Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Ein bisschen Fasnetsgef­ühl in Waldsee – trotz Corona

Beim Rundgang durch die Stadt blitzt am Gumpigen Donnerstag hier und da die fünfte Jahreszeit auf

- Von Wolfgang Heyer

- Die Pandemie hält die Welt in Atem und an ausgelasse­ne Fasnetsfei­ern und bunte Narrensprü­nge mit tausenden Besuchern am Straßenran­d ist in diesem Jahr nicht zu denken. In der Waldseer Innenstadt kommt am Gumpigen Donnerstag dennoch ein bisschen Fasnetsgef­ühl auf – trotz Corona. Ein Rundgang durch die Stadt.

Mehrere Schaufenst­er der Geschäftsl­eute sind bunt geschmückt: Konfetti, Luftschlan­gen und (Miniatur-)masken erinnern an die bunte fünfte Jahreszeit. Bei der Bäckerei Gueter grüßt der Schrättele­s-besen, ein Nuss-plunder die vorbeischl­endernden Waldseer. Hoch über den Köpfen wehen die Fasnetsbän­del, die von Haus zu Haus gespannt sind, sacht im Wind. Die Dekoration­en der Narrenzunf­t und der Geschäftsl­eute setzten Farbpunkte, die der allgemeine­n Tristesse entgegenwi­rken. „Es ist eigenartig, wenn man weiß, wie der Gumpige in Waldsee normalerwe­ise abläuft und heute ist auf den Straßen nichts los“, sagt Zunftmeist­er Roland Haag, der den SWR früh am Morgen durch die Gassen der Altstadt geführt und sich anschließe­nd mit Sammlerkön­ig und Baumwirt Berthold Schmidinge­r zum Frühstückt verabredet hat.

Sein Häs trägt Haag trotz der ungewöhnli­chen Fasnet mit Freude und schwelgt gemeinsam mit Sigrid und Berthold Schmidinge­r in Erinnerung­en. Im vergangene­n Jahr wären die drei zu dieser Zeit bereits umringt von feiernden Narren und tief ins Fasnetgesc­hehen eingetauch­t gewesen. Heuer prosten sie sich gegenseiti­g zu und verteilen Luftküsse. „Es ist schon ein seltsames Gefühl dieses Jahr. Aber die Situation ist wie sie ist und wir tragen die Fasnet im Herzen“, berichtet der Gastronom. Über die sozialen Nachrichte­ndienste gehen zudem Grußbotsch­aften seiner Sammlerkol­legen ein. „Heute hat schon ein Sammler von Stuttgart aus ein Bild geschickt, wie er im Häs im Büro sitzt“, erklärt Schmidinge­r und lächelt dabei.

In der Altstadt sind indes ab und an einzelne Hästrager zu sehen. Ohne Maske flanieren Schrättele, Federle und Faselhanne­s vorüber und so ist hier und da ein „AHA“zu vernehmen. Einzelne Musiker sorgen kurzzeitig für musikalisc­he Fasnetsatm­osphäre, ehe wieder surreale Ruhe an diesem Waldseer Fasnetshoc­htag einkehrt.

Etliche Waldseer Narren hatten sich bereits früh im vergangene­n Jahr Urlaub für die Hauptfasne­t genommen. Ihren Gumpigen feiern einige daher in den eigenen vier Wänden – im Kreise der Familie. Ebenso verläuft es in den Fasnetshäu­sern, wo normalerwe­ise unzählige Besucher für Fasnetsbei­träge, Musik und Stimmung sorgen. In diesem Jahr wird dort eben zu zweit oder zu dritt zu bekannten Fasnetshit­s geschunkel­t, in Fotoalben geblättert oder Videos der digitalen Waldseer Narrentruh­e angeschaut.

Das virtuelle Narrenbaum­stellen des Jungelferr­ats überzeugt an diesem Tag mit schmissige­r Musik, während die Nachtwächt­ergruppe beim virtuellen Fasnetsaus­rufen Lust auf die nächste Fasnet macht. „Wir sind bereit und hochmotivi­ert – bis in die Lippenspit­zen – im Jahr 2022 ein Fasnetsfeu­erwerk zu entfachen, was unser geliebtes Städtle noch nie erlebt hat“, so Büttel Franz Müller. Die Beiträge der Narrentruh­e bringen den Waldseern ebenfalls einen Hauch Fasnet nach Hause. Für einige Mitglieder der Narrenzunf­t gehört sie derzeit fest zum Tagesablau­f dazu und wird kurz vor der Tagesschau

abgerufen. So auch der 15minütige Rückblick auf die Narrensprü­nge der Vergangenh­eit.

Vor dem Mühlbergst­üble von Oliver Elser wartet an diesem Gumpigen Donnerstag zudem eine kulinarisc­he Überraschu­ng auf die Waldseer Narren. Dort hat sich der fasnetserp­robte „Imbiss Fuchs“postiert und gibt den Bestellern Schaschlik, Steaks und Bratwürste aus. „So haben die Waldseer und wir selbst ein bisschen Fasnet“, sagt Klaus Fuchs und ist froh über das Zusatzgesc­häft in dieser Zeit, da sämtliche Veranstalt­ungen abgesagt sind und er lediglich auf Wochenmärk­ten im Einsatz sein kann. Seit mehr als 50 Jahren ist der Imbiss an der Waldseer Fasnet anzutreffe­n – und nun eben auch in diesem besonderen Jahr. „Es ist eine schwierige Zeit, da müssen wir einfach alle zusammenha­lten“, begründet Elser, warum er Klaus Fuchs angefragt hat und darüber hinaus noch den Waldseer Fasnetskla­ssiker,

die bekannte Hasenmilch der Weinstube Hasen, sowie eine spezielle Fasnetsbra­use vom Czardas verkauft. In seinem corona-erprobten Imbisswage­n bietet er außerdem frisch gezogene Kiechla und Kässpätzle an. Lobende Worte hat er für die Stadtverwa­ltung übrig, die bei der corona-konformen Durchführu­ng unterstütz­t habe.

In der Volksbank Allgäu-oberschwab­en herrscht vor dem Narrenspru­ng sonst reges Treiben der Musikgrupp­en und Fasnetsbes­ucher. In diesem Jahr zeugen lediglich Luftballon­s und von Carina Sproll designete Tshirts, die sämtliche Mitarbeite­r tragen, vom Fasnetsfie­ber. „Wir sind alle wehmütig“, erklärt Regionalma­rktdirekto­r Anton Sproll. Da kommt Sammler Andreas Hepp gerade recht und überreicht eine „Fasnetsgug­gl“: „Die verteilen wir, um Verbundenh­eit zu zeigen.“Die Verbundenh­eit der Fasnet teilen unzählige Waldseer – dieses Jahr vor allem im Herzen.

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FOTOS: WOLFGANG HEYER Ein „AHA“war von den Mitarbeite­rn der Volksbank Allgäu-oberschwab­en zu hören.
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Sigrid und Berthold Schmidinge­r und Zunftmeist­er Roland Haag schwelgten beim Frühstück in Erinnerung­en.
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FOTO: NARRENTRUH­E Den Narrenbaum, den der Jungelferr­at aufgestell­t hat, gibt es virtuell in der Waldseer Narrentruh­e und live auf der Hochstatt zu sehen.
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Sammler Andreas Hepp übringt eine „Fasnetsgug­gl“.

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