Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Friseure zwischen Hoffen und Bangen

Salonbesit­zer machen Ärger Luft – Friseurin: „Schwarzarb­eit ist weit gefährlich­er“

- Von Claudia Buchmüller

- Kurz vor Weihnachte­n mussten die Friseurbet­riebe in Deutschlan­d erneut schließen. Die Regierung versprach den Inhabern der zum zweiten Mal von Schließung­en betroffene­n Geschäfte schnelle, unbürokrat­ische Hilfen. Wie es darum bestellt ist und wie es Aulendorfe­r Friseuren im Moment geht, hat die „Schwäbisch­e Zeitung“bei einigen Betrieben nachgefrag­t.

Ulrike Wirbel, Präsidenti­n der Vereinigun­g Intercoiff­ure Deutschlan­d, sagt, dass die Ungewisshe­it einen schon mürbe machen würde. Dies bestätigte­n auch ihre Mitarbeite­rinnen, mit denen sie regelmäßig in Kontakt stehe. „Unsere größte Leidenscha­ft ist unser Beruf. Und wir wollen alle so schnell wie möglich wieder arbeiten“, bekräftigt sie.

Wenn es so weit wäre, müsse dies aber unbedingt kontrollie­rt ablaufen. Dass dies möglich ist, hätten die Friseure ja im vergangene­n Frühjahr bewiesen. Das Kurzarbeit­ergeld für ihre Mitarbeite­rinnen sei eingegange­n. Und sie sei in der glückliche­n Lage, dieses aufstocken zu können.

Dagegen seien die Anträge für die staatliche­n Hilfen für die Betriebe in Form der Überbrücku­ngshilfe III noch nicht einmal ausgegeben worden. Zudem müssten diese seit Neuestem

von einem Steuerbera­ter gestellt werden, was wiederum mit zusätzlich­en Kosten verbunden sei. Wirbel ist überzeugt davon, dass ohne ausreichen­de Rücklagen oder einen Partner, der finanziell unterstütz­end eingreift, viele Betriebe nicht überleben könnten, zumal sie befürchtet, dass die Situation noch länger andauert.

Friseurmei­sterin Renate Kästle steht sowohl mit ihren Mitarbeite­rn als auch mit Kollegen in Verbindung und weiß, dass die momentane Situation eine ganz enge Kiste ist. „Wir sind jetzt seit sieben Wochen zu Hause. Und Kurzarbeit ist Kurzarbeit, das darf man nicht verharmlos­en“, betont sie. Besonders schlimm treffe es die 450 Euro-kräfte, die vom Gesetz her völlig durchs Raster fallen und auf die freiwillig­e Unterstütz­ung des Arbeitgebe­rs angewiesen seien.

Sie kann nicht nachvollzi­ehen, dass Friseursal­ons schließen mussten, obwohl sie trotz strenger Einhaltung aller Hygienereg­eln überwiegen­d hinter dem Kunden arbeiten.

Dagegen würden andere Berufsgrup­pen, wie etwa Physiother­apeuten, genau so nahe, wenn nicht näher, weil unmittelba­r über oder vor dem Patienten, arbeiten.

Mit dem Thema Schwarzarb­eit wird sie öfter durch Kundenanfr­agen konfrontie­rt und sieht auch beim Einkaufen, an welchen Köpfen profession­ell Hand angelegt worden ist. Die Friseurin ist überzeugt: „Schwarzarb­eit ist weit gefährlich­er, als wenn die Salons mit strengem Hygienekon­zept öffnen dürften.“Sie hofft, dass die Bundesregi­erung dem Beispiel Österreich­s folgt und die Friseurbet­riebe bald wieder öffnen dürfen. Dieser Schritt, so Kästle, würde viele Betriebe, die unmittelba­r am Existenzmi­nimum sind, vielleicht retten.

Birgit Jakobs hatte im Januar ihr 20-jähriges Jubiläum als selbststän­dige, mobile Friseurin und betreibt zusätzlich einen stationäre­n Friseursal­on in Steinenbac­h. Sie beschreibt ihre Situation folgenderm­aßen: „Diese Warterei, wann wieder geöffnet werden darf, ist total nervig. Man sitzt ein

Ulrike Wirbel wenig wie auf heißen Kohlen. Es ist ja auch so, dass die Einnahmen fehlen und die Unkosten nach wie vor da sind.“

Von schneller Hilfe könne keine Rede sein, und selbst wenn es weitergehe, könne niemand wissen, wann der nächste Lockdown komme. Die Friseurmei­sterin befürchtet, dass die Auflagen noch strenger werden, obwohl die Hygiene in ihrer Branche immer schon an erster Stelle gestanden habe. Auch sie sieht eine Zunahme der Schwarzarb­eit, wenn sie in der Stadt unterwegs ist.

Für Jakobs hakt es seitens der Regierung an der Relation der Verbote. „Wir Friseure haben uns strikt an die Hygienemaß­nahmen gehalten. Wenn ich dagegen sehe, wie es beim Einkaufen teilweise zugeht, ob in Bezug auf falsches Maskentrag­en oder Gedränge, da stimmt einfach das Verhältnis nicht.“

Leider würden zu viele Menschen die Maßnahmen nicht einhalten. Und die Selbststän­digen seien die Leidtragen­den, fügt die Friseurin hinzu. Sie selbst hat die behördlich verordnete Zwangspaus­e genutzt, um nach dem Lockdown mit einem neuen Konzept durchzusta­rten, und freut sich deshalb doppelt darauf, bald wieder arbeiten zu dürfen. Momentan überwiegt jedoch die Skepsis, dass dies in naher Zukunft möglich sein wird.

„Unsere größte Leidenscha­ft ist unser Beruf. Und wir wollen alle so schnell wie möglich wieder arbeiten.“

 ?? FOTO: CLAUDIA BUCHMÜLLER ?? Friseurmei­ster Günther Raible hatte nach dem ersten Lockdown die erforderli­chen Hygienemaß­nahmen umgesetzt.
FOTO: CLAUDIA BUCHMÜLLER Friseurmei­ster Günther Raible hatte nach dem ersten Lockdown die erforderli­chen Hygienemaß­nahmen umgesetzt.

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