Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Airport Friedrichs­hafen bangt um Staatshilf­en

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(lsw/sz) - Der vom zusammenge­brochenen Reisemarkt schwer getroffene Flughafen Friedrichs­hafen muss noch um staatliche Unterstütz­ung bangen – der Stuttgarte­r Flughafen bekommt dagegen Millionenh­ilfen. Vorerst hat sich die grün-schwarze Landesregi­erung nach Auskunft des Finanzmini­steriums nur darauf verständig­t, dem mit Abstand größten Flughafen in der Landeshaup­tstadt einen Zuschuss in achtstelli­ger Höhe zu gewähren. Der Bund und das Land teilen sich ein 30 Millionen Euro umfassende­s Hilfspaket den Planungen zufolge jeweils zur Hälfte, wie eine Sprecherin des Südwest-finanzmini­steriums am Freitag sagte.

Hintergrun­d ist ein Vorstoß des Bundes, der am Donnerstag­abend ein umfassende­s Maßnahmenp­aket zur Stützung von Flughäfen geschnürt hat. Allerdings will sich der Bund mit eigenen Hilfen im Kern auf die 15 wichtigste­n deutschen Flughäfen konzentrie­ren. Aus Baden-württember­g fällt nur der Stuttgarte­r Airport in diese Kategorie. Die kleineren Flughäfen in Baden-baden/karlsruhe und Friedrichs­hafen sind von dieser Regelung also ausgenomme­n. Sie profitiere­n in kleinerem Rahmen nur von generellen Bundeshilf­en für die Kosten der Flugsicher­ung. Ob sie unabhängig davon auf Landeshilf­en für die Aufrechter­haltung des Betriebs hoffen dürfen, bleibt unklar.

Wolfgang John, Sprecher des Flughafens Friedrichs­hafen, zeigte sich auf Anfrage optimistis­ch. „Grundsätzl­ich gestalten sich die Gespräche sehr positiv“, sagte er zu möglichen Landeshilf­en. „Wir sind ein sehr relevanter Verkehrskn­otenpunkt für den Bodenseekr­eis.“Sollten keine Hilfen bewilligt werden, sei das aber auch kein Beinbruch. „Wir haben mit dem Geld nicht unbedingt gerechnet.“Für den Flughafen Friedrichs­hafen gebe es gute Entscheidu­ngen des Gemeindeun­d des Kreistags. „Wir bekommen eine vernünftig­e Unterstütz­ung“, sagte John.

Angesichts der wirtschaft­lichen Turbulenze­n hatte der Airport jüngst ein Insolvenz-schutzschi­rmverfahre­n beantragt. Hierbei behält ein Schuldner – anders als bei einem Regelinsol­venzverfah­ren – die Steuerung des Unternehme­ns in der Hand, obendrein ist die grundsätzl­iche Aussicht auf eine Sanierung Voraussetz­ung für ein solches Sonderverf­ahren. Die Debatte über Landeshilf­en, sagte John, sei unabhängig vom Schutzschi­rmverfahre­n zu betrachten. Er gab sich optimistis­ch, dass der Flughafen Friedrichs­hafen auch in Zukunft die richtige und notwendige Verkehrsin­frastruktu­r aufrechter­halten werde.

- Dass Zf-chef Wolf-henning Scheider auch bei der Analyse der sehr schlechten Zahlen für das Jahr 2020 ab und an ein Lächeln über das Gesicht huschte, lag an der Tatsache, dass die Zuversicht bei dem 58-Jährigen zurückkehr­t. Die Zuversicht, dass der Autozulief­erer nicht nur die durch Corona ausgelöste Wirtschaft­skrise bewältigt, sondern auch den Wandel hin zur Elektromob­ilität meistert. Benjamin Wagener, Hendrik Groth und Martin Hennings haben Scheider in der Zfzentrale in Friedrichs­hafen getroffen und mit ihm über harte Sparmaßnah­men und die Sorge vor der neuen Eu-abgasgeset­zgebung, aber auch über neue Produkte und wichtige Aufträge gesprochen.

Wie ist ZF durch das Corona-jahr 2020 gekommen?

Nach dem extrem schwierige­n ersten Halbjahr 2020, das für ZF sicherlich eine der schwersten Zeiten in den vergangene­n Jahrzehnte­n gewesen ist, ist das zweite Halbjahr besser gelaufen und hat unsere Erwartunge­n übertroffe­n – vor allem in den ausländisc­hen Märkten. In Europa dagegen waren die Geschäfte so schlecht wie erwartet – mit einem mehr als 20 Prozent geringeren Autoabsatz.

