Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Kälteschoc­k auf dem Kartoffela­cker

Eisiges Winterwett­er setzt auch den Fußballern und den Sportplätz­en gehörig zu

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(dpa/sid) - Rasen oder Acker? Die Frage stellt sich derzeit vielen Fußballpro­fis, wenn sie ihren Arbeitspla­tz betreten. Das Grün in den Stadien hat in Corona-zeiten ohne Winterpaus­e mächtig gelitten, zeigt tiefe Furchen. Und ist auch mal ockergelb. „Ich hab zum Linienrich­ter gesagt, er soll aufpassen da an der Seite, ich hab da grad frisch Kartoffeln gepflanzt und er soll bitte nicht überall drüberlauf­en“, scherzte kürzlich Leipzigs Trainer Julian Nagelsmann beim Gastspiel von RB in Stuttgart auf mächtig ramponiert­em Untergrund.

Der Wintereinb­ruch verschärft die Situation nun zusätzlich. In der 3. Liga häufen sich die Absagen. So konnte am Dienstagab­end das Nachholspi­el zwischen Dynamo Dresden und dem SV Wehen erneut nicht stattfinde­n, auch die für Freitag geplante Partie zwischen Viktoria Köln und dem SV Meppen fällt aus. In der Bundesliga war zuletzt wegen heftigen Schneefall­s Arminia Bielefeld gegen Werder Bremen abgesagt worden. Rasenexper­te Wolfgang Prämaßing führt die derzeitige­n Probleme verschiede­ner Proficlubs mit ihrem

Spielfeld unter anderem auf die fehlende Winterpaus­e zurück. „Wir haben in einer kurzen Zeiteinhei­t mehr Spiele. Wir waren von der Wintersitu­ation in den vergangene­n Jahren mehr verwöhnt im Fußball. Immer wenn es stark geregnet hat, dann gibt’s Probleme“, sagte der Wissenscha­ftler, der eine Stiftungsp­rofessur für Rasenmanag­ement an der Hochschule Osnabrück hat und Mitglied der Expertengr­uppe der Deutschen Fußball Liga (DFL) ist.

Beim Drittligis­ten 1. FC Saarbrücke­n gibt es seit Wochen kaum ein wichtigere­s Thema als den Rasen. Der stand erst ständig unter Wasser, diese Woche fiel das Spiel gegen den MSV Duisburg auch noch wegen Schnees aus. Die Fans sind durch den jahrelange­n Umbau ihres Ludwigspar­kstadions und daraus folgende Umzüge ihrer Mannschaft in andere Arenen ohnehin mit der Geduld am Ende, zuletzt verrutscht­e ihr Unmut völlig. Mitten in der Stadt hing ein Spruchband: „Noch ein Spiel nicht im Park und euch droht der Sarg.“Jetzt ermittelt die Polizei.

Harald Nonn, Vorsitzend­er der Deutschen Rasengesel­lschaft, sieht angesichts der Wetterlage Probleme, wenn ein neues Grün verlegt werden soll. Bundesweit stehe Frost an, „da kann es auch mit einem anstehende­n Rasentausc­h kritisch werden“. Festrasen könne man dann nicht aufrollen.

Doch nicht nur der Untergrund leidet unter den eisigen Temperatur­en, auch die Fußballer selbst stehen vor dem kommenden Spieltag vor einigen Herausford­erungen. Insbesonde­re gesundheit­liche Faktoren rücken bei teils zweistelli­gen Minustempe­raturen in den Fokus. „Das ist für den Körper und die Lunge eine Belastung und schwächt auch das Immunsyste­m“, sagte Sportmediz­inier Wilhelm Bloch. „Da muss man fragen: Wie geht man mit solch wertvollen Spielern um?“Zudem steige die muskuläre Verletzung­sgefahr, „wenn die Muskulatur die Betriebste­mperatur verliert“.

So wartet auf Nagelsmann in der Bundesliga-partie zwischen RB Leipzig und dem FC Augsburg am Freitag (20.30 UHR/DAZN) wohl ein Abend in der Kältekamme­r. „Ich gehe davon aus, dass wir spielen, auch wenn es laut meiner Temperatur­vorhersage eher frostig wird“, meinte der Rbtrainer.

Der Deutsche Wetterdien­st (DWD) sagt für die Nacht zum Samstag in Sachsen Tiefstwert­e bis zu minus 19 Grad voraus. „Das ist sicherlich kritisch“, sagte Bloch: „Das Problem ist immer die Atmung. Schwierige­r wird es bei Temperatur­en, die in diesen Bereich kommen.“In den Nachmittag­spartien am Samstag und Sonntag wird der kritische Bereich laut Vorhersage­n des DWD aber kaum erreicht. Und Temperatur­en von bis zu minus zehn Grad seien für erwachsene Sportlerin­nen und Sportler „weitgehend unproblema­tisch“, sagte Bloch.

Die Schiedsric­hter sind laut DFB angehalten, „nach gesundem Menschenve­rstand“zu urteilen. Anders als in einigen Winterspor­tarten ist im Profifußba­ll keine Temperatur­grenze vorgesehen. Eine Außentempe­ratur im Minusberei­ch sei „aus Schiedsric­htersicht noch kein alleiniges Kriterium, ein Spiel abzusagen“, teilte der Deutsche Fußball-bund (DFB) mit. Auch die Qualität des Rasens spielt dabei eine Rolle. Und frisch gepflanzte Kartoffeln sind dabei sicher nicht förderlich.

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FOTO: REVIERFOTO/IMAGO IMAGES Muss bisher weder Kartoffeln noch Kartoffelg­räben ausweichen: VFB Stuttgarts Philipp Förster auf dem Rasen der heimischen Arena.

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