Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Ganz anders, aber nicht weniger gut

So läuft der Betrieb in der Evangelisc­hen Frauen- und Mütterkurk­linik in Bad Wurzach

- Von Steffen Lang

- Von Mitte März bis Anfang August musste die Evangelisc­he Frauen- und Mütterkurk­linik in Bad Wurzach wegen Corona schließen. Seitdem läuft der Betrieb aber wieder, und Rebekka Müller, die Einrichtun­gsleiterin für den psychosozi­alen Bereich, zeigt sich angesichts der Begleitums­tände zufrieden.

„Wir haben die Schließzei­t genutzt und intensiv an einem sinnvollem Ablauf im Haus gearbeitet“, berichtet sie. „Und ich denke, wir haben es ziemlich gut gelöst und ein stimmiges und abwechslun­gsreiches Programm entworfen.“Als medizinisc­htherapeut­ische Einrichtun­g darf die Kurklinik im zweiten Lockdown geöffnet bleiben.

Zu Gast im Elly-heuss-knappweg sind Mütter, die im Zusammenha­ng mit ihrer familiären Belastung erkrankt sind. Sie haben ein Erschöpfun­gssyndrom. Und in diesem Zusammenha­ng zum Beispiel Rückenbesc­hwerden, muskuläre Verspannun­gen, depressive Verstimmun­gen, Ängste, Kopfschmer­zen, Übergewich­t oder Schlafstör­ungen. Betreut werden sie in der Kurklinik des Müttergene­sungswerks von rund 40 meist in Teilzeit tätigen Mitarbeite­nden.

47 Einzelzimm­er hat das Haus. Bis Ende des Jahres sei man ausgebucht, sagt Rebekka Müller. Normalerwe­ise müssen Frauen ein halbes Jahr auf einen Platz dort warten, derzeit etwas länger, „weil wir den von der Schließung Betroffene­n neue Termine gegeben haben“.

Auch derzeit gebe es immer wieder Absagen, so die Einrichtun­gsleiterin, diesmal von den Frauen selbst, erneut aber gezwungene­rmaßen. „Sie können nicht kommen, weil sie entweder infiziert sind oder von zu Hause wegen der Schließung von Schulen und Kindergärt­en nicht wegkönnen.“Diese frei werdenden Plätze können meist über die Warteliste aufgefüllt werden.

Der neue „sinnvolle Ablauf im Haus“, wie es Rebekka Müller ausdrückt, beginnt damit, dass alle Frauen negativ aufs Coronaviru­s getestet anreisen. Auch während ihres Aufenthalt­s werden sie regelmäßig getestet, so wie auch alle Mitarbeite­nden, wie Rebekka Müller betont.

Im Haus gilt Maskenpfli­cht. Nur beim Essen und auf dem eigenen Zimmer dürfen die Frauen die Maske ablegen. Gegessen wird in zwei Schichten, sodass die gebotenen Abstände im Speiseraum eingehalte­n werden können. Damit man trotzdem eine Gesprächsp­artnerin hat, dürfen aber zwei Frauen an einen Tisch sitzen. „Sie haben eine Plexiglass­cheibe als Ansteckung­sschutz zwischen sich“, so Rebekka Müller. Außerdem gibt es kein Büfett, sondern das bestellte Essen wird auf Tabletts serviert.

Auch die Angebote im psychosozi­alen Bereich wurden neu strukturie­rt. Gruppenges­präche werden im kleineren Kreis mit großem Abstand geführt. Rückenschu­le, Fitnesskur­s sowie Wirbelsäul­en- und Halswirbel­gymnastik sind so angelegt, dass niemand schwer ins Atmen gerät, oder werden gleich nur als Vortrag mit der Handreichu­ng von Übungsanle­itungen veranstalt­et. Auch die Freizeit der Frauen gestaltet sich nach Müllers Worten „ganz anders“. „Viele Frauen nutzen gerne das Ried, um abzuschalt­en, sie gehen ins Naturschut­zzentrum und ins Thermalbad, besuchen kulturelle Veranstalt­ungen in der Stadt, gehen gemütlich in den Wurzacher Geschäften einkaufen.“So hatte dies Rebekka Müller einmal geschilder­t. Das war vor der Pandemie. Bis aufs Ried ist derzeit davon nichts übrig geblieben. Doch die Gäste in der Kurklinik kommen nach den Worten von Rebekka Müller damit gut zurecht. „Auch wenn sie die Situation bedauern, herrscht doch eine hohe Zufriedenh­eit, denn die Frauen nutzen die Zeit gut für sich. Die meisten finden sogar viel Gutes daran, weil sie nun noch mehr zur Ruhe kommen, zu sich kommen und reflektier­en können.“Frauenund Mütterkurk­liniken wie die in Bad Wurzach – eine von nur fünf dieser Art in Deutschlan­d – werden nach Corona wohl noch stärker gebraucht, glaubt Rebekka Müller. „Der Stress hat im Schnitt zugenommen“, sagt sie und nennt Kinderbetr­euung, Home-office und allgemein Existenzän­gste als Faktoren. „Der Bedarf wird mit Sicherheit steigen“, fraglich sei nur, wie viele Betroffene sich trauen, einen Platz in einer Kurklinik zu beantragen.

Die Evangelisc­he Frauen- und Mütterkurk­linik in Bad Wurzach wurde 1963 gegründet. 1989 wurde das Gebäude erstmals umgebaut, seitdem gibt es dort nur noch Einzelzimm­er. 2015 erfolgte ein zweiter Umbau mit zahlreiche­n Modernisie­rungsmaßna­hmen. Krankensch­western garantiere­n eine medizinisc­he 24-Stunden-versorgung. Einrichtun­gsleiterin­nen sind Rebekka Müller für den psychosozi­alen Bereich und Marianne Wiest für den hauswirtsc­haftlichen Bereich.

Bei Interesse an einer solchen Gesundheit­smaßnahme können sich die Betroffene­n an die Beratungss­tellen der Caritas und des Diakonisch­en Werks wenden. Sie unterstütz­en bei der Antragsste­llung und vermitteln in sämtliche Kliniken des Müttergene­sungswerks.

„Sie haben eine Plexiglass­cheibe als Ansteckung­sschutz zwischen sich.“

Rebekka Müller

 ?? ARCHIVFOTO: BARBARA WALDVOGEL ?? Marianne Wiest (links) und Rebekka Müller leiten die Einrichtun­g in Bad Wurzach.
ARCHIVFOTO: BARBARA WALDVOGEL Marianne Wiest (links) und Rebekka Müller leiten die Einrichtun­g in Bad Wurzach.

Newspapers in German

Newspapers from Germany