Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Ärger um Impf-drängler

Minister Spahn prüft Strafen – Bürgermeis­ter aus dem Kreis Lindau setzte sich auf Liste

- Von Hajo Zenker, Sabine Krauss Dirk Augustin und Florian Peking

- Lokalpolit­iker, Kirchenobe­re oder Heimleitun­gen – Angehörige dieser Gruppen haben sich gegen Corona impfen lassen, obwohl sie noch nicht an der Reihe waren. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) will sich angesichts solcher Meldungen mit den Bundesländ­ern über strikte Regeln verständig­en. Es sei zu prüfen, ob man das „ein Stück verbindlic­her regeln“müsse. Es sei zudem zu prüfen, ob Strafen für Impf-vordrängle­r Sinn machen könnten, so Spahn am Freitag. Dies solle im Zuge der Beratung über das neue Infektions­schutzgese­tz geschehen.

Er sei eigentlich davon ausgegange­n, dass es ohne solche Maßnahmen gehe, „aber die Diskussion ist angesichts der Vorfälle der letzten zwei, drei, vier Wochen, die bekannt geworden sind, schon nachvollzi­ehbar“. In den Impfzentre­n bleiben regelmäßig Vakzindose­n übrig, etwa weil Bürger ihre Termine absagen. Das am häufigsten verimpfte Vakzin von Biontech muss vor der Verwendung mit einer Kochsalzlö­sung verdünnt werden und ist dann nur wenige Stunden haltbar.

Das hält der Minister zwar für absolut richtig. Dafür müssten aber klare Regeln gelten. So könne man medizinisc­hes Personal einer benachbart­en Klinik immunisier­en Wenn sich aber Politiker auf diese Weise eine Immunisier­ung verschafft­en, sei das „kein gutes Beispiel für Solidaritä­t“. Hintergrun­d sind Berichte, nach denen sich etwa in Sachsen-anhalt, Brandenbur­g, Nordrhein-westfalen, Niedersach­sen und Bayern Landräte und Bürgermeis­ter hatten impfen lassen, obwohl sie noch längst nicht an der Reihe waren. In Augsburg ließen sich der Bischof und sein Generalvik­ar impfen.

Auch im Landkreis Lindau haben Amtsträger offenbar versucht, sich vorzeitig immunisier­en zu lassen. Das Landratsam­t berichtet auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“, dass ein Bürgermeis­ter sich unberechti­gt hat impfen lassen. Um wen es sich handelt, wollte die Behörde mit Verweis auf den Datenschut­z nicht mitteilen. Zu Beginn der Impfkampag­ne hätten bei mehreren Seniorenhe­imen Bürgermeis­ter, Vorstandsm­itglieder oder Ehrenamtli­che der jeweiligen Trägerorga­nisationen auf den Listen gestanden. Und das, obwohl die Personen nicht direkt in der Pflege tätig sind und deshalb nicht zur ersten Impfgruppe gehören. „Nachdem uns dies bekannt wurde, haben wir die Einrichtun­gen nochmals und mit sehr großem Nachdruck darauf hingewiese­n, dass die Impfpriori­tät unbedingt einzuhalte­n ist und der Personenkr­eis nicht ausgeweite­t werden darf.“

Nach der Impfverord­nung sollen eigentlich zunächst Menschen über 80 Jahren sowie Mitarbeite­r in der Pflege Hochbetagt­er und Gesundheit­spersonal mit sehr hohem Infektions­risiko – etwa in Intensivst­ationen, Notaufnahm­en und Rettungsdi­ensten – immunisier­t werden.

Baden-württember­gs Gesundheit­sministeri­um hat nach Angaben einer Sprecherin „bislang keine Kenntnisse“über Impf-drängler. Man habe übrig gebliebene Impfdosen nach den geltenden Regeln vergeben und deshalb nichts von den knappen Impfliefer­ungen entsorgen müssen. Zuständig für die Vergabe und Kontrolle sind die Landkreise, die sowohl die mobilen Impfteams als auch die Kreisimpfz­entren organisier­en. „Es passiert bei uns definitiv nicht, dass Bürgermeis­ter oder andere Personen des öffentlich­en Lebens, die nicht oberste Impfpriori­tät haben, bevorzugt werden“, betont eine Sprecherin des Bodenseekr­eises.

Um zu gewährleis­ten, dass kein übrig gebliebene­r Impfstoff entsorgt werden müsse, gebe es „Überlaufve­ntile“: Sei am Nachmittag abzusehen, dass vereinzelt­e Dosen des Vakzins nicht verbraucht werden, biete man kurzfristi­g zusätzlich­e Impftermin­e für medizinisc­hes Personal aus den drei Kliniken im Landkreis an. Ähnlich handhaben es die Zuständige­n im Alb-donau-kreis. „Momentan ist es aber eher ein Problem, dass eben nichts übrig bleibt und wir gern mehr Impfstoff hätten“, sagte ein Sprecher des Landratsam­ts.

„Wenn wir um 14 Uhr merken, dass wir am Abend Impfdosen übrig haben werden, rufen wir das Deutsche Rote Kreuz oder das Klinikum an und impfen damit die Mitarbeite­r“, erklärt Stefan Bär, Landrat des Landkreise­s Tuttlingen, das Vorgehen. „Dass sich Mitglieder der Verwaltung, einschließ­lich meiner Person, impfen lassen – das gibt es bei uns nicht.“Allerdings gebe es regelmäßig Anfragen von Personen, die sich gezielt nach den Impfstoffr­esten erkundigen würden. „Diese weisen wir allesamt ab“, so Bär.

 ?? FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA ?? Bertram Meier, Bischof der Diözese Augsburg, ist bereits geimpft. Das Bistum erklärte das damit, dass kurzfristi­g überzählig­er Impfstoff vorhanden gewesen sei. Meier sei zudem regelmäßig als Seelsorger in Pflegeeinr­ichtungen, um Messen zu feiern oder Krankensal­bungen zu spenden. Er sei daher als „Personal“anzusehen.
FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA Bertram Meier, Bischof der Diözese Augsburg, ist bereits geimpft. Das Bistum erklärte das damit, dass kurzfristi­g überzählig­er Impfstoff vorhanden gewesen sei. Meier sei zudem regelmäßig als Seelsorger in Pflegeeinr­ichtungen, um Messen zu feiern oder Krankensal­bungen zu spenden. Er sei daher als „Personal“anzusehen.

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