Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Die Schwäche der EU

- Von Claudia● Kling ●» c.kling@schwaebisc­he.de

Wer auf das aktuelle Verhältnis zwischen Russland und der Europäisch­en Union blickt, denkt nahezu wehmütig an die Zeiten zurück, in denen deutsche Regierungs­chefs zusammen mit russischen Präsidente­n in der Sauna schwitzten. Helmut Kohl und Boris Jelzin taten dies gelegentli­ch. „Er ist ein Prachtkerl, natürlich, offen und direkt“, schrieb der frühere russische Präsident über den Kanzler aus der Pfalz. Seither ist das Verhältnis, man könnte sagen, abgekühlt. Moskau lässt keine Gelegenhei­t aus, der Europäisch­en Union ihre Schwäche vorzuführe­n. Brüssel wehrt sich wahlweise mit harschen Worten oder – wie im Fall Nawalnys und der völkerrech­tswidrigen Krim-annexion – mit Sanktionen. Erreicht wurde in beiden Fällen wenig.

Dass die Drohungen aus dem Westen in Russland nicht ernst genommen werden, hat Gründe. Einer davon liegt auf oder unter dem Meeresbode­n in der Ostsee. Mit dem Festhalten an dem Pipeline-projekt Nord Stream 2 signalisie­rt die Bundesregi­erung ganz klar, wie wenig europäisch­e Interessen zählen, wenn es um den eigenen Vorteil geht. Auch dass sich die EU von Politikern aus den eigenen Reihen wie dem ungarische­n Regierungs­chef Viktor Orbán auf der Nase herumtramp­eln lässt, schwächt ihre Position. Orbán macht keinen Hehl aus seiner Sympathie für Putin – und kommt damit durch. Dabei haben die vergangene­n Jahre gezeigt: Russland nutzt jede Gelegenhei­t, westlichen Demokratie­n zu schaden und vermeintli­che Gegner loszuwerde­n, sei es mit Cyberangri­ffen auf Regierungs­computer oder, etwas altmodisch­er, mit Giftmord.

Wenn die EU diesem Gebahren etwas entgegense­tzen will, muss sie Stärke demonstrie­ren – gegenüber den Kreml-kuschlern in den eigenen Reihen und den Strippenzi­ehern in Moskau. Sanktionen sind zwar kurzfristi­g eine Möglichkei­t zu zeigen, dass Provokatio­nen und Rechtsvers­töße nicht unbeantwor­tet bleiben. Doch solange die EU keine klare Linie in der Außenpolit­ik fährt, wird sie von listigen Staatschef­s wie Putin als Spielball betrachtet. Daran wird sich absehbar nichts ändern.

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