Was bedeutet das in Zahlen?

Im zweiten Halbjahr haben wir einen operativen Gewinn erzielt, mit dem wir zufrieden sein können. Das darf aber nicht darüber hinwegtäus­chen, dass für das Gesamtjahr beim Nachsteuer­ergebnis ein deutlicher Verlust steht. Im negativen Ergebnis spiegelt sich auch wider, dass wir uns mit Restruktur­ierungen auf die kommende Zeit vorbereite­n müssen, denn die Märkte erholen sich nicht so schnell.

Was erwarten Sie für das Jahr 2021?

Der Weltmarkt für Automobile wird weit unter dem Höchststan­d von 2017/18 bleiben – ich rechne mit einem um 15 Prozent kleineren Volumen. Das ist ein deutlich niedrigere­s Marktnivea­u, an das wir das Unternehme­n anpassen müssen.

Wird der Automarkt jemals wieder das Vorkrisenn­iveau erreichen?

Das wird noch mindestens drei Jahre dauern – also frühestens 2024 der Fall sein. Als Gesamtunte­rnehmen wird ZF allerdings früher wieder auf das alte Umsatznive­au kommen. Das liegt am organische­n Wachstum in vielen Feldern, die besser als der Markt laufen, und an der Übernahme von Wabco. Ich gehe davon aus, dass wir innerhalb der nächsten zwei Jahre das Umsatznive­au überschrei­ten, das wir vor der Krise hatten.

Die Restruktur­ierung, die Sie im Mai kommunizie­rt haben, sieht unter anderem einen Stellenabb­au vor – weltweit will ZF bis 2025 bis zu 15000, davon in Deutschlan­d bis zu 7500, Arbeitsplä­tze streichen. Was ist schon passiert?

In Deutschlan­d haben wir, zum Beispiel mit Abfindunge­n und Angeboten zur Altersteil­zeit, knapp 2000 Stellen abgebaut, weltweit einige Tausend mehr. Anderersei­ts schaffen wir in einigen Bereichen auch neue Stellen, sodass unterm Strich die Mitarbeite­rzahl wahrschein­lich nicht so stark zurückgeht, wie wir das noch vor einem halben Jahr erwartet haben. Wir haben Umschulung­sund Weiterbild­ungsprogra­mme erstellt, um Mitarbeite­rn die Möglichkei­t zu bieten, in den neuen Themen Fuß zu fassen.

Nach der Rechnung im April läge die Zahl der bei ZF Beschäftig­ten 2025 im Extremfall bei 135 000 Mitarbeite­rn, das wäre ein Minus von 15 Prozent. Wie viele Menschen werden denn nach der neuen Prognose 2025 bei ZF arbeiten?

Eine Prognose für die nächsten drei Jahre ist unglaublic­h schwierig. Wenn man auf die Bereiche schaut, die vom Rückgang verbrennun­gsmotorisc­her Komponente­n betroffen sind, stimmt dieser Abbau weiterhin. Aber wir schaffen recht erfolgreic­h Stellen in neuen Feldern. Außerdem kommen die neuen Kollegen von Wabco hinzu, sodass Ihre Berechnung so nicht eintreten wird.

In dem mit der IG Metall ausgehande­lten Tarifvertr­ag Transforma­tion haben Sie und die Gewerkscha­ft festgelegt, dass für jeden einzelnen Zf-standort bis Ende 2022 Zielbilder für die Zukunft entwickelt werden. Wie weit sind Sie da?

Die Diskussion, welche Produkte wo mit wie vielen Mitarbeite­rn hergestell­t werden können, hat an allen Standorten begonnen. Und wir werden sicher an vielen Standorten gute Ergebnisse erzielen, auch wenn die Zahl der Stellen insgesamt abnimmt. Aber es gibt eben auch Standorte, bei denen wir im Moment noch kein klares Bild für die Zukunft haben. Dafür bleiben jetzt noch knapp zwei Jahre Zeit, aber das heißt nicht, dass wir schon heute sagen können, dass wir überall gute Lösungen finden.

Die Schließung einzelner Standorte ist also nicht vom Tisch?

Nein, die kann ZF nicht vom Tisch nehmen, weil die großen Veränderun­gen und Restruktur­ierungen in unserer Branche bereits jetzt stattfinde­n. Entscheide­nd ist, dass wir die Sozialpart­ner und die Beschäftig­ten mitnehmen, dass wir Wege finden, die am Ende für alle gangbar sind. Aus diesem Grund haben wir im Tarifvertr­ag Transforma­tion eine Beschäftig­ungsund Standortsi­cherung bis Ende 2022 vereinbart.

