Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Ganz anders, aber nicht weniger gut
So läuft der Betrieb in der Evangelischen Frauen- und Mütterkurklinik in Bad Wurzach
- Von Mitte März bis Anfang August musste die Evangelische Frauen- und Mütterkurklinik in Bad Wurzach wegen Corona schließen. Seitdem läuft der Betrieb aber wieder, und Rebekka Müller, die Einrichtungsleiterin für den psychosozialen Bereich, zeigt sich angesichts der Begleitumstände zufrieden.
„Wir haben die Schließzeit genutzt und intensiv an einem sinnvollem Ablauf im Haus gearbeitet“, berichtet sie. „Und ich denke, wir haben es ziemlich gut gelöst und ein stimmiges und abwechslungsreiches Programm entworfen.“Als medizinischtherapeutische Einrichtung darf die Kurklinik im zweiten Lockdown geöffnet bleiben.
Zu Gast im Elly-heuss-knappweg sind Mütter, die im Zusammenhang mit ihrer familiären Belastung erkrankt sind. Sie haben ein Erschöpfungssyndrom. Und in diesem Zusammenhang zum Beispiel Rückenbeschwerden, muskuläre Verspannungen, depressive Verstimmungen, Ängste, Kopfschmerzen, Übergewicht oder Schlafstörungen. Betreut werden sie in der Kurklinik des Müttergenesungswerks von rund 40 meist in Teilzeit tätigen Mitarbeitenden.
47 Einzelzimmer hat das Haus. Bis Ende des Jahres sei man ausgebucht, sagt Rebekka Müller. Normalerweise müssen Frauen ein halbes Jahr auf einen Platz dort warten, derzeit etwas länger, „weil wir den von der Schließung Betroffenen neue Termine gegeben haben“.
Auch derzeit gebe es immer wieder Absagen, so die Einrichtungsleiterin, diesmal von den Frauen selbst, erneut aber gezwungenermaßen. „Sie können nicht kommen, weil sie entweder infiziert sind oder von zu Hause wegen der Schließung von Schulen und Kindergärten nicht wegkönnen.“Diese frei werdenden Plätze können meist über die Warteliste aufgefüllt werden.
Der neue „sinnvolle Ablauf im Haus“, wie es Rebekka Müller ausdrückt, beginnt damit, dass alle Frauen negativ aufs Coronavirus getestet anreisen. Auch während ihres Aufenthalts werden sie regelmäßig getestet, so wie auch alle Mitarbeitenden, wie Rebekka Müller betont.
Im Haus gilt Maskenpflicht. Nur beim Essen und auf dem eigenen Zimmer dürfen die Frauen die Maske ablegen. Gegessen wird in zwei Schichten, sodass die gebotenen Abstände im Speiseraum eingehalten werden können. Damit man trotzdem eine Gesprächspartnerin hat, dürfen aber zwei Frauen an einen Tisch sitzen. „Sie haben eine Plexiglasscheibe als Ansteckungsschutz zwischen sich“, so Rebekka Müller. Außerdem gibt es kein Büfett, sondern das bestellte Essen wird auf Tabletts serviert.
Auch die Angebote im psychosozialen Bereich wurden neu strukturiert. Gruppengespräche werden im kleineren Kreis mit großem Abstand geführt. Rückenschule, Fitnesskurs sowie Wirbelsäulen- und Halswirbelgymnastik sind so angelegt, dass niemand schwer ins Atmen gerät, oder werden gleich nur als Vortrag mit der Handreichung von Übungsanleitungen veranstaltet. Auch die Freizeit der Frauen gestaltet sich nach Müllers Worten „ganz anders“. „Viele Frauen nutzen gerne das Ried, um abzuschalten, sie gehen ins Naturschutzzentrum und ins Thermalbad, besuchen kulturelle Veranstaltungen in der Stadt, gehen gemütlich in den Wurzacher Geschäften einkaufen.“So hatte dies Rebekka Müller einmal geschildert. Das war vor der Pandemie. Bis aufs Ried ist derzeit davon nichts übrig geblieben. Doch die Gäste in der Kurklinik kommen nach den Worten von Rebekka Müller damit gut zurecht. „Auch wenn sie die Situation bedauern, herrscht doch eine hohe Zufriedenheit, denn die Frauen nutzen die Zeit gut für sich. Die meisten finden sogar viel Gutes daran, weil sie nun noch mehr zur Ruhe kommen, zu sich kommen und reflektieren können.“Frauenund Mütterkurkliniken wie die in Bad Wurzach – eine von nur fünf dieser Art in Deutschland – werden nach Corona wohl noch stärker gebraucht, glaubt Rebekka Müller. „Der Stress hat im Schnitt zugenommen“, sagt sie und nennt Kinderbetreuung, Home-office und allgemein Existenzängste als Faktoren. „Der Bedarf wird mit Sicherheit steigen“, fraglich sei nur, wie viele Betroffene sich trauen, einen Platz in einer Kurklinik zu beantragen.
Die Evangelische Frauen- und Mütterkurklinik in Bad Wurzach wurde 1963 gegründet. 1989 wurde das Gebäude erstmals umgebaut, seitdem gibt es dort nur noch Einzelzimmer. 2015 erfolgte ein zweiter Umbau mit zahlreichen Modernisierungsmaßnahmen. Krankenschwestern garantieren eine medizinische 24-Stunden-versorgung. Einrichtungsleiterinnen sind Rebekka Müller für den psychosozialen Bereich und Marianne Wiest für den hauswirtschaftlichen Bereich.
Bei Interesse an einer solchen Gesundheitsmaßnahme können sich die Betroffenen an die Beratungsstellen der Caritas und des Diakonischen Werks wenden. Sie unterstützen bei der Antragsstellung und vermitteln in sämtliche Kliniken des Müttergenesungswerks.
„Sie haben eine Plexiglasscheibe als Ansteckungsschutz zwischen sich.“
Rebekka Müller