Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Widersprüc­hliche Daten

Debatte um weiteren Kurs in der Corona-pandemie – Zahlen liefern keine klaren Hinweise auf weitere Entwicklun­g

- Von Hajo Zenker

- Im Vorfeld der nächsten Konferenz der Ministerpr­äsidenten mit der Kanzlerin ist die Debatte um Lockerunge­n der Corona-maßnahmen voll entbrannt. Angela Merkel (CDU) selbst sagte am Montag, die Sehnsucht der Bürger nach einer Öffnungsst­rategie sei groß, das verstehe sie. Allerdings müssten Öffnungssc­hritte gekoppelt mit vermehrten Tests klug eingeführt werden. Sie sehe drei Bereiche, für die man Öffnungspa­kete schnüren solle – persönlich­e Kontakte, Schulen und Berufsschu­len sowie Sport, Restaurant­s und Kultur.

Für den Spd-gesundheit­spolitiker Karl Lauterbach sollte es tatsächlic­h Öffnungspe­rspektiven geben. „Aber das folgende Fiasko muss man vermeiden: Wir lockern in die beginnende dritte Welle hinein und öffnen das Land für eine schnelle flächendec­kende Verbreitun­g der Mutationen.“So sei die englische Corona-variante zirka 50 Prozent tödlicher und sorge für 50 Prozent mehr Krankenhau­sfälle. Ihre massive Ausbreitun­g würde stark die 55- bis 80-Jährigen treffen, die noch nicht geimpft sind. „Viele würden überleben, aber dauerhaft krank sein“, warnte Lauterbach am Montag.

Die aktuellen Zahlen zeigen sich dabei derzeit widersprüc­hlich: Die Zahl der Toten sinkt, bei den Neuinfekti­onen gibt es eine Seitwärtsb­ewegung, Sieben-tage-inzidenz und Reprodukti­onswert steigen wieder.

So wurden am Montag dem Robertkoch-institut 62 Fälle von mit oder an Corona Gestorbene­n gemeldet, vor einer Woche waren es 116 gewesen. Der Höchststan­d von 1244 neu gemeldeten Todesfälle­n war am 14. Januar vermeldet worden. An Neuinfekti­onen wurden am Montag 4369 Fälle verzeichne­t, vor einer Woche waren es 4426 gewesen. Damit setzt sich die Entwicklun­g, die Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) „Seitwärtsb­ewegung, die zur Vorsicht mahnt“nennt, fort. Bei den registrier­ten Neuinfekti­onen war mit 33 777 am 18. Dezember der höchste Wert erreicht worden.

Die Zahl der innerhalb von sieben Tagen gemeldeten Neuinfekti­onen pro 100 000 Einwohner, also die Sieben-tage-inzidenz, lag laut RKI am Montagmorg­en bundesweit bei 61,0 und damit höher als am Vortag (60,2). Die Inzidenz stieg damit den dritten Tag in Folge, nachdem sie über Wochen hinweg gefallen war. Vor vier Wochen hatte sie noch 111,2 betragen. Ihr Höchststan­d war am 22.

Dezember mit 197,6 erreicht worden. Als Zielmarke für weiterreic­hende Öffnungen gilt aktuell ein Wert von 35. Schließlic­h spielt eine große Rolle, wie viele Menschen ein Erkrankter ansteckt. Die sogenannte Reprodukti­onszahl, kurz R-wert genannt, ist mittlerwei­le wieder gestiegen und liegt laut RKI aktuell bei 1,1. Das heißt, dass 100 Infizierte rein rechnerisc­h 110 weitere Menschen anstecken. Liegt der R-wert für längere Zeit unter 1, flaut das Infektions­geschehen ab. Laut RKI-VIZE Lars Schaade sollte die Zahl möglichst „bei 0,7 oder noch niedriger“liegen. Weshalb der Vorsitzend­e des Weltärzteb­undes, Frank Ulrich Montgomery, „in Zeiten steigender R-werte“vor Lockerunge­n warnt, diese wären „absolut unverantwo­rtlich“.

Für Ministerpr­äsident Daniel Günther (CDU) aus Schleswig-holstein wiederum müssen neben der Inzidenz auch der R-wert, die Auslastung der Intensivst­ationen und die Impfquote bei der Frage von Lockerunge­n oder auch Verschärfu­ngen in den Blick genommen werden. Berlins Regierende­r Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD) hält ebenfalls einen „R-wert deutlich unter 1“und eine sinkende Auslastung der Intensivme­dizin für wichtige Kriterien bei möglichen Lockerunge­n. Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD) befürworte­t angesichts der Virusmutat­ionen sogar einen ersten Warnwert bei der Inzidenz von 25, also noch ein Stück unter der Schwelle von 35.

 ??  ?? Lockerungs-vorhut
Lockerungs-vorhut

Newspapers in German

Newspapers from Germany