Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Das Buch der Bücher ist nicht prüde
Wissenschaftler über Sex in der Bibel
(KNA) - In der Bibel wird oft und sehr offen über Sex geschrieben. Das Hohelied der Liebe besingt Brüste und Schäferstündchen sogar derart explizit, dass die christlichen Kirchenväter überlegten, ob dieses Kapitel gestrichen werden sollte.
Bibelwissenschaftler Simone Paganini lüftet in seinem neuen Buch „Unzensiert. Was Sie schon immer über Sex in der Bibel wissen wollten, aber nie zu fragen wagten“so manches erotische Geheimnis. Wer weiß schon, dass sich im Stammbaum von König David und damit auch unter den Vorfahren Jesu gleich zwei Prostituierte finden? Das Buch der Bücher berichtet von Homosexualität, Polygamie und Selbstbefriedigung. Es kennt Vielehe, Inzest und Prostitution, sexualisierten Machtmissbrauch und Vergewaltigung. Im Buch der Sprüche werden die weiblichen Genitalorgane gesegnet. Beim Propheten Ezechiel ist ganz unverblümt die Rede von der optimalen Größe des Penis.
Das Buch Deuteronomium schreibt vor, dass ein Jungverheirateter für ein Jahr vom Kriegsdienst entbunden werden soll, um Sex mit seiner Ehefrau genießen zu können. Aber auch für die Frauen gilt: Keinen Sex zu bekommen, ist ein Scheidungsgrund.
„Das biblische Menschenbild ist stark von der Geschlechtlichkeit geprägt“, schreibt der katholische Bibelwissenschaftler. Eine einheitliche Sexualmoral finde sich aber nicht. Gesetzliche Vorschriften im Alten Testament sind widersprüchlich; viele dienen der Abgrenzung zu benachbarten Völkern. Paganini warnt davor, den Regelungen allgemeine Gültigkeit zuzusprechen. „Sie müssen stets in den zeitlichen und kulturellen Kontext eingeordnet werden.“
Das Neue Testament ist beim Thema Sex eher zurückhaltend. Paganini nimmt an, dass Jesus sich wenig zu sexuellen Fragen geäußert hat. Zugleich betont der Bibelwissenschaftler aber, dass die Evangelien sehr wohl von intimen Beziehungen Jesu zu Frauen und Männern berichten, die „für die damalige Leserschaft deutlich als sexuelle Begegnungen wahrnehmbar waren“. Paganini vermutet, dass die Jesusbewegung manche Vorschriften strenger auslegte, als es im Judentum üblich war.
Die heutige kirchliche Sexualmoral geht aus Sicht des Autors nur selten unmittelbar auf biblische Vorschriften zurück. „Noch viel weniger ist sie direkt von Gott gegeben.“Viele der Normen gingen vielmehr auf antike Kirchenväter oder mittelalterliche Theologen wie Tertullian, Augustinus oder Thomas von Aquin und deren Bibelauslegung zurück.