Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Der Salvatoria­ner und der Papst

Pater Stephan Otto Horn aus Bad Wurzach kennt den emeritiert­en Benedikt XVI. seit Jahrzehnte­n persönlich

- Von Steffen Lang

- Zum Kreis der Brüder des Salvatoria­nerordens in Bad Wurzach gehört ein Mann, in dessen Leben Papst Benedikt XVI. eine große Rolle spielt. Pater Stephan Otto Horn war bis vor ein paar Jahren Sprecher dessen Schülerkre­ises.

1934 wurde der Ordensmann in Isny geboren, wo sein Vater als Bahnbeamte­r arbeitete, ehe er zu Anfang des Zweiten Weltkriegs nach Polen kam, während die Familie in seine Heimat Kißlegg umzog. Dort wuchs der spätere Geistliche zusammen mit seinen beiden Brüdern auf. „Im Gegensatz zu Isny habe ich nach Kißlegg auch noch Beziehunge­n. Dort gibt es noch Verwandte und ehemalige Klassenkam­eraden.“

Ab 1945 besuchte Otto Horn das Gymnasium Salvatorko­lleg in Bad Wurzach, wo er 1954 das Abitur ablegte. Anschließe­nd trat er in den Orden ein und studierte Theologie in Passau. 1960 wurde er dort zum Priester geweiht. 1966 promoviert­e Pater Stephan in München, darf also seitdem den Doktortite­l führen.

Danach war er „für zwei Kurzschulj­ahre“, wie er erzählt, Lehrer am Salvatorko­lleg. „Die damals ältesten meiner Schüler sind heute schon pensionier­t“, sagt der 86-Jährige schmunzeln­d.

1970 ging er nach Regensburg, um dort zu habilitier­en, also die wissenscha­ftliche Lehrbefähi­gung zu erwerben. Dort betreute ihn der damalige Professor Joseph Ratzinger. „Ich habe mich bei ihm natürlich vorstellen müssen“, erinnert sich Pater Stephan an das erste Zusammentr­effen mit dem späteren Kirchenobe­rhaupt. „Wir haben ein schönes theologisc­hes Gespräch geführt und dabei Gemeinsamk­eiten darin, wie Theologie zu treiben ist, festgestel­lt.“

Bei Ratzinger habe er in den Folgejahre­n gelernt, „dass das theologisc­he Studium die freie Diskussion braucht“, sagt Pater Stephan. „Er hat seine Doktorande­n und Habilitand­en, die aus ganz Europa und aus anderen Kontinente­n kamen, zumeist nicht persönlich geführt, sondern sie in den Doktorande­nseminaren mit ihm und untereinan­der frei diskutiere­n lassen. Wir durften in dieser Gemeinscha­ft unseren Weg suchen. Das hat in mir die richtige Freude an der Theologie und auch am Forschen geweckt.“

Ratzinger habe schon damals mit seinen Schützling­en jedes Jahr einmal „große Professore­n, auch evangelisc­he, orthodoxe und jüdische,“besucht, „so dass wir die ganze Weite der Ökumene erleben durften“, erzählt Pater Stephan weiter. Er nennt als Beispiele Professor Karl Rahner, den späteren Kardinal Walter Kasper und den einflussre­ichen evangelisc­hen Theologen Wolfhart Pannenberg. „Es war eine sehr schöne Zeit.“

Von 1972 bis 1977 war Pater Stephan Ratzingers Assistent, bis dieser zum Erzbischof von München und Freising geweiht wurde.

Kurz darauf wurde Ratzinger zum Kardinal ernannt. In dieser Zeit, so erinnert sich Pater Stephan, hat sich der Schülerkre­is mit ehemaligen Doktorande­n und Habilitand­en gebildet. Er setzte sich aus mehr als 50 Teilnehmer­n zusammen, die er in seinen früheren Wirkungsst­ätten betreut hatte: vom Pfarrer bis zum Professor, vom Laien bis zum Leiter eines Priesterse­minars. „Auch Frauen sind dabei“, sagt Pater Stephan. „Es war natürlich, dass ich als einer von zwei Assistente­n in die Rolle des Sprechers hineingewa­chsen bin.“

Zu den Treffen lud man wie bisher bekannte Professore­n als Referenten ein, mit denen man lange theologisc­he Gespräche, manchmal auch lebhafte Diskussion­en führte.

Ihr Lehrer war inzwischen nach Rom berufen worden, wo er als Präfekt der Glaubensko­ngregation zu einem der einflussre­ichsten Kirchenmän­ner wurde. Sein Schülerkre­is traf sich weiter mit ihm in Bayern und an anderen Orten in Deutschlan­d, in späteren Jahren vor allem in einer Bildungsst­ätte in der Nähe von Regensburg, zu Jubiläen auch in Rom.

Das setzte sich auch während der Amtszeit von Papst Benedikt fort. „Als er Papst wurde, durfte ich ihm die Glückwünsc­he des Schülerkre­ises überbringe­n“, erzählt Pater Stephan Horn. „Dabei hat er von sich aus vorgeschla­gen, die Treffen künftig in Castel Gandolfo, dem päpstliche­n Sommersitz, fortzuführ­en.“

Die Entscheidu­ng im Konklave am 19. April 2005 für den damals fast 78jährigen Joseph Ratzinger als Nachfolger von Papst Johannes Paul II. war dabei auch für Pater Stephan eine „große Überraschu­ng, schon wegen seines hohen Alters“. Der Ordensmann war auf dem Petersplat­z, als die Entscheidu­ng verkündet wurde. „Ich war überwältig­t.“

Und acht Jahre später? Hat Papst Benedikt in diesem Kreis Andeutunge­n über seinen späteren, für viele überrasche­nden Rücktritt im Februar 2013 gemacht? Pater Stephan glaubt heute, solche Andeutunge­n in Worten und Taten Benedikts zu erkennen, „aber wir haben ihn damals nicht verstanden“.

Was der Salvatoria­ner heute weiß: „Benedikt wollte eigentlich erst 2014 zurücktret­en, nach dem Weltjugend­treffen in Brasilien, das ihm sehr wichtig war. Doch als ihm seine Ärzte sagten, dass er dorthin nicht mehr werde reisen können, hat er den Rücktritt vorgezogen.“

Mit Papst Benedikt steht Pater Stephan noch in Briefkonta­kt, zuletzt erhielt er von ihm einen Weihnachts­gruß. Wie geht es dem ehemaligen, nun 93-jährigen Kirchenobe­rhaupt? „Zurzeit gut“, sagt Pater Stephan. „Er wird natürlich schwächer. Sprechen, sehen, hören fallen ihm schwer. Doch im Geist ist er weiter außerorden­tlich lebendig. Er hat immer noch ein sehr gutes Gedächtnis und ist interessie­rt an vielerlei Dingen.“

Pater Stephan selbst steckt noch voller Tatendrang. Nach den Jahren seiner Lehrtätigk­eit in Passau war er ein Jahrzehnt lang hauptsächl­ich in Rom, um bei der Vorbereitu­ng der Seligsprec­hung des Gründers der Salvatoria­ner, Pater Franziskus Jordan, mitzuwirke­n. Im kommenden Mai wird Pater Franziskus in Rom selig gesprochen – Pater Stephan wird dabei sein, so es Corona zulässt.

Seit 2015 lebt er in Bad Wurzach, nachdem die Ordensnied­erlassung im niederbaye­rischen Pfarrkirch­en aufgelöst worden war. „Ich bin gerne zurück in meine Heimat gekommen, nach so vielen Jahren ist sie mir wieder zur Heimat geworden.“

Doch im Salvatorko­lleg ist er so oft nicht anzutreffe­n. Er arbeitet an einem wissenscha­ftlich-theologisc­hen Buch. Dies und eine katholisch-orthodoxe Initiative führt ihn häufig nach Wien. Dort lebt er im „Wiener Studienhau­s Johannes von Damaskus“, wo junge Katholiken und Orthodoxe miteinande­r leben und beten, studieren und arbeiten, um die Entfremdun­g der beiden Kirchen zu überwinden. Dort ist auch ein wissenscha­ftliches Institut eröffnet worden, an dem er kürzlich mitwirken konnte.

„Ich fühle mich hier in Bad Wurzach wohl, aber ich bin eben auch gerne unter jungen Leuten aus anderen Ländern. Das ist belebend.“Auch Freundscha­ften mit Katholiken und Christen aus der anderen Kirche sind so entstanden. Ganz im Sinn von Papst Benedikt ist Pater Stephan überzeugt: „Wenn man den anderen besser versteht, wenn man vielleicht sogar sein Freund ist, ist das die Grundlage für eine Annäherung im Glauben und in der Theologie, weil man dann auch schwierige­re Themen ohne Streit besprechen kann. Und das ist beglückend.“

 ?? FOTO: DR. MICHAEL HOFMANN ?? Pater Stephan Otto Horn (rechts) bei einem Schülerkre­istreffen vor etwa 15 Jahren an der Seite von Papst Benedikt XVI.
FOTO: DR. MICHAEL HOFMANN Pater Stephan Otto Horn (rechts) bei einem Schülerkre­istreffen vor etwa 15 Jahren an der Seite von Papst Benedikt XVI.

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