Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Gutachten: Hangentwässerung hat Priorität
Niemand hat Schuld am Hangrutsch in Rhein bei Wangen
- Nachdem es am vergangenen Donnerstag im Schomburger Weiler Rhein zu einem Hangrutsch gekommen war, in dessen Folge ein Haus dauerhaft und drei weiterer Häuser vorübergehend evakuiert werden mussten, liegt jetzt das Gutachten vom Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (LGRB) vor. So schätzen die Experten die Situation in Rhein ein.
Was genau hat der Experte vor Ort vorgefunden?
Wie in den vergangenen Tagen bereits berichtet, reicht der Hauptabriss der Rutschung bis unmittelbar an das Fundament des Gebäudes Rhein 23 heran und hat bereits Teile des Carports in Mitleidenschaft gezogen. Durch den Hangrutsch wurde ein „arm- bis oberschenkeldicker konzentrierter Wasseraustritt“freigelegt, aus dem laut Schätzungen zehn bis 20 Liter Wasser pro Sekunde austreten. Der Hang ist auf einer Breite von rund 30 Metern abgerutscht und hat einen etwa 12 Meter hohen „Hauptabrissbereich“gebildet. Auch entlang der Straße wurde ein klaffender Spalt entdeckt, der sich auf eine Gesamtlänge von etwa 30 Metern erstreckt.
Was sind die Ursachen für den Hangrutsch?
Das Gutachten bestätigt, was viele vermutet haben. Die „langanhaltenden Starkniederschläge sowie die zusätzliche Schneeschmelze der vorangegangenen Tage“ist auch aus Sicht der Experten die Ursache.
Wie aus dem Gutachten hervorgeht, baut sich der Untergrund des Hanggeländes unter anderem aus einer Schotterschicht auf, welche Grundwasser führt. Dieses Schotterfeld ist mit einer Lehmschicht bedeckt. Wenn diese Lehmauflage den freien Wasseraustritt aus dem Schotter behindert, führt dies zum Wasserstau und damit zu einer Wassersättigung des Erdbodens, was schlussendlich zum Abrutschen geführt hat. Hier spielt auch die Neigung des Hanges eine Rolle. Diese beträgt im oberen, steileren Hangabschnitt zwischen 3340 Grad und verflacht sich darunter auf etwa 25 Grad. Zwischen der Straße Rhein und dem Talgrund ergibt sich ein Höhenunterschied von rund 32,5 Metern. Die Experten halten fest: „Die eingetretene Fließrutschung stellt ein Naturereignis dar, für das es keinen äußeren „Handlungsstörer“gibt.“
Welche Maßnahmen konnten sofort getroffen werden?
Mit der Evakuierung der gefährdeten Häuser, der Sperrung der Straße sowie dem Errichten von Messstellen durch das THW zur Feststellung möglicher weiterer Bewegungen im Hang wurden Sofortmaßnahmen zum Schutz der Menschen eingeleitet. Zusätzlich wurde der Hang bereits am Freitag von der Abrisskante abwärts mit Folien abgedeckt, damit der Boden nicht zusätzlich durch Regen aufgeweicht und erschwert werden konnte. Zudem wurde der unter der Straße verlaufende Abwasserkanal mittels einer Kamera abgefahren. Die Untersuchung ergab keine Auffälligkeiten. Auch ergaben sich bei der Besichtigung eines Schachtes der Wasserversorgungsleitung keine Hinweise auf mögliche Beschädigungen, sodass zunächst von einem unversehrten Unterbau der Straße zumindest bis in Kanaltiefe von etwa drei Metern ausgegangen wird. Gasleitungen sind im betroffenen Gebiet nicht verlegt.
Wie schätzen die Experten das Gefahrenpotenzial ein?
Eine grundsätzliche Gefahr ist für dieses Gebiet bekannt. Aufgrund der erdgeschichtlichen Vergangenheit als früherer Prallhang der Argen sei es „bereits in prähistorischer Vergangenheit zu wiederholten Massenbewegungen in Form von Rutschungen gekommen“In der 2014 veröffentlichten Ingenieurgeologischen Gefahrenhinweiskarte Baden-württemberg ist dieser Geländeabschnitt bereits als Gefahrenhinweisfläche für Massenbewegungen ausgewiesen.
Laut dem Bericht besteht in den kommenden Wochen und Monaten je nach den vorhandenen Niederschlagsverhältnissen für die Straße und zumindest für das Gebäude Nummer 23 weiterhin die „konkrete Gefahr von Hangbewegungen und Nachrutschungen“. Diese Gefahr besteht demnach auch für den Leitungsbestand unter der Straße sowie für die in nördlicher Richtung vorhandene Trafostation.
Welches weitere Vorgehen wird empfohlen?
Die Experten sind der Überzeugung, dass die Evakuierung des Gebäudes Nummer 23 aufrecht erhalten bleiben muss, „bis der Abrissbereich ausreichend konstruktiv gesichert ist“. Wirksame Sicherungsarbeiten können allerdings erst nach dem „Abtrocknen der Rutschmassen“erfolgen.
Das Gutachten empfiehlt, künftig der „zuverlässigen und geordneten Ableitung des Hangwassers höchste Priorität einzuräumen.“Das Landesamt empfiehlt der Stadt Wangen, für die Entwicklung geeigneter Konzepte auf die Dienste von privaten Ingenieurbüros mit Erfahrung in Erdstatik zurückzugreifen. Wie die Stadt bestätigt, ist sie bereits auf der Suche nach einem entsprechenden Ingenieurbüro.
Da, wo sich bereits Risse entlang der Straße gebildet haben, wird eine Sicherung des Bodens empfohlen. In vergleichbaren Situationen sei diese durch die Auflagen von „im unbewegten Untergrund verankertem Stahlnetzgewebe“erreicht worden. Darüber hinaus wird empfohlen, das gesamte Hanggelände „hinsichtlich vorhandener Vernässungsstellen detailliert zu kartieren“. Das Ziel sei es, geeignete Maßnahmen zur geordneten Hangentwässerung zu realisieren. In diesem Zusammenhang wird angemahnt, die vorhandenen Abflüsse für das Oberflächenwasser konsequent zu kontrollieren.
Das sagt Wangens OB Michael Lang
Zum Hangrutsch äußerte sich auch Wangens Oberbürgermeister Michael Lang am Montagabend im Verlauf der Gemeinderatssitzung. Das geologische Landesamt habe Feuerwehr und Technischem Hilfswerk gute Arbeit bescheinigt. Nach Einschätzung der Experten hätten beide in den vergangenen Tagen „alles richtig gemacht“. Positiv hob er überdies die Hilfsbereitschaft im Ort für die betroffenen Familien hervor.
Zurückhaltend äußerte er sich zur Zukunft des besonders gefährdeten Hauses Nummer 23: „Es ist zu klären, ob man da überhaupt eine Hangsiedlung machen kann.“Zudem seien nicht nur die Eigentümer der Gebäude von den Schäden betroffen, sondern auch die Stadt selbst. In den Bereichen Wasser- und Abwasser kämen in nächster Zeit „komplexe Fragestellungen“auf die Stadt zu.