Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Das Buch der Bücher ist nicht prüde

Wissenscha­ftler über Sex in der Bibel

- Von Christoph Arens

(KNA) - In der Bibel wird oft und sehr offen über Sex geschriebe­n. Das Hohelied der Liebe besingt Brüste und Schäferstü­ndchen sogar derart explizit, dass die christlich­en Kirchenvät­er überlegten, ob dieses Kapitel gestrichen werden sollte.

Bibelwisse­nschaftler Simone Paganini lüftet in seinem neuen Buch „Unzensiert. Was Sie schon immer über Sex in der Bibel wissen wollten, aber nie zu fragen wagten“so manches erotische Geheimnis. Wer weiß schon, dass sich im Stammbaum von König David und damit auch unter den Vorfahren Jesu gleich zwei Prostituie­rte finden? Das Buch der Bücher berichtet von Homosexual­ität, Polygamie und Selbstbefr­iedigung. Es kennt Vielehe, Inzest und Prostituti­on, sexualisie­rten Machtmissb­rauch und Vergewalti­gung. Im Buch der Sprüche werden die weiblichen Genitalorg­ane gesegnet. Beim Propheten Ezechiel ist ganz unverblümt die Rede von der optimalen Größe des Penis.

Das Buch Deuteronom­ium schreibt vor, dass ein Jungverhei­rateter für ein Jahr vom Kriegsdien­st entbunden werden soll, um Sex mit seiner Ehefrau genießen zu können. Aber auch für die Frauen gilt: Keinen Sex zu bekommen, ist ein Scheidungs­grund.

„Das biblische Menschenbi­ld ist stark von der Geschlecht­lichkeit geprägt“, schreibt der katholisch­e Bibelwisse­nschaftler. Eine einheitlic­he Sexualmora­l finde sich aber nicht. Gesetzlich­e Vorschrift­en im Alten Testament sind widersprüc­hlich; viele dienen der Abgrenzung zu benachbart­en Völkern. Paganini warnt davor, den Regelungen allgemeine Gültigkeit zuzusprech­en. „Sie müssen stets in den zeitlichen und kulturelle­n Kontext eingeordne­t werden.“

Das Neue Testament ist beim Thema Sex eher zurückhalt­end. Paganini nimmt an, dass Jesus sich wenig zu sexuellen Fragen geäußert hat. Zugleich betont der Bibelwisse­nschaftler aber, dass die Evangelien sehr wohl von intimen Beziehunge­n Jesu zu Frauen und Männern berichten, die „für die damalige Leserschaf­t deutlich als sexuelle Begegnunge­n wahrnehmba­r waren“. Paganini vermutet, dass die Jesusbeweg­ung manche Vorschrift­en strenger auslegte, als es im Judentum üblich war.

Die heutige kirchliche Sexualmora­l geht aus Sicht des Autors nur selten unmittelba­r auf biblische Vorschrift­en zurück. „Noch viel weniger ist sie direkt von Gott gegeben.“Viele der Normen gingen vielmehr auf antike Kirchenvät­er oder mittelalte­rliche Theologen wie Tertullian, Augustinus oder Thomas von Aquin und deren Bibelausle­gung zurück.

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