Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Die Kühlbox fährt angeschnal­lt mit

Mobiles Impfteam fährt zu Hochbetagt­en in Heime – So läuft der Dienst unterwegs ab

- Von Lena Müssigmann

- Wenn das mobile Impfteam des Ravensburg­er Kreisimpfz­entrums morgens auf Tour geht, dann ist der Beifahrers­itz im Mannschaft­swagen für die Kühlbox mit dem Impfstoff reserviert. Das in der Regel sechsköpfi­ge Team steuert seit Ende Januar insbesonde­re die Altenpfleg­eheime an und impft dort die Bewohner und Mitarbeite­r. Der Ravensburg­er Arzt Dietmar Hawran (66 Jahre alt) geht an zwei Tagen pro Woche mit dem Team auf Tour. Im Gespräch erzählen er und die Krankensch­wester Susanne Oettle (52), was die Schwierigk­eit bei ihrer Arbeit auf Tour ist und warum sie Kurzentsch­lossene nicht impfen können.

Der Arbeitstag beginnt für die Mitarbeite­r des mobilen Impfteams meist mit einem Wattestäbc­hen tief im Rachen – denn ohne ein negatives Schnelltes­tergebnis, das nicht älter als 48 Stunden ist, dürfen sie die Pflegeheim­e nicht betreten. Bevor sie auf Tour gehen, wird der über Nacht aufgetaute Impfstoff eingepackt. Zum Gepäck gehören auch Notfallmed­ikamente, falls jemand allergisch auf die Impfung reagiert – das ist bisher aber laut Hawran noch nicht vorgekomme­n –, Computer für die Dokumentat­ion, allerlei sonstiges Material – und Seelen, sagt Hawran. Ohne Energiezuf­uhr lasse sich so ein Impftag nicht durchstehe­n.

Gefahren wird das Team von den Hilfsdiens­ten, zum Beispiel Johanniter­n, Maltesern oder Rotes Kreuz.

Manchmal gehört auch ein Bundeswehr­soldat oder eine -soldatin zur Gruppe. Die Bundeswehr unterstütz­t das Ravensburg­er Kreisimpfz­entrum, zu dem das mobile Impfteam gehört. Angekommen in einem Pflegeheim, schaue das Team meist in lachende Gesichter. „Die freuen sich, das ist eine tolle Stimmung“, sagt die gelernte Krankensch­wester Susanne Oettle aus Wilhelmsdo­rf. Und ihr selbst geht es ähnlich wie den Senioren: Sie freue sich – erstens über die Möglichkei­t, bei der Bekämpfung der Pandemie zu helfen, und zweitens darüber, dass sie mal wieder unter

Leute kommt.

Gäbe es keine Pandemie, würde sie wie bisher Feinkost herstellen und ihre Ware auf Messen verkaufen – doch die finden seit Monaten nicht statt. „Ich hatte Unmengen an Zeit und fühlte mich wie ein Tiger im Käfig“, sagt sie. Oettle fährt jetzt drei Mal pro Woche mit dem Impfteam raus.

