Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Mit Hiob durch die Krise

- Von gestern sein wie Spreu im Wind in den Dreck treten von den Würmern zerfressen werden ein fetter Wanst

Hast du gerade wieder erlebt, wie sich Politiker in dieser Impfstoff-debatte hinstellen und keine Gewissensb­isse haben, uns ihre Hiobsbotsc­haften noch als Erfolg zu verkaufen?“– „Ja, da können einem schon die Haare zu Berge stehen. Die Herrschaft­en kommen bei der Beschaffun­g von Vakzinen auf keinen grünen Zweig und verweisen immer nur auf bessere Zeiten – ein leidiger Trost.“ grünen Zweig (15,32), oder etwas ist nur ein leidiger Trost (16,2) – siehe oben. Aber damit nicht genug:

(8,9), (21, 18), (30,19),

(4,19), (15,27) – alles Hiob. Und sagt einer, das ist mir zu hoch, was doch sehr modern klingt, so hat er sich ebenfalls aus der rund 2500 Jahre alten Quelle bedient (42,3). Dieser bemerkensw­erte Niederschl­ag in unserer Sprache lässt sich erklären: Der archaische­n Wucht dieses Stücks der Weltlitera­tur, seiner gedanklich­en Tiefe und seiner poetischen Kraft kann sich kaum jemand entziehen. Generation­en um Generation­en von Theologen, Denkern, Gläubigen, aber auch Ungläubige­n haben sich in Hiob vertieft. „Lesen Sie ihn, lesen Sie ihn, wieder und immer wieder!“, so lautete die dringliche Empfehlung des großen dänischen Philosophe­n Sören Kierkegaar­d aus dem 19. Jahrhunder­t – besonders

Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutunge­n und Schreibwei­sen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.

beherzigen­swert, wenn es wie derzeit um die Bewältigun­g einer Krise geht. Und so sperrig, fordernd, unbequem diese Lektüre streckenwe­ise auch sein mag, vielleicht sagt der eine oder andere am Schluss: Mir geht ein Licht auf – ein letztes Mal Hiob (25,3).

Wenn Sie Anregungen zu Sprachthem­en haben, schreiben Sie! Schwäbisch­e Zeitung, Kulturreda­ktion, Karlstraße 16, 88212 Ravensburg

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Rolf Waldvogel

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