Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Corona stoppt Vesperkirche in Wilhelmsdorf
Nach 13 neuen positiv getesteten Personen ist die Aktion am Mittwoch abgebrochen worden
Nachdem am Mittwoch in Wilhelmsdorf weitere 13 auf das Coronavirus positiv getestete Personen registriert worden sind, entschieden sich die Verantwortlichen dafür, ab sofort die Aktion Vesperkirche im Gemeindehaus abzubrechen. In Ravensburg hingegen werden die Vesperpakete noch bis Samstag jeweils von 11 bis 14 Uhr im ehemaligen Haus der Diakonie in der Eisenbahnstraße ausgegeben.
Während am vergangenen Wochenende in der Jugendhilfeeinrichtung Hoffmannhaus am Saalplatz 15 Kinder, Jugendliche und Erwachsene positiv getestet wurden, liegt jetzt ein neuer kleinerer Schwerpunkt im Bruggenhof im Ortsteil Zußdorf. Hier gab es in zwei Familien, von denen zuvor schon ein Kind infiziert war, bis Mittwochmittag vier neue Fälle. Diese Familien sind in Quarantäne. Aufgrund der neuen positiven Corona-tests wurde beschlossen, dass auch die restlichen Bewohner dieser Einrichtung getestet werden. Im Bruggenhof leben seit 2018 Asylbewerber aus Afrika, Syrien und Georgien. Derzeit sind rund 25 Menschen dort untergebracht.
Die weiteren neun positiv getesteten Einwohner verteilen sich auf das Gemeindegebiet, wie Hauptamtsleiterin Ilona Gering der „Schwäbischen Zeitung“gegenüber erklärte. Seit Beginn der Pandemie vor einem Jahr infizierten sich insgesamt 135 Menschen in der Riedgemeinde mit dem Coronavirus. Deshalb entschloss sich Bürgermeisterin Sandra Flucht vor dem Hintergrund der hohen Infektionszahlen die Aktion Vesperkirche mit sofortiger Wirkung in Wilhelmsdorf abzubrechen. Dieser Entscheidung gingen Gespräche mit Vertretern der Brüdergemeinde sowie der Veranstalter Diakonie Oberschwaben Allgäu Bodensee und der Johannesziegler-stiftung, der Stiftung des Wilhelmsdorfer Sozialunternehmens Die Zieglerschen voraus.
Am Mittwoch kurz nach Mittag informierte die Projektleiterin der Vesperkirche, Vanessa Lang, die Beteiligten: „Eben kam der befürchtete Anruf von Frau Flucht. Es wurden weitere Personen positiv auf Corona getestet. Wir haben deshalb die Vesperkirche in Wilhelmsdorf heute sofort abgebrochen.“Verbunden mit der Absage betonte Bürgermeisterin Flucht, wie wertvoll der Beitrag der Vesperkirche in den vergangenen Tagen für das Gemeindeleben war. Vorsorglich wurde eine weitere Entscheidung getroffen: „Um zu klären, ob eventuell auch unter den ehrenamtlichen Helfern eine Infektion stattgefunden hat, lassen wir uns als Organisationsteam heute auch noch testen.“
Bürgermeisterin Flucht drückte in einer Stellungnahme ihr tiefes Bedauern über die Absage der Vesperkirche aus. „Bisher lief die Verteilung der Vesperboxen ebenso gut, wie die angebotenen Telefonate. Aber durch die heutigen neuen Zahlen sahen wir uns dazu gezwungen zum Schutze der Bevölkerung die Aktion abzubrechen.“Sowohl Bürgermeisterin Flucht als auch Hauptamtsleiterin Gering riefen vor dem Hintergrund der zunehmenden Zahlen von Corona-infizierten dazu auf, sich weiterhin penibel an die Vorschriften zur Eindämmung der Corona-pandemie zu halten.
Der Wilhelmsdorfer Pfarrer Ernest Ahlfeld erklärte am Abend gegenüber unserer Zeitung: „Natürlich ist es aus Sicht der Brüdergemeinde sehr schade, dass wir die Vesperkirche vorzeitig beenden mussten. Aber ich habe vollstes Verständnis für die Entscheidung der bürgerlichen Gemeinde
aufgrund des Infektionsgeschehens im Dorf, die Aktion zu beenden.“Beim Blick auf die Auswirkungen sagte er: „Es fehlen uns nun die drei Abschlusstage und für all die, die immer gedacht haben, ah, morgen hole ich mir ein Vesperpäckchen, oder morgen bringe ich jemanden eines nach Hause, ist es dann eben mit einem Mal zu spät. Natürlich haben wir in Wilhelmsdorf nicht so viele Päckchen wie in Ravensburg ausgeben können. Wir sind aber ja auch ein Dorf mit ganz anderer Situation und zugleich ohne Vesperkirchentradition. Bedenkt man diesen Rahmen war die Aktion ein voller Erfolg und zwar wieder in der für die Vesperkirche üblichen Weite. Einzelnen wirklich bedürftigen Personen konnte eine kleine Hilfe gegeben werden, vielen Menschen, die in diesen Tagen sehr viel allein sind, konnte ein kleines Zeichen der Liebe gebracht werden. Ob dies durch ein Päckchen oder durch einen Anruf geschah, beides wurde überraschend gut angenommen.“
Ahlfeld kann auch von Reaktionen von Menschen berichten, die sich über die Aktion freuten. „Besonders eindrücklich haben mir viele Menschen erzählt, wie viel Freude sie beim Verteilen oder Weitergeben der Vesperpäckchen erlebt haben.
Selbst Skeptiker haben mich mehrmals angesprochen und zugegeben, dass das ganze viel besser war, als sie gedacht haben und sich gelohnt hat.“Wir hoffen nun, sagte Ernest Ahlfeld im Gespräch, dass sich nächstes Jahr das Versprechen der Organisatoren der Vesperkirche umsetzen lässt, eine „normale" Vesperkirche in Wilhelmsdorf durchzuführen.
Auf Anfrage teilte Pfarrer Ralf Brennecke, Geschäftsführer des Diakonischen Werks Oberschwaben Allgäu Bodensee mit, dass sich am frühen Mittwochabend das Organisationsteam der Vesperkirche abstimme, wie weiterhin verfahren werden soll. Aktuell verlautet aus dieser Runde: „Wir sehen es als unsere Verantwortung der Diakonie, eine Vesperkirche - vor allem auch in Zeiten von Corona - möglich zu machen. Gleichzeitig ist es aber auch unsere Verantwortung, rechtzeitig ein Risiko für Ehrenamtliche und Gäste einzudämmen und daher die Vesperkirche vorzeitig abzubrechen. Wir sind beeindruckt, mit welcher Bereitschaft die Wilhelmsdorfer auf die Vesperkirche im Ort reagiert haben und dass so viele Personen Vesperpakete für andere Menschen mitgenommen haben. Wir kommen gerne wieder - nächstes Jahr miteinander an einem Tisch."