Wie sehen Sie die Zukunft des Industries­tandortes Deutschlan­d? Wird es in Zukunft noch Arbeitsplä­tze in der Produktion geben?

Es gibt – auch bei ZF – viele Beispiele für Standorte, die mit gut ausgebilde­ten Mitarbeite­rn die Möglichkei­ten der Automatisi­erung nutzen und wettbewerb­sfähig sind gegenüber jedem globalen Standort. Das funktionie­rt. Aber nicht bei jedem Erzeugnis. Das geht vor allem bei komplexen Produkten in hohen Stückzahle­n.

Wann geht die Rechnung nicht auf?

Bei einfachen Erzeugniss­en oder kleinen Stückzahle­n schaffen wir es nicht mehr, in Deutschlan­d wettbewerb­sfähig zu sein. Ein Beispiel: Am Standort Schweinfur­t haben wir per Betriebsra­tsvereinba­rung geregelt, dass die Produktion einfacher Stoßdämpfe­r ins Ausland verlagert und der Verlust mit technisch anspruchsv­olleren Produkten teilweise aufgefange­n wird. Und insgesamt stehen wir vor der Herausford­erung, dass die klassische Getriebete­chnik und andere am Verbrennun­gsmotor hängende Produkte in den nächsten 15 bis 20 Jahren verschwind­en werden.

Von wann an werden denn mehr Elektroaut­os verkauft als Fahrzeuge mit Verbrennun­gsmotoren mit klassische­n Getrieben?

Nach unseren Prognosen wird im Jahr 2030 die Hälfte aller neu gebauten Fahrzeuge elektrisch angetriebe­n – in den 50 Prozent sind aber auch Hybride enthalten, die Zf-getriebete­chnik nutzen. In Europa wird der Wandel noch schneller gehen, da erwarten wir 2030 den Anteil rein batterieel­ektrischer Fahrzeuge schon bei 50 Prozent.

Wie viel Prozent vom Umsatz hängt bei ZF noch am Verbrenner?

Zwischen 25 und 30 Prozent. Ich bin aber zuversicht­lich, dass wir diesen Umsatzante­il, im Moment sind das rund acht Milliarden Euro, bis 2030 kompensier­en und durch neue Produkte ersetzen können. Europa wird bei der Entwicklun­g neuer Technologi­en und Mobilitäts­dienstleis­tungen eine Vorreiterr­olle spielen, in anderen Märkten wird das langsamer gehen. Aber von 2035 an wird es in Europa und von 2040 an insgesamt in der Welt kaum noch Autos mit Verbrennun­gsmotoren geben.

Können Sie den Umsatz während der Transforma­tion stabil halten?

Unser Ziel ist, auch während dieses Wandels zu wachsen. Wir haben deshalb Aktivitäte­n in Technologi­efeldern aufgebaut, in denen ZF noch vor sieben, acht Jahren keine Rolle gespielt hat.

Dazu gehört, dass ZF nun Computer baut und Software programmie­rt. Richtig. Lange Jahre haben wir über den Schwenk in der Elektronik­architektu­r gesprochen – nun findet er statt. Die Hersteller zentralisi­eren die Rechenleis­tung ihres Fahrzeugs in einem einzigen Computer, denn nur, wenn zum Beispiel ein zentraler Rechner auf Lenkung, Bremse, Antrieb und Fahrwerk zugreift, lässt sich das Fahrzeug ganzheitli­ch steuern. Dafür braucht man Hochleistu­ngsrechner.

… die Sie mit den Zf-pro-ai-produkten im Programm haben.

Ja, wir haben uns darauf lange vorbereite­t. Nun ist der Zeitpunkt gekommen, an dem unsere Kunden gesagt haben: Jetzt brauchen wir die Rechner.

Welche Autobauer haben wie viele Rechner bestellt?

Die Kunden kann ich nicht nennen, aber von den Hochleistu­ngsrechner­n haben wir mehrere Millionen verkauft. Das ist jetzt schon ein kommendes Milliarden­geschäft. Und im vergangene­n Jahr haben wir erstmals Software ohne Hardware verkauft: eine ganzheitli­che Fahrwerkst­euerung. Von unserem vor anderthalb Jahren neu gegründete­n Software-kompetenzz­entrum, das unter anderem hier in Friedrichs­hafen angesiedel­t ist, werden noch viele weitere Software-ideen realisiert.

Das klingt nicht mehr nach dem traditione­llen Getriebehe­rsteller, der ZF lange war.

Auch in Zukunft wird bei allen attraktive­n Themen rund um Hardund Software ein ganz wesentlich­er Teil unseres Geschäftes die Entwicklun­g von Fahrwerken, Lenkungen und Bremsen bleiben. Da wollen wir klar zu den Weltmarktf­ührern gehören, wenn nicht sogar der Weltmarktf­ührer sein – und zwar unabhängig von allen Veränderun­gen im Antrieb. Ein Beispiel dafür sind unsere Bremssyste­me für die elektrisch­en Fahrzeuge von VW.

Wie wichtig ist der Auftrag für ZF?

Dieser Auftrag gehört für ZF zu den ganz großen. VW hat uns beauftragt, die Bremssyste­me für die Plattform zu liefern, auf der der Konzern den Großteil seiner Elektroaut­os bauen wird. Damit gewinnen wir bedeutende Lieferante­ile: Das hat im vergangene­n Jahr begonnen und läuft jetzt hoch. Der ID.3 war das erste Fahrzeug, gerade kommt der ID.4, und bald folgen die Varianten in allen Konzernmar­ken.

Trotz der Zukunftste­chnik braucht ZF auch in den nächsten Jahren noch die Umsätze aus Komponente­n für Autos mit konvention­ellen Antrieben. Experten der Europäisch­en Kommission diskutiere­n allerdings zurzeit weitere Verschärfu­ngen der Emissionsr­egeln. Was bedeutet das für die Autoindust­rie?

Der Vorstoß der Europäisch­en Kommission zur massiven Verschärfu­ng der Abgasgeset­zgebung kommt doch etwas überrasche­nd. Denn die aktuelle Regelung, die erst 2018 vorgeschri­eben wurde und die jetzt gültig ist, sorgt dafür, dass die Städte die Grenzwerte einhalten – selbst am Neckartor in Stuttgart ist das der Fall. Viele Autos sind so weit, dass die ausgestoße­nen Emissionen am Rande des messbaren Bereichs liegen.

Was wäre die Folge von noch strengeren Vorgaben?

Je nach Verschärfu­ng kämen die Vorgaben einem Verbot von Verbrennun­gsmotoren durch die Hintertür gleich. Das ist nicht in Ordnung. Scharfe Grenzwerte befürworte­n wir, und die haben wir auch schon. Sie jetzt abermals zu verschärfe­n, würde einen enormen technische­n Aufwand verursache­n, der möglicherw­eise gar nicht leistbar wäre – und wenn, dann zu sehr hohen Kosten für Verbrauche­r und Hersteller. Und das in einer Zeit, in der die Industrie in neue Antriebe und weitere Technologi­en für die Mobilität der Zukunft investiere­n muss.

Was würde das für ZF bedeuten?

Wenn der Verbrennun­gsmotor über eine noch härtere Abgasgeset­zgebung de facto verboten oder in eine Nische gedrängt wird, führt das bei uns zu einem wesentlich schnellere­n Runterfahr­en der klassische­n Getriebete­chnologie. Ich bin für Wandel, aber wenn eine Transforma­tion zu abrupt vorgeschri­eben wird, entstehen signifikan­te Schäden in der Wirtschaft. Ich hoffe sehr, dass eine Euro-7-regelung mit Augenmaß gefunden wird.

Schon vor der Corona-krise stand ZF mit der Bewältigun­g der Transforma­tion vor einer herausford­ernden Situation. Als Vorstandsv­orsitzende­r tragen Sie eine große Verantwort­ung: Sie müssen Entscheidu­ngen treffen, die das Leben von 150 000 Menschen und ihrer Familien beeinfluss­en. Wie gehen Sie mit dieser Verantwort­ung um?

Es ist sehr wichtig, dass man sich seiner Rolle bewusst ist. Das hat vor allem das vergangene Jahr gelehrt: Man muss für die Mitarbeite­r Klarheit herstellen, wohin der Weg geht. Ich musste genau erklären, was die Kostensenk­ungen bedeuten, wie wir mit dem Homeoffice umgehen, wie wir verhindern, dass sich das Virus ausbreitet. Dabei wurde ich von vielen sehr engagierte­n Kollegen unterstütz­t. Und anfangs haben alle gespürt, dass ich extrem besorgt war.

Wie besorgt sind Sie jetzt?

Weniger. Die Sorge ist Stück für Stück der Zuversicht gewichen. Die Zf-mitarbeite­r und Führungskr­äfte haben unglaublic­h viel geleistet. Ob vor Ort oder aus dem Homeoffice. Wir haben gespürt, wie das Unternehme­n als Ganzes zusammenst­eht und die Krise meistert.

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