Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
BUND legt Widerspruch gegen Hotelbau in Fischbach ein
Diakonissenheim: Naturschützer sieht Unregelmäßigkeiten bei Baugenehmigung
- Der BUND hat Widerspruch gegen den Bau einer Hotelanlage mit Tiefgarage auf dem Gelände des ehemaligen Diakonissenheims in Fischbach eingelegt. Die Luftschiffbau Zeppelin Gmbh will das Hotel mit 62 Doppelzimmern im Landschaftsschutzgebiet bauen. Geplant sind vier neue Gebäude. Die Baugenehmigung wurde im Juni 2020 erteilt. Derzeit werden die alten Gebäude abgerissen, erhalten bleibt nur die Villa Gminder. „Uns geht es vor allem um den Schutz der Natur“, begründet Brigitte Wallkam (BUND) den Widerspruch. Der Verband befürchtet, dass Singschwäne und seltene, geschützte Entenarten und Watvögel gestört werden.
Der Freiburger Rechtsanwalt Tobias Lieber argumentiert in seinem Widerspruch unter anderem, dass das Gelände direkt am See durch einen Hotelbetrieb für nicht zahlende Gäste nur noch schwer zugänglich sein werde. Luftschiffbau Zeppelin ziele auf eine hohe Rendite durch Hotel- und Restaurantgäste. Es solle „privater Raum für zahlungswillige Nutzer“entstehen. Jugendgruppen und Familien würden verdrängt.
Im Gespräch mit der SZ sagt Lieber, die Stadt sei im Fall dieser Baugenehmigung „großzügig mit einem Bauherrn umgegangen, mit dem sie eng verbandelt ist“– jedenfalls verglichen mit der Behandlung eines „ganz normalen Bauvorhabens“. Der Rechtsanwalt meint damit insbesondere Paragraf 35 des Baugesetzes, der das Bauen im Außenbereich regelt. Als Außenbereich gilt ein Gebiet, das außerhalb einer zusammenhängenden Bebauung liegt. Die Regelungen sind streng, um Eingriffe in die Natur und Zersiedelung zu vermeiden. Die Stadt sieht hier offenbar keinen Konflikt, obwohl der Hotelneubau laut Lieber die siebenfache Grundfläche der Villa Gminder einnehmen wird. Die Stadt, so Lieber, betrachte den Hotelbau als Erweiterung eines bereits bestehenden Betriebs. Bei der Genehmigung solcher
Erweiterungen sei in der Rechtsprechung aber maximal ein Zuwachs um das 0,4-Fache der bebauten Fläche üblich.
Dieser Begriff der Erweiterung ist wichtig, weil der Hotelbau im Außenbereich nach Paragraf 35 Absatz 4 Nummer 6 Baugesetzbuch nur genehmigt werden kann, wenn es sich dabei um die Erweiterung eines bereits bestehenden gewerblichen Betriebes handelt und wenn „die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist“. Genau daran zweifelt der Rechtsanwalt, denn das Hotel werde anders genutzt als das bisherige Diakonissenheim. Deshalb sei das Hotel auch nicht als Erweiterung zu werten, erst recht nicht unter Berücksichtigung der fast vollständigen Beseitigung des vorhandenen baulichen Bestandes. Aus dem Diakonissenheim, das eine Erholungsstätte für Familien, Kinder- und Jugendgruppen mit Nutzungsmöglichkeiten für Vereine war, solle unter Neuerrichtung fast aller Gebäude ein Tagungs- und Freizeithotel gemacht werden, so Tobias Lieber. „Offenbar wollte man das Bauplanungsrecht möglichst ungehindert durchwinken“, sagt er. Dabei hätten die Behörden selbst Zweifel gehabt, ob das Hotel unter den für eine Erweiterung geltenden Bestimmungen genehmigt werden könne. Das Projekt, heißt es in einem Schreiben des Baurechtsamts, das Lieber vorliegt, bewege sich „im Grenzbereich des Ermessensspielraums, da der Begriff der Erweiterung mit dem Abriss von mehreren Gebäuden und der Errichtung verschiedener Neubauten weit ausgelegt ist“.
