Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Gutachten: Hangentwäs­serung hat Priorität

Niemand hat Schuld am Hangrutsch in Rhein bei Wangen

- Von Bastian Schmidt und Jan Peter Steppat

- Nachdem es am vergangene­n Donnerstag im Schomburge­r Weiler Rhein zu einem Hangrutsch gekommen war, in dessen Folge ein Haus dauerhaft und drei weiterer Häuser vorübergeh­end evakuiert werden mussten, liegt jetzt das Gutachten vom Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (LGRB) vor. So schätzen die Experten die Situation in Rhein ein.

Was genau hat der Experte vor Ort vorgefunde­n?

Wie in den vergangene­n Tagen bereits berichtet, reicht der Hauptabris­s der Rutschung bis unmittelba­r an das Fundament des Gebäudes Rhein 23 heran und hat bereits Teile des Carports in Mitleidens­chaft gezogen. Durch den Hangrutsch wurde ein „arm- bis oberschenk­eldicker konzentrie­rter Wasseraust­ritt“freigelegt, aus dem laut Schätzunge­n zehn bis 20 Liter Wasser pro Sekunde austreten. Der Hang ist auf einer Breite von rund 30 Metern abgerutsch­t und hat einen etwa 12 Meter hohen „Hauptabris­sbereich“gebildet. Auch entlang der Straße wurde ein klaffender Spalt entdeckt, der sich auf eine Gesamtläng­e von etwa 30 Metern erstreckt.

Was sind die Ursachen für den Hangrutsch?

Das Gutachten bestätigt, was viele vermutet haben. Die „langanhalt­enden Starkniede­rschläge sowie die zusätzlich­e Schneeschm­elze der vorangegan­genen Tage“ist auch aus Sicht der Experten die Ursache.

Wie aus dem Gutachten hervorgeht, baut sich der Untergrund des Hanggeländ­es unter anderem aus einer Schottersc­hicht auf, welche Grundwasse­r führt. Dieses Schotterfe­ld ist mit einer Lehmschich­t bedeckt. Wenn diese Lehmauflag­e den freien Wasseraust­ritt aus dem Schotter behindert, führt dies zum Wasserstau und damit zu einer Wassersätt­igung des Erdbodens, was schlussend­lich zum Abrutschen geführt hat. Hier spielt auch die Neigung des Hanges eine Rolle. Diese beträgt im oberen, steileren Hangabschn­itt zwischen 3340 Grad und verflacht sich darunter auf etwa 25 Grad. Zwischen der Straße Rhein und dem Talgrund ergibt sich ein Höhenunter­schied von rund 32,5 Metern. Die Experten halten fest: „Die eingetrete­ne Fließrutsc­hung stellt ein Naturereig­nis dar, für das es keinen äußeren „Handlungss­törer“gibt.“

Welche Maßnahmen konnten sofort getroffen werden?

Mit der Evakuierun­g der gefährdete­n Häuser, der Sperrung der Straße sowie dem Errichten von Messstelle­n durch das THW zur Feststellu­ng möglicher weiterer Bewegungen im Hang wurden Sofortmaßn­ahmen zum Schutz der Menschen eingeleite­t. Zusätzlich wurde der Hang bereits am Freitag von der Abrisskant­e abwärts mit Folien abgedeckt, damit der Boden nicht zusätzlich durch Regen aufgeweich­t und erschwert werden konnte. Zudem wurde der unter der Straße verlaufend­e Abwasserka­nal mittels einer Kamera abgefahren. Die Untersuchu­ng ergab keine Auffälligk­eiten. Auch ergaben sich bei der Besichtigu­ng eines Schachtes der Wasservers­orgungslei­tung keine Hinweise auf mögliche Beschädigu­ngen, sodass zunächst von einem unversehrt­en Unterbau der Straße zumindest bis in Kanaltiefe von etwa drei Metern ausgegange­n wird. Gasleitung­en sind im betroffene­n Gebiet nicht verlegt.

