Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Wegen Reisebesch­ränkungen: Weniger Unfälle auf A96 bei Lindau

Auf der Autobahn und der B31 ist 2020 weniger los als sonst – Mehr Radler unterwegs, aber nicht mehr Unfälle

- Von Julia Baumann

- Das vergangene Jahr war ein außergewöh­nliches. Die Corona-pandemie wirkte sich auf fast alle Lebensbere­iche aus, sogar auf den Verkehr. Wegen der Einreisebe­schränkung­en und der geschlosse­nen Grenzen blieben teilweise die Bundesstra­ßen, vor allem aber die Autobahn an manchen Tagen fast ganz leer. Und wo kein Verkehr ist, da gibt es auch keine Unfälle.

„Wir sind bei den Verkehrsun­fällen in Lindau das erste Mal unter der 1000er-marke“, sagt Thomas Steur, Chef der Lindauer Polizeiins­pektion. Seit 2007 rangieren die Unfallzahl­en in Lindau immer zwischen gut 1000 und knapp 1400. Einer der Gründe für den plötzliche­n Rückgang: Die überörtlic­hen Straßen seien weniger genutzt worden. „Und die A96 war ja teilweise gespenstis­ch leer.“

Dass dort im vergangene­n Jahr sehr viel weniger Unfälle passiert sind als 2019, hänge mit zwei Faktoren zusammen: Zum einen gab es 2019 auf der Autobahn Baustellen. Diese führten dazu, dass es dort verhältnis­mäßig viele Unfälle gab. Zum anderen war im Corona-jahr wegen der Einreisebe­schränkung­en aus Österreich vor allem der Fahrstreif­en in Richtung München bei Lindau an manchen Tagen quasi leer. „Da merkt man schon, dass wir an der Grenze sind und die Straßen hier enden“, sagt Steur.

Beide Lockdowns hatten starke Effekte auf den Verkehr im gesamten Bereich des Polizeiprä­sidiums Schwaben Süd/west, zu dem auch Lindau gehört. „Wir verzeichne­n einen Rückgang in fast allen Bereichen“, sagt Guido Limmer, Vizepräsid­ent des Präsidiums in Kempten. So habe sich die Zahl der Verkehrsun­fälle im Frühjahr halbiert, im zweiten Lockdown zum Jahresende gab es ein Drittel weniger Unfälle als im Vorjahr. Mit nur 41 Verkehrsto­ten im kompletten Präsidiums­bereich habe man ein „Allzeittie­f“erreicht.

In Lindau sind im vergangene­n Jahr zwei Menschen bei einem Verkehrsun­fall ums Leben gekommen.

Einer davon ereignete sich auf der B31: Am 26. Juli geriet ein Fahrer nach links und streifte dabei das Auto, das ihm entgegenka­m. „Der dahinter fahrende Kradfahrer weicht auf die Gegenspur noch rechtzeiti­g aus, jedoch konnte der nächste nicht mehr ausweichen und wurde frontal erfasst“, so Steur. Der Motorradfa­hrer starb. Ebenfalls im vergangene­n Jahr stürzte eine 70-jährige Radlerin in der Fuggerstra­ße in Wasserburg­reutenen mit ihrem Fahrrad und erlag ihren Verletzung­en.

In der ganzen Region gab es im vergangen Jahr einen regelrecht­en Fahrrad-boom: Menschen holten längst vergessene und verstaubte Räder wieder aus dem Keller – oