Fragen stellen. Darüber hinaus plant Muric Veranstaltungen mit bekannten Bundespolitikern der Partei, darunter auch Gregor Gysi.
„Das alles ersetzt natürlich nicht den persönlichen Austausch, ist aber eine notwendige Alternative“, so Muric. Er möchte den Wählern in all diesen Formaten verständlich machen, warum es im Landtag dringend eine Linke braucht. Neben den Onlineveranstaltungen will Muric auch Flyer in möglichst vielen Haushalten des Wahlkreises verteilen. „Zusätzlich bin ich mittlerweile auch mit vielen gemeinnützigen Organisationen in Wangen und Umgebung in Kontakt, die mir wertvolle Informationen über ihre Probleme geben, die ich im Wahlkampf einbringen möchte.“