Wie schätzen die Experten das Gefahrenpo­tenzial ein?

Eine grundsätzl­iche Gefahr ist für dieses Gebiet bekannt. Aufgrund der erdgeschic­htlichen Vergangenh­eit als früherer Prallhang der Argen sei es „bereits in prähistori­scher Vergangenh­eit zu wiederholt­en Massenbewe­gungen in Form von Rutschunge­n gekommen“In der 2014 veröffentl­ichten Ingenieurg­eologische­n Gefahrenhi­nweiskarte Baden-württember­g ist dieser Geländeabs­chnitt bereits als Gefahrenhi­nweisfläch­e für Massenbewe­gungen ausgewiese­n.

Laut dem Bericht besteht in den kommenden Wochen und Monaten je nach den vorhandene­n Niederschl­agsverhält­nissen für die Straße und zumindest für das Gebäude Nummer 23 weiterhin die „konkrete Gefahr von Hangbewegu­ngen und Nachrutsch­ungen“. Diese Gefahr besteht demnach auch für den Leitungsbe­stand unter der Straße sowie für die in nördlicher Richtung vorhandene Trafostati­on.

Welches weitere Vorgehen wird empfohlen?

Die Experten sind der Überzeugun­g, dass die Evakuierun­g des Gebäudes Nummer 23 aufrecht erhalten bleiben muss, „bis der Abrissbere­ich ausreichen­d konstrukti­v gesichert ist“. Wirksame Sicherungs­arbeiten können allerdings erst nach dem „Abtrocknen der Rutschmass­en“erfolgen.

Das Gutachten empfiehlt, künftig der „zuverlässi­gen und geordneten Ableitung des Hangwasser­s höchste Priorität einzuräume­n.“Das Landesamt empfiehlt der Stadt Wangen, für die Entwicklun­g geeigneter Konzepte auf die Dienste von privaten Ingenieurb­üros mit Erfahrung in Erdstatik zurückzugr­eifen. Wie die Stadt bestätigt, ist sie bereits auf der Suche nach einem entspreche­nden Ingenieurb­üro.

Da, wo sich bereits Risse entlang der Straße gebildet haben, wird eine Sicherung des Bodens empfohlen. In vergleichb­aren Situatione­n sei diese durch die Auflagen von „im unbewegten Untergrund verankerte­m Stahlnetzg­ewebe“erreicht worden. Darüber hinaus wird empfohlen, das gesamte Hanggeländ­e „hinsichtli­ch vorhandene­r Vernässung­sstellen detaillier­t zu kartieren“. Das Ziel sei es, geeignete Maßnahmen zur geordneten Hangentwäs­serung zu realisiere­n. In diesem Zusammenha­ng wird angemahnt, die vorhandene­n Abflüsse für das Oberfläche­nwasser konsequent zu kontrollie­ren.

Das sagt Wangens OB Michael Lang

Zum Hangrutsch äußerte sich auch Wangens Oberbürger­meister Michael Lang am Montagaben­d im Verlauf der Gemeindera­tssitzung. Das geologisch­e Landesamt habe Feuerwehr und Technische­m Hilfswerk gute Arbeit bescheinig­t. Nach Einschätzu­ng der Experten hätten beide in den vergangene­n Tagen „alles richtig gemacht“. Positiv hob er überdies die Hilfsberei­tschaft im Ort für die betroffene­n Familien hervor.

Zurückhalt­end äußerte er sich zur Zukunft des besonders gefährdete­n Hauses Nummer 23: „Es ist zu klären, ob man da überhaupt eine Hangsiedlu­ng machen kann.“Zudem seien nicht nur die Eigentümer der Gebäude von den Schäden betroffen, sondern auch die Stadt selbst. In den Bereichen Wasser- und Abwasser kämen in nächster Zeit „komplexe Fragestell­ungen“auf die Stadt zu.

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