Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Ärger um Impf-drängler
Minister Spahn prüft Strafen – Bürgermeister aus dem Kreis Lindau setzte sich auf Liste
- Lokalpolitiker, Kirchenobere oder Heimleitungen – Angehörige dieser Gruppen haben sich gegen Corona impfen lassen, obwohl sie noch nicht an der Reihe waren. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will sich angesichts solcher Meldungen mit den Bundesländern über strikte Regeln verständigen. Es sei zu prüfen, ob man das „ein Stück verbindlicher regeln“müsse. Es sei zudem zu prüfen, ob Strafen für Impf-vordrängler Sinn machen könnten, so Spahn am Freitag. Dies solle im Zuge der Beratung über das neue Infektionsschutzgesetz geschehen.
Er sei eigentlich davon ausgegangen, dass es ohne solche Maßnahmen gehe, „aber die Diskussion ist angesichts der Vorfälle der letzten zwei, drei, vier Wochen, die bekannt geworden sind, schon nachvollziehbar“. In den Impfzentren bleiben regelmäßig Vakzindosen übrig, etwa weil Bürger ihre Termine absagen. Das am häufigsten verimpfte Vakzin von Biontech muss vor der Verwendung mit einer Kochsalzlösung verdünnt werden und ist dann nur wenige Stunden haltbar.
Das hält der Minister zwar für absolut richtig. Dafür müssten aber klare Regeln gelten. So könne man medizinisches Personal einer benachbarten Klinik immunisieren Wenn sich aber Politiker auf diese Weise eine Immunisierung verschafften, sei das „kein gutes Beispiel für Solidarität“. Hintergrund sind Berichte, nach denen sich etwa in Sachsen-anhalt, Brandenburg, Nordrhein-westfalen, Niedersachsen und Bayern Landräte und Bürgermeister hatten impfen lassen, obwohl sie noch längst nicht an der Reihe waren. In Augsburg ließen sich der Bischof und sein Generalvikar impfen.
Auch im Landkreis Lindau haben Amtsträger offenbar versucht, sich vorzeitig immunisieren zu lassen. Das Landratsamt berichtet auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“, dass ein Bürgermeister sich unberechtigt hat impfen lassen. Um wen es sich handelt, wollte die Behörde mit Verweis auf den Datenschutz nicht mitteilen. Zu Beginn der Impfkampagne hätten bei mehreren Seniorenheimen Bürgermeister, Vorstandsmitglieder oder Ehrenamtliche der jeweiligen Trägerorganisationen auf den Listen gestanden. Und das, obwohl die Personen nicht direkt in der Pflege tätig sind und deshalb nicht zur ersten Impfgruppe gehören. „Nachdem uns dies bekannt wurde, haben wir die Einrichtungen nochmals und mit sehr großem Nachdruck darauf hingewiesen, dass die Impfpriorität unbedingt einzuhalten ist und der Personenkreis nicht ausgeweitet werden darf.“
Nach der Impfverordnung sollen eigentlich zunächst Menschen über 80 Jahren sowie Mitarbeiter in der Pflege Hochbetagter und Gesundheitspersonal mit sehr hohem Infektionsrisiko – etwa in Intensivstationen, Notaufnahmen und Rettungsdiensten – immunisiert werden.
Baden-württembergs Gesundheitsministerium hat nach Angaben einer Sprecherin „bislang keine Kenntnisse“über Impf-drängler. Man habe übrig gebliebene Impfdosen nach den geltenden Regeln vergeben und deshalb nichts von den knappen Impflieferungen entsorgen müssen. Zuständig für die Vergabe und Kontrolle sind die Landkreise, die sowohl die mobilen Impfteams als auch die Kreisimpfzentren organisieren. „Es passiert bei uns definitiv nicht, dass Bürgermeister oder andere Personen des öffentlichen Lebens, die nicht oberste Impfpriorität haben, bevorzugt werden“, betont eine Sprecherin des Bodenseekreises.
Um zu gewährleisten, dass kein übrig gebliebener Impfstoff entsorgt werden müsse, gebe es „Überlaufventile“: Sei am Nachmittag abzusehen, dass vereinzelte Dosen des Vakzins nicht verbraucht werden, biete man kurzfristig zusätzliche Impftermine für medizinisches Personal aus den drei Kliniken im Landkreis an. Ähnlich handhaben es die Zuständigen im Alb-donau-kreis. „Momentan ist es aber eher ein Problem, dass eben nichts übrig bleibt und wir gern mehr Impfstoff hätten“, sagte ein Sprecher des Landratsamts.
„Wenn wir um 14 Uhr merken, dass wir am Abend Impfdosen übrig haben werden, rufen wir das Deutsche Rote Kreuz oder das Klinikum an und impfen damit die Mitarbeiter“, erklärt Stefan Bär, Landrat des Landkreises Tuttlingen, das Vorgehen. „Dass sich Mitglieder der Verwaltung, einschließlich meiner Person, impfen lassen – das gibt es bei uns nicht.“Allerdings gebe es regelmäßig Anfragen von Personen, die sich gezielt nach den Impfstoffresten erkundigen würden. „Diese weisen wir allesamt ab“, so Bär.