Die Stadt weist den Verdacht zurück, dass man den Luftschiffbau bevorzugt behandelt habe. Auf Anfrage teilt sie mit, die Baugenehmigung sei nach eingehender Prüfung, wie bei allen anderen Baugenehmigungsverfahren auch, vom Bauordnungsamt der Stadt erteilt worden. Weiter schreibt die Stadt, die Erteilung der Genehmigung sei im Hinblick auf natur- und artenschutzrechtliche Belange in enger Abstimmung mit der zuständigen Fachbehörde des Landratsamts erfolgt. „Bevor die Baugenehmigung erteilt wurde, wurden alle gesetzlich notwendigen Gutachten, Stellungnahmen und Erhebungen, insbesondere zum Natur- und Artenschutz, angefordert“, so die Stadt.
Der Anwalt des BUND sieht das anders. Das Bauvorhaben liege in der Nähe des Flora- und Fauna-habitats (FFH) „Bodenseeufer westlich Friedrichshafen“– einem durch die Lipbachmündung wichtigen Rast-, Überwinterungsund Brutgebiet für bedrohte Vogelarten und Laichgebiet vieler Fischarten. Die zweitgrößte Haubentaucherkolonie des Bodensees sei dort beheimatet. Daher hätte eine Prüfung stattfinden müssen, ob sich das Hotelprojekt mit den Ffh-belangen vertrage. Dass darauf verzichtet wurde, sei schwerwiegend, so Lieber. Dem entgegnet die Stadt, dass es zwar keine Ffh-verträglichkeitsprüfung gegeben habe, aber eine Vorprüfung. Dabei sei man zum Ergebnis gekommen, dass nicht mit einer „erheblichen Beeinträchtigung des Ffh-gebiets“zu rechnen sei. „Daher ist eine
Ffh-verträglichkeitsprüfung nicht erforderlich“, so die Stadt. Der Bundanwalt kritisiert hingegen auch, dass es keine Umweltverträglichkeitsprüfung gegeben habe, was noch schwerer wiege als die unterlassene Ffhverträglichkeitsprüfung. Der BUND könne daher die Aufhebung des Bauvorbescheids und der Baugenehmigung verlangen. Zudem kritisiert Lieber, dass die Umweltschutzverbände aus dem Genehmigungsverfahren gezielt herausgehalten worden seien. In einer E-mail vom 15. Februar 2019 weist das städtische Rechtsamt darauf hin, dass die Naturschutzverbände zwar ein Mitwirkungsrecht hätten, da das Baugrundstück im Landschaftsschutzgebiet liege. Eventuell könne vom Mitwirkungsrecht aber „abgesehen werden“, wenn „Auswirkungen auf Natur und Landschaft nicht oder nur in geringfügigem Ausmaß zu erwarten sind“. Allerdings, so das Rechtsamt, sei das ein riskanter Weg. Dennoch hat man sich für diesen Weg offenbar entschieden. E-mails belegen, dass die Untere Naturschutzbehörde ihre Zustimmung zum Hotelbauprojekt lange vom Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages mit Luftschiffbau Zeppelin abhängig machte. „Die Naturschutzbehörde wollte verhindern, dass das Grundstück nach Realisierung des Bauvorhabens zukünftig noch intensiver bebaut werden kann. Dieser Vertrag wurde aber nie unterzeichnet und offenbar auch nicht erarbeitet“, sagt der Anwalt des BUND. Stattdessen habe sich das Baurechtsamt vom Bauherrn eine Baulast unterzeichnen lassen, derzufolge Luftschiffbau Zeppelin auf eine spätere intensivere Bebauung verzichtet. „Wie aber die Naturschutzbehörde selbst richtig anmerkt, ist eine Baulast rechtlich nicht dazu geeignet, das Problem zu lösen“, sagt der Bund-anwalt. Dennoch gab das Landratsamt dem Bauordnungsamt am 5. Juni 2020 grünes Licht: Das Einvernehmen der Unteren Naturschutzbehörde zum Hotelbau „gilt als erteilt“, lautet die Formulierung.