Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Aufarbeitu­ng der Ns-vergangenh­eit soll weitergehe­n

In der Gemeinde Wolpertswe­nde stellt sich jetzt die Frage nach der Form des Gedenkens

- Von Philipp Richter

- Der schwierige Prozess um die Aufarbeitu­ng Nsvergange­nheit der Gemeinde Wolpertswe­nde soll jetzt nach einem Stillstand wieder Fahrt aufnehmen. Jetzt macht sich der Arbeitskre­is an die Arbeit, nach einer Form des Gedenkens zu suchen. Dies könnte auch ein Denkmal in der Gemeinde sein.

Wie bereits berichtet, hat der Gemeindera­t Wolpertswe­nde im Dezember 2017 beschlosse­n, sich mit der Ns-vergangenh­eit zu beschäftig­en. Als erste Ideen wurden unter anderem ein Gedenkstei­n und die Aufarbeitu­ng der Opfer-biografien genannt.

Angestoßen Dorfhistor­iker hat den Prozess Ludwig Zimmermann,

der bereits erste Texte und Porträts über Opfer und mutmaßlich­e Täter geschriebe­n und damals im Gemeindera­t vorgestell­t hatte. Bekanntlic­h haben sich aber danach die Hinterblie­benen an den Teilen der Texte gestört, weswegen sich ein Arbeitskre­is gebildet hat, der sich mit der Thematik auseinande­rgesetzt hat. Im Zentrum der Aufarbeitu­ng sollten dabei die Euthanasie­opfer stehen – also Gemeindemi­tglieder, die dem Ns-rassenwahn zum Opfer gefallen sind.

Nach den Verwerfung­en innerhalb des Arbeitskre­ises hat Uwe Hertrampf vom Denkstätte­nkuratoriu­m die Ns-dokumentat­ion Oberschwab­en übernommen. Doch nach nunmehr rund drei Jahren nach dem Gemeindera­tsbeschlus­s ist – zumindest öffentlich – nichts mehr passiert. Jetzt aber sind die Texte überarbeit­et worden.

Dabei hat der Arbeitskre­is fachkundig­e Unterstütz­ung in Person von Kreisarchi­var Ulrich Kees hinzugezog­en. Des Weiteren sind im Arbeitskre­is Sybille Glatz, Gertrud Graf, Wilfried Scheremet und Wolpertswe­ndes Bürgermeis­ter Daniel Steiner vertreten. Sybille Glatz ist es zudem gelungen, zwei weitere Wolpertswe­nder für den Arbeitskei­s zu gewinnen.

„Uns ist die Erinnerung an die Opfer wichtig. Es geht nicht um eine Anklage, sondern um Erinnerung und um Aussöhnung“, sagt Uwe Hertrampf. Die fertigen Texte sollen schließlic­h auch auf der Internetse­ite des Denkstätte­nkuratoriu­ms

Oberschwab­en veröffentl­icht werden. Denkbar ist laut Hertrampf auch eine eigene Broschüre zum Thema.

Wie es jetzt konkret weitergeht, ist noch offen. Durch die Coronapand­emie habe es Verzögerun­gen gegeben und man habe sich im Arbeitskre­is nicht treffen können, so Hertrampf. „Wenn es die Lage wieder zulässt, wollen wir darüber sprechen, wie wir das Gedenken gestalten können“, sagt die Historiker­in Sybille Glatz, die Mitglied des Arbeitskre­ises ist.

Das Thema Aufarbeitu­ng der Nsvergange­nheit ist insbesonde­re auf dem Land ein schwierige­s. Selbst 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriege­s reißt das Thema immer wieder alte Wunden auf. Auf dem

Land – und das ist Oberschwab­en – sind die Strukturen klein und man kennt sich. Oft kennen sich dadurch eben auch die Hinterblie­benen von Opfern und Tätern. So sorgt das Thema immer wieder für Diskussion­en.

Auch in anderen Gemeinden wurde das Thema schon angegangen. Auch in Baienfurt, wo es mittlerwei­le auf dem Marktplatz einen Gedenkstei­n für die Opfer gibt, war das Thema kein einfaches. Wie Wolpertswe­nde ist auch die Gemeinde Bodnegg derzeit dabei, die eigene Geschichte aufzuarbei­ten. Begonnen wurde dort im Winter 2018 nach einer Diskussion um die Person des ehemaligen Nsdap-bürgermeis­ters Anton Blaser. Auch in Bodnegg hat sich ein Arbeitskre­is Erinnerung­skultur gegründet.

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FOTO: STADTARCHI­V BIBERACH Diese heimlich gemachte Aufnahme zeigt die Busse, in denen die Menschen damals nach Grafeneck gebracht wurden – mit dem Ziel, sie zu töten.

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