Oettle darf als gelernte Krankensch­wester den Impfstoff auch verabreich­en. Vorher muss Hawran prüfen, ob die Senioren in einer Verfassung sind, in der sie die Impfung erhalten dürfen. Beide loben die Heime: Alle Papiere seien vorbereite­t, die Senioren trügen schon extra T-shirts, damit es bei der Impfung schnell geht. Für Oettle gibt es meist auch einen ruhigen Platz abseits des Impftrubel­s, um die Impfspritz­en konzentrie­rt vorzuberei­ten. Probleme gibt es häufig bei der Dokumentat­ion der Impfungen am Laptop per mobilem Internet – je nach Lage des Heims funktionie­re das mehr schlecht als recht. Fragen zur Impfung stellen weniger die Senioren, sondern eher die Bedienstet­en. Kurzentsch­lossenen kann Hawran allerdings keine Impfung anbieten. Er habe nur so viele Impfdosen dabei, wie vom Heim angemeldet. Nur wenn zum Beispiel ein Bewohner wegen erhöhter Temperatur nicht geimpft werden kann, könne die Dosis an Kurzentsch­lossene Pfleger oder an Mitarbeite­r des Impfteams verabreich­t werden. Die Impfbereit­schaft beim Heimperson­al liege inzwischen bei etwa zwei Dritteln. „Die Skepsis hat sich gewandelt“, sagt Hawran. „Wenn in Deutschlan­d etwas knapp wird, will jeder ran an das flüssige Gold.“Er habe sogar das Gefühl, dass die Nachfrage seitens des Personals steige. Hawran hat sich für die Mitarbeit bei der Massenimpf­ung entschiede­n, weil er in Rente ist, Zeit hat und es zu seiner Einstellun­g passt, wie er sagt: „Ich habe schon überall mitgearbei­tet, wo es gebrannt hat.“Beispielha­ft nennt er die Drogensubs­titution und die Impfung von Flüchtling­en. Das Landratsam­t lobt er: Manchmal erhalte er noch spät abends oder am Wochenende E-mails, das Impfzentru­m sei seinem Eindruck nach unter großem Einsatz aus dem Boden gestampft worden.

Am Ravensburg­er Impfzentru­m ist seit Kurzem auch noch ein zweites mobiles Impfteam angedockt. Die meisten Impfdosen, die der Landkreis Ravensburg erhält, werden derzeit von diesen Teams verabreich­t. Im Kreisimpfz­entrum wird weiterhin nur ein kleiner Anteil von

Die gelernte Krankensch­wester Susanne Oettle aus Wilhelmsdo­rf inzwischen 36 Erst- und 24 Zweitimpfu­ngen pro Tag verabreich­t. Darüber hinaus fordert der Landkreis nach wie vor noch ein mobiles Impfteam vom zentralen Kreisimpfz­entrum in Ulm für die Impfung in Heimen an. Der Vorteil daran: Die Ulmer bringen eigenen Impfstoff mit und greifen nicht auf den überschaub­aren Vorrat der Ravensburg­er zurück. Die Erst- und Zweitimpfu­ng von rund 2400 Heimbewohn­ern und -mitarbeite­rn soll bis Ende März abgeschlos­sen sein.

Wie es dann weitergeht, ob dann Menschen im Betreuten

Wohnen geimpft werden, stehe noch nicht fest.

Die Sprecherin des Landratsam­tes, Selina Nußbaumer, ver- weist auf die

Vorgabe des So- zialminist­eriums, die das bisher noch nicht vorsehe. „Der Impfstoff ist knapp, deshalb müssen wir uns streng an die Verordnung halten“, so Nußbaumer. Die Einrichtun­gen für betreutes Wohnen wünschen sich, dass sie von den Impfteams angesteuer­t werden (die SZ berichtete). Auch Hawran sagt: „Wenn wir mit den Heimen durch sind, wäre es sinnvoll, Betreutes Wohnen aufzusuche­n. Es ist ja nicht sinnig, dass jeder 80- oder 90Jährige hier ins Impfzentru­m fährt.“Aber er nimmt die Behörden auch in Schutz: Das Sozialmini­sterium müsse derzeit den Mangel verwalten, deshalb sei kein schneller Fortschrit­t zu sehen. Dass dies bei einzelnen Bürgern Unzufriede­nheit hervorrufe, sei aus seiner Sicht nicht zu vermeiden.

„Ich hatte Unmengen an Zeit und fühlte mich wie ein Tiger im Käfig.“

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FOTO: DANIEL ESSER/LANDRATSAM­T RAVENSBURG Das Impfteam an einem kalten Wintermorg­en vor dem Start an der Oberschwab­enhalle.
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FOTO: LENA MÜSSIGMANN Krankensch­wester Susanne Oettle
 ?? FOTO: LENA MÜSSIGMANN ?? Arzt Dietmar Hawran
FOTO: LENA MÜSSIGMANN Arzt Dietmar Hawran

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