Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Ein bisschen Fasnetsgefühl in Waldsee – trotz Corona
Beim Rundgang durch die Stadt blitzt am Gumpigen Donnerstag hier und da die fünfte Jahreszeit auf
- Die Pandemie hält die Welt in Atem und an ausgelassene Fasnetsfeiern und bunte Narrensprünge mit tausenden Besuchern am Straßenrand ist in diesem Jahr nicht zu denken. In der Waldseer Innenstadt kommt am Gumpigen Donnerstag dennoch ein bisschen Fasnetsgefühl auf – trotz Corona. Ein Rundgang durch die Stadt.
Mehrere Schaufenster der Geschäftsleute sind bunt geschmückt: Konfetti, Luftschlangen und (Miniatur-)masken erinnern an die bunte fünfte Jahreszeit. Bei der Bäckerei Gueter grüßt der Schrätteles-besen, ein Nuss-plunder die vorbeischlendernden Waldseer. Hoch über den Köpfen wehen die Fasnetsbändel, die von Haus zu Haus gespannt sind, sacht im Wind. Die Dekorationen der Narrenzunft und der Geschäftsleute setzten Farbpunkte, die der allgemeinen Tristesse entgegenwirken. „Es ist eigenartig, wenn man weiß, wie der Gumpige in Waldsee normalerweise abläuft und heute ist auf den Straßen nichts los“, sagt Zunftmeister Roland Haag, der den SWR früh am Morgen durch die Gassen der Altstadt geführt und sich anschließend mit Sammlerkönig und Baumwirt Berthold Schmidinger zum Frühstückt verabredet hat.
Sein Häs trägt Haag trotz der ungewöhnlichen Fasnet mit Freude und schwelgt gemeinsam mit Sigrid und Berthold Schmidinger in Erinnerungen. Im vergangenen Jahr wären die drei zu dieser Zeit bereits umringt von feiernden Narren und tief ins Fasnetgeschehen eingetaucht gewesen. Heuer prosten sie sich gegenseitig zu und verteilen Luftküsse. „Es ist schon ein seltsames Gefühl dieses Jahr. Aber die Situation ist wie sie ist und wir tragen die Fasnet im Herzen“, berichtet der Gastronom. Über die sozialen Nachrichtendienste gehen zudem Grußbotschaften seiner Sammlerkollegen ein. „Heute hat schon ein Sammler von Stuttgart aus ein Bild geschickt, wie er im Häs im Büro sitzt“, erklärt Schmidinger und lächelt dabei.
In der Altstadt sind indes ab und an einzelne Hästrager zu sehen. Ohne Maske flanieren Schrättele, Federle und Faselhannes vorüber und so ist hier und da ein „AHA“zu vernehmen. Einzelne Musiker sorgen kurzzeitig für musikalische Fasnetsatmosphäre, ehe wieder surreale Ruhe an diesem Waldseer Fasnetshochtag einkehrt.
Etliche Waldseer Narren hatten sich bereits früh im vergangenen Jahr Urlaub für die Hauptfasnet genommen. Ihren Gumpigen feiern einige daher in den eigenen vier Wänden – im Kreise der Familie. Ebenso verläuft es in den Fasnetshäusern, wo normalerweise unzählige Besucher für Fasnetsbeiträge, Musik und Stimmung sorgen. In diesem Jahr wird dort eben zu zweit oder zu dritt zu bekannten Fasnetshits geschunkelt, in Fotoalben geblättert oder Videos der digitalen Waldseer Narrentruhe angeschaut.
Das virtuelle Narrenbaumstellen des Jungelferrats überzeugt an diesem Tag mit schmissiger Musik, während die Nachtwächtergruppe beim virtuellen Fasnetsausrufen Lust auf die nächste Fasnet macht. „Wir sind bereit und hochmotiviert – bis in die Lippenspitzen – im Jahr 2022 ein Fasnetsfeuerwerk zu entfachen, was unser geliebtes Städtle noch nie erlebt hat“, so Büttel Franz Müller. Die Beiträge der Narrentruhe bringen den Waldseern ebenfalls einen Hauch Fasnet nach Hause. Für einige Mitglieder der Narrenzunft gehört sie derzeit fest zum Tagesablauf dazu und wird kurz vor der Tagesschau
abgerufen. So auch der 15minütige Rückblick auf die Narrensprünge der Vergangenheit.
Vor dem Mühlbergstüble von Oliver Elser wartet an diesem Gumpigen Donnerstag zudem eine kulinarische Überraschung auf die Waldseer Narren. Dort hat sich der fasnetserprobte „Imbiss Fuchs“postiert und gibt den Bestellern Schaschlik, Steaks und Bratwürste aus. „So haben die Waldseer und wir selbst ein bisschen Fasnet“, sagt Klaus Fuchs und ist froh über das Zusatzgeschäft in dieser Zeit, da sämtliche Veranstaltungen abgesagt sind und er lediglich auf Wochenmärkten im Einsatz sein kann. Seit mehr als 50 Jahren ist der Imbiss an der Waldseer Fasnet anzutreffen – und nun eben auch in diesem besonderen Jahr. „Es ist eine schwierige Zeit, da müssen wir einfach alle zusammenhalten“, begründet Elser, warum er Klaus Fuchs angefragt hat und darüber hinaus noch den Waldseer Fasnetsklassiker,
die bekannte Hasenmilch der Weinstube Hasen, sowie eine spezielle Fasnetsbrause vom Czardas verkauft. In seinem corona-erprobten Imbisswagen bietet er außerdem frisch gezogene Kiechla und Kässpätzle an. Lobende Worte hat er für die Stadtverwaltung übrig, die bei der corona-konformen Durchführung unterstützt habe.
In der Volksbank Allgäu-oberschwaben herrscht vor dem Narrensprung sonst reges Treiben der Musikgruppen und Fasnetsbesucher. In diesem Jahr zeugen lediglich Luftballons und von Carina Sproll designete Tshirts, die sämtliche Mitarbeiter tragen, vom Fasnetsfieber. „Wir sind alle wehmütig“, erklärt Regionalmarktdirektor Anton Sproll. Da kommt Sammler Andreas Hepp gerade recht und überreicht eine „Fasnetsguggl“: „Die verteilen wir, um Verbundenheit zu zeigen.“Die Verbundenheit der Fasnet teilen unzählige Waldseer – dieses Jahr vor allem im Herzen.