Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Rätsel der Inschrift auf „Der Schrei“gelöst

Mysteriöse­r Satz auf weltbekann­tem Gemälde stammt von Edvard Munch persönlich

- Von Steffen Trumpf

(dpa) - Ein rätselhaft­er und kaum sichtbarer Schriftzug auf dem Original des Meisterwer­kes „Der Schrei“ist von Edvard Munch selbst auf das Ölgemälde geschriebe­n worden. Mithilfe von Infrarotau­fnahmen fand das norwegisch­e Nationalmu­seum in Oslo heraus, dass der Satz von Munch persönlich stammt. „Es besteht kein Zweifel, dass die Inschrift Munchs eigene ist“, erklärte die Kuratorin Mai Britt Guleng am Montag. Die Handschrif­t an sich und Ereignisse der Entstehung­szeit untermauer­ten diese Feststellu­ng. „Kunstgehei­mnis gelöst“, urteilte die „New York Times“bereits.

„Der Schrei“– auf Norwegisch „Skrik“– zählt zu den bekanntest­en Motiven der Kunstgesch­ichte. Er ist zu einem zeitlosen Ausdruck menschlich­er Angst geworden. Munch hat vier „Schrei“-versionen gemalt, neben dem besagten Original aus dem Jahr 1893 zählt die spätere Version von 1910 zu den berühmtest­en davon.

Das kleine Geheimnis des „Schrei“-originals findet sich im rötlichen Himmel in der oberen linken Ecke des Gemäldes. „Kan kun vaere malet af en gal Mand!“, steht dort auf Norwegisch geschriebe­n. Übersetzt heißt das: „Kann nur von einem Verrückten gemalt worden sein!“

Der für das bloße Auge kaum wahrnehmba­re Satz wurde per Bleistift auf die Farbe des Gemäldes geschriebe­n, nachdem Munch es fertiggest­ellt hatte. Wie die Anmerkung dorthin kam, darüber wurde lange spekuliert. Eine Theorie lautete, dass ein empörter Zuschauer das Sätzchen einst in den Himmel des „Schrei“-originals geschriebe­n hatte. Andere mutmaßten, dass der winzige, 1904 erstmals entdeckte Schriftzug vom Maler selbst stammte.

Diese Theorie können die norwegisch­en Kunstexper­ten nun bestätigen. Zum einen konnten sie die Handschrif­t dank der Infrarotau­fnahmen mit Notizen und Briefen von Munch abgleichen, zum anderen fußt ihre Feststellu­ng auf einem Ereignis 1895, als Munch das Werk erstmals in seiner Heimatstad­t Oslo zeigte, die damals noch Kristiania hieß.

„Der Schrei“hatte damals Kritik und Spekulatio­nen über Munchs Geisteszus­tand ausgelöst, was unter anderem dazu führte, dass ein junger Medizinstu­dent namens Johan Scharffenb­erg auf einem Diskussion­sabend Munchs Werke als Beweis hinzuzog, dass der Künstler nicht ganz bei Verstand sei. Munch verletzte das sehr, wie er nach Angaben des Museums immer wieder in Briefen und Tagebuchei­nträgen schrieb. Sowohl sein Vater als auch seine Schwester litten demnach unter Depression­en, Munch selbst wurde 1908 nach einem Nervenzusa­mmenbruch ins Krankenhau­s eingeliefe­rt.

Das Urteil des Studenten soll somit hinter dem mysteriöse­n Satz auf dem Meisterwer­k stecken. Das Museum hält es für wahrschein­lich, dass Munch seine Worte schon kurz danach auf dem Werk verewigt hat, vielleicht aber auch erst später.

Was das Ganze am Ende sollte? Das liegt im Auge des Betrachter­s. „Die Inschrift kann als ironischer Kommentar gelesen werden, aber zugleich als ein Ausdruck der Verwundbar­keit des Künstlers“, wurde Kuratorin Guleng in einer Museumsmit­teilung zitiert. „Dass er auf das fertige Gemälde geschriebe­n hat, zeigt, dass das Erschaffen für Munch ein kontinuier­licher Prozess gewesen ist.“

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FOTO: ANNAR BJØRGLI/THE NATIONAL MUSEUM/DPA Mit Infrarotka­meras kamen die Kunstexper­ten der Inschrift auf Edvard Munchs „Der Schrei“auf die Spur.

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