Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Leises Geschäftesterben in Ravensburg
Einige kleinere Läden mussten schon schließen – Gegenmaßnahmen wirken nur bedingt
- Die Ravensburger Innenstadt kämpft im zweiten Lockdown mit einem leisen Sterben der Geschäfte. Der Einzelhandel ist seit Jahren angeschlagen, jetzt überstehen einige Läden die Krise nicht mehr. Mehrere kleine Geschäfte mussten in der Innenstadt endgültig schließen. Dass Verkäufer, die im Lockdown aufmachen dürfen, wie Brillengeschäfte, Feinkostläden oder Lebensmittelgeschäfte, vergleichsweise glimpflich davonkommen, scheint nicht der Fall zu sein.
Die Hofpfisterei in der Adlerstraße hat vor wenigen Tagen geschlossen. Die Ladentheke ist leer und die Lichter bleiben aus. Des Weiteren haben nach Informationen der „Schwäbischen Zeitung“der Mymuesli-laden in der Bachstraße, der Euro-shop in der Oberen Breite, die Boutiquen Bonita am Marienplatz sowie Glücksstern in der Roßbachstraße seit Kurzem geschlossen. In der Stadt sei schon länger erzählt worden, dass manche Pacht zu teuer gewesen sei. Nun stehen mehrere Ladenflächen in einer Toplage leer. Die erneute Erhöhung der Gewerbesteuer von 380 auf 390 Punkte belastet Inhaber nun zusätzlich.
„Die Gründe für eine Schließung sind aber oft vielfältiger Natur“, sagt Eugen Müller, Geschäftsführer des Wirtschaftsforums Pro Ravensburg (Wifo) auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Es sei aber anzunehmen, dass die Corona-krise in manchen Fällen die bereits angespannte wirtschaftliche Situation noch verschärft habe. Wie viele davon allerdings explizit wegen des Lockdowns schließen mussten, sei Wifo nicht bekannt.
Die Entwicklung des schleichenden Geschäftssterbens zeigt sich auch überregional. Die Lage ist bei vielen Einzelhandelsgeschäften „sehr ernst“, so Müller. So hat der Handelsverband Deutschland befürchtet, dass bis zu 50 000 Betriebe aufgeben müssen und somit rund 250 000 Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren könnten. „Umso mehr ist es unbegreiflich, warum die versprochenen Milliardenzahlungen zwar zugesagt, aber bislang nicht oder in viel zu geringem Umfang ausbezahlt wurden.“Müller fordert, dass die Corona-hilfen schnell und unbürokratisch fließen müssten, so könnten viele von der Schließung bedrohte Geschäfte unterstützt werden.
Das bestätigt auch Andreas Senghas, Wirtschaftsförderer der Stadt Ravensburg. Er plädiert ebenfalls für eine schnelle Ausschüttung der Hilfsgelder. „Erfreulicherweise gibt es wie in der ersten Lockdown-phase im Frühjahr 2020 auch dieses Mal bei vielen Gebäudeeigentümern die Bereitschaft, ihren Mietern in dieser schwierigen Phase bei der Gewerbepacht entgegenzukommen“, heißt es seitens Senghas. Ob die jüngsten Ladenschließungen eine reine Folge des Lockdowns sind, kann Senghas nicht bestätigen. Leerstände seien nicht immer auf fehlenden Umsatz zurückzuführen, beispielsweise könnten auch Modernisierungsarbeiten am Gebäude ein Grund dafür sein.
Die Leerstandsquote in der Innenstadt habe sich laut Senghas zwischen dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 und dem aktuell noch andauernden zweiten Lockdown kaum verändert. Die Quote betrüge vor der Krise rund drei Prozent, was eine der niedrigsten der Region gewesen sei. Trotz der aktuellen Lage gebe es in Ravensburg nach wie vor eine große Nachfrage nach Gewerbe-immobilien. Sollten Geschäftsschließungen künftig deutlich zunehmen, könne es zu einer „Verödung der Innenstädte mit wirtschaftlichen und soziokulturellen Folgen“kommen, so Müller.
Er bleibt aber optimistisch und glaubt daran, dass Ravensburg die Folgen der Pandemie meistern werde. Sobald die Wirtschaft wieder in Schwung kommt und damit der städtische Haushalt entlastet wird, könne möglicherweise auch die am Montag erhöhte Gewerbesteuer gesenkt werden, hofft Müller.
Trotz des Lockdowns haben ein paar Geschäfte in der Ravensburger Innenstadt offen. Wie das Violas‘, Tee Gschwender, Vom Fass, Brillengeschäfte, der Bauernmarkt und der Copyshop. Auch diese Betriebe leiden. Denn: „Auch wenn wir offenhaben dürfen, bedeutet das nicht automatisch guten Umsatz“, heißt es von Astrid Schneider-kloos von dem Feinkostladen Violas’. Es gebe mehrere kleinere Geschäfte, die „wirklich kämpfen müssen“.
Viele Geschäftsführer sind verunsichert, wie es weitergehen soll. Kontermaßnahmen sollen der bedrohlichen Entwicklung entgegenwirken. Es gibt einige Möglichkeiten, den Handel im Lockdown zu unterstützen, wie zum Beispiel Click&collect (also online bestellen und abholen), mit dem Kauf von Gutscheinen oder durch Liefer- und Abholdienste.
Dennoch sei der Wettbewerb gegenüber großen Onlineforen wie Amazon und Co. verzerrt – „vor allem unter dem Blickwinkel der Besteuerung“, sagt Eugen Müller. Er nimmt die Politik in die Mangel, dieses Konstrukt „endlich ernsthaft anzugehen“.
Eine neu gegründete Initiative von dem Unternehmer Friedrich Werdich und dem Cdu-landtagsabgeordneten Raimund Haser hat genau das vor. Mit der Initiative #handelstehtzusammen möchten Einzelhändler mit dem Landeswirtschaftsministerium Lösungen erarbeiten.
„Als besonders ungerecht gilt im Moment die geplante Unterscheidung zwischen Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften“, heißt es in einer Pressemitteilung des Wangener Cdu-landtagsabgeordneten Raimund Haser.
Während Erstere Miete und Gehälter als Fixkosten ansetzen könnten, finanzierten Letztere beides aus dem Gewinn. Auch der Umgang mit Abschreibungen sei für die Unternehmer nicht fair. Es dürfe nicht sein, so steht es auch in einem gemeinsamen Forderungspapier der Händler, „dass diejenigen bestraft werden, die investieren“, sagt Haser.
Zusätzlich beklagen Betriebsleiter die Höhe der Hilfsgelder, die die Kosten nicht zu 100 Prozent ausgleichen könnten. „Vielen Unternehmern, die jahrzehntelang investiert und ihr Geschäft aufgebaut haben, läuft die Zeit, und damit auch das Geld davon.“
Mit Unverständnis habe die Runde über die aktuelle Ungerechtigkeit zwischen stationärem Einzelhandel sowie zwischen den geöffneten Discountern und dem Internethandel reagiert.
Auch deshalb müsse dem Einzelhandel die Chance gegeben werden, versäumte Umsätze nachzuholen. „Je länger diese Situation andauert, desto mehr wird der Konsumwunsch über andere Kanäle befriedigt“, so Haser.