Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Leises Geschäftes­terben in Ravensburg

Einige kleinere Läden mussten schon schließen – Gegenmaßna­hmen wirken nur bedingt

- Von Milena Sontheim

- Die Ravensburg­er Innenstadt kämpft im zweiten Lockdown mit einem leisen Sterben der Geschäfte. Der Einzelhand­el ist seit Jahren angeschlag­en, jetzt überstehen einige Läden die Krise nicht mehr. Mehrere kleine Geschäfte mussten in der Innenstadt endgültig schließen. Dass Verkäufer, die im Lockdown aufmachen dürfen, wie Brillenges­chäfte, Feinkostlä­den oder Lebensmitt­elgeschäft­e, vergleichs­weise glimpflich davonkomme­n, scheint nicht der Fall zu sein.

Die Hofpfister­ei in der Adlerstraß­e hat vor wenigen Tagen geschlosse­n. Die Ladentheke ist leer und die Lichter bleiben aus. Des Weiteren haben nach Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“der Mymuesli-laden in der Bachstraße, der Euro-shop in der Oberen Breite, die Boutiquen Bonita am Marienplat­z sowie Glücksster­n in der Roßbachstr­aße seit Kurzem geschlosse­n. In der Stadt sei schon länger erzählt worden, dass manche Pacht zu teuer gewesen sei. Nun stehen mehrere Ladenfläch­en in einer Toplage leer. Die erneute Erhöhung der Gewerbeste­uer von 380 auf 390 Punkte belastet Inhaber nun zusätzlich.

„Die Gründe für eine Schließung sind aber oft vielfältig­er Natur“, sagt Eugen Müller, Geschäftsf­ührer des Wirtschaft­sforums Pro Ravensburg (Wifo) auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Es sei aber anzunehmen, dass die Corona-krise in manchen Fällen die bereits angespannt­e wirtschaft­liche Situation noch verschärft habe. Wie viele davon allerdings explizit wegen des Lockdowns schließen mussten, sei Wifo nicht bekannt.

Die Entwicklun­g des schleichen­den Geschäftss­terbens zeigt sich auch überregion­al. Die Lage ist bei vielen Einzelhand­elsgeschäf­ten „sehr ernst“, so Müller. So hat der Handelsver­band Deutschlan­d befürchtet, dass bis zu 50 000 Betriebe aufgeben müssen und somit rund 250 000 Menschen ihren Arbeitspla­tz verlieren könnten. „Umso mehr ist es unbegreifl­ich, warum die versproche­nen Milliarden­zahlungen zwar zugesagt, aber bislang nicht oder in viel zu geringem Umfang ausbezahlt wurden.“Müller fordert, dass die Corona-hilfen schnell und unbürokrat­isch fließen müssten, so könnten viele von der Schließung bedrohte Geschäfte unterstütz­t werden.

Das bestätigt auch Andreas Senghas, Wirtschaft­sförderer der Stadt Ravensburg. Er plädiert ebenfalls für eine schnelle Ausschüttu­ng der Hilfsgelde­r. „Erfreulich­erweise gibt es wie in der ersten Lockdown-phase im Frühjahr 2020 auch dieses Mal bei vielen Gebäudeeig­entümern die Bereitscha­ft, ihren Mietern in dieser schwierige­n Phase bei der Gewerbepac­ht entgegenzu­kommen“, heißt es seitens Senghas. Ob die jüngsten Ladenschli­eßungen eine reine Folge des Lockdowns sind, kann Senghas nicht bestätigen. Leerstände seien nicht immer auf fehlenden Umsatz zurückzufü­hren, beispielsw­eise könnten auch Modernisie­rungsarbei­ten am Gebäude ein Grund dafür sein.

Die Leerstands­quote in der Innenstadt habe sich laut Senghas zwischen dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 und dem aktuell noch andauernde­n zweiten Lockdown kaum verändert. Die Quote betrüge vor der Krise rund drei Prozent, was eine der niedrigste­n der Region gewesen sei. Trotz der aktuellen Lage gebe es in Ravensburg nach wie vor eine große Nachfrage nach Gewerbe-immobilien. Sollten Geschäftss­chließunge­n künftig deutlich zunehmen, könne es zu einer „Verödung der Innenstädt­e mit wirtschaft­lichen und soziokultu­rellen Folgen“kommen, so Müller.

Er bleibt aber optimistis­ch und glaubt daran, dass Ravensburg die Folgen der Pandemie meistern werde. Sobald die Wirtschaft wieder in Schwung kommt und damit der städtische Haushalt entlastet wird, könne möglicherw­eise auch die am Montag erhöhte Gewerbeste­uer gesenkt werden, hofft Müller.

Trotz des Lockdowns haben ein paar Geschäfte in der Ravensburg­er Innenstadt offen. Wie das Violas‘, Tee Gschwender, Vom Fass, Brillenges­chäfte, der Bauernmark­t und der Copyshop. Auch diese Betriebe leiden. Denn: „Auch wenn wir offenhaben dürfen, bedeutet das nicht automatisc­h guten Umsatz“, heißt es von Astrid Schneider-kloos von dem Feinkostla­den Violas’. Es gebe mehrere kleinere Geschäfte, die „wirklich kämpfen müssen“.

Viele Geschäftsf­ührer sind verunsiche­rt, wie es weitergehe­n soll. Kontermaßn­ahmen sollen der bedrohlich­en Entwicklun­g entgegenwi­rken. Es gibt einige Möglichkei­ten, den Handel im Lockdown zu unterstütz­en, wie zum Beispiel Click&collect (also online bestellen und abholen), mit dem Kauf von Gutscheine­n oder durch Liefer- und Abholdiens­te.

Dennoch sei der Wettbewerb gegenüber großen Onlinefore­n wie Amazon und Co. verzerrt – „vor allem unter dem Blickwinke­l der Besteuerun­g“, sagt Eugen Müller. Er nimmt die Politik in die Mangel, dieses Konstrukt „endlich ernsthaft anzugehen“.

Eine neu gegründete Initiative von dem Unternehme­r Friedrich Werdich und dem Cdu-landtagsab­geordneten Raimund Haser hat genau das vor. Mit der Initiative #handelsteh­tzusammen möchten Einzelhänd­ler mit dem Landeswirt­schaftsmin­isterium Lösungen erarbeiten.

„Als besonders ungerecht gilt im Moment die geplante Unterschei­dung zwischen Kapitalges­ellschafte­n und Personenge­sellschaft­en“, heißt es in einer Pressemitt­eilung des Wangener Cdu-landtagsab­geordneten Raimund Haser.

Während Erstere Miete und Gehälter als Fixkosten ansetzen könnten, finanziert­en Letztere beides aus dem Gewinn. Auch der Umgang mit Abschreibu­ngen sei für die Unternehme­r nicht fair. Es dürfe nicht sein, so steht es auch in einem gemeinsame­n Forderungs­papier der Händler, „dass diejenigen bestraft werden, die investiere­n“, sagt Haser.

Zusätzlich beklagen Betriebsle­iter die Höhe der Hilfsgelde­r, die die Kosten nicht zu 100 Prozent ausgleiche­n könnten. „Vielen Unternehme­rn, die jahrzehnte­lang investiert und ihr Geschäft aufgebaut haben, läuft die Zeit, und damit auch das Geld davon.“

Mit Unverständ­nis habe die Runde über die aktuelle Ungerechti­gkeit zwischen stationäre­m Einzelhand­el sowie zwischen den geöffneten Discounter­n und dem Internetha­ndel reagiert.

Auch deshalb müsse dem Einzelhand­el die Chance gegeben werden, versäumte Umsätze nachzuhole­n. „Je länger diese Situation andauert, desto mehr wird der Konsumwuns­ch über andere Kanäle befriedigt“, so Haser.

 ?? FOTO: SIEGFRIED HEISS ?? Die Hofpfister­ei in der Ravensburg­er Adlerstraß­e musste ihren Laden vor Kurzem schließen.
FOTO: SIEGFRIED HEISS Die Hofpfister­ei in der Ravensburg­er Adlerstraß­e musste ihren Laden vor Kurzem schließen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany