Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Aufarbeitung der Ns-vergangenheit soll weitergehen
In der Gemeinde Wolpertswende stellt sich jetzt die Frage nach der Form des Gedenkens
- Der schwierige Prozess um die Aufarbeitung Nsvergangenheit der Gemeinde Wolpertswende soll jetzt nach einem Stillstand wieder Fahrt aufnehmen. Jetzt macht sich der Arbeitskreis an die Arbeit, nach einer Form des Gedenkens zu suchen. Dies könnte auch ein Denkmal in der Gemeinde sein.
Wie bereits berichtet, hat der Gemeinderat Wolpertswende im Dezember 2017 beschlossen, sich mit der Ns-vergangenheit zu beschäftigen. Als erste Ideen wurden unter anderem ein Gedenkstein und die Aufarbeitung der Opfer-biografien genannt.
Angestoßen Dorfhistoriker hat den Prozess Ludwig Zimmermann,
der bereits erste Texte und Porträts über Opfer und mutmaßliche Täter geschrieben und damals im Gemeinderat vorgestellt hatte. Bekanntlich haben sich aber danach die Hinterbliebenen an den Teilen der Texte gestört, weswegen sich ein Arbeitskreis gebildet hat, der sich mit der Thematik auseinandergesetzt hat. Im Zentrum der Aufarbeitung sollten dabei die Euthanasieopfer stehen – also Gemeindemitglieder, die dem Ns-rassenwahn zum Opfer gefallen sind.
Nach den Verwerfungen innerhalb des Arbeitskreises hat Uwe Hertrampf vom Denkstättenkuratorium die Ns-dokumentation Oberschwaben übernommen. Doch nach nunmehr rund drei Jahren nach dem Gemeinderatsbeschluss ist – zumindest öffentlich – nichts mehr passiert. Jetzt aber sind die Texte überarbeitet worden.
Dabei hat der Arbeitskreis fachkundige Unterstützung in Person von Kreisarchivar Ulrich Kees hinzugezogen. Des Weiteren sind im Arbeitskreis Sybille Glatz, Gertrud Graf, Wilfried Scheremet und Wolpertswendes Bürgermeister Daniel Steiner vertreten. Sybille Glatz ist es zudem gelungen, zwei weitere Wolpertswender für den Arbeitskeis zu gewinnen.
„Uns ist die Erinnerung an die Opfer wichtig. Es geht nicht um eine Anklage, sondern um Erinnerung und um Aussöhnung“, sagt Uwe Hertrampf. Die fertigen Texte sollen schließlich auch auf der Internetseite des Denkstättenkuratoriums
Oberschwaben veröffentlicht werden. Denkbar ist laut Hertrampf auch eine eigene Broschüre zum Thema.
Wie es jetzt konkret weitergeht, ist noch offen. Durch die Coronapandemie habe es Verzögerungen gegeben und man habe sich im Arbeitskreis nicht treffen können, so Hertrampf. „Wenn es die Lage wieder zulässt, wollen wir darüber sprechen, wie wir das Gedenken gestalten können“, sagt die Historikerin Sybille Glatz, die Mitglied des Arbeitskreises ist.
Das Thema Aufarbeitung der Nsvergangenheit ist insbesondere auf dem Land ein schwieriges. Selbst 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges reißt das Thema immer wieder alte Wunden auf. Auf dem
Land – und das ist Oberschwaben – sind die Strukturen klein und man kennt sich. Oft kennen sich dadurch eben auch die Hinterbliebenen von Opfern und Tätern. So sorgt das Thema immer wieder für Diskussionen.
Auch in anderen Gemeinden wurde das Thema schon angegangen. Auch in Baienfurt, wo es mittlerweile auf dem Marktplatz einen Gedenkstein für die Opfer gibt, war das Thema kein einfaches. Wie Wolpertswende ist auch die Gemeinde Bodnegg derzeit dabei, die eigene Geschichte aufzuarbeiten. Begonnen wurde dort im Winter 2018 nach einer Diskussion um die Person des ehemaligen Nsdap-bürgermeisters Anton Blaser. Auch in Bodnegg hat sich ein Arbeitskreis Erinnerungskultur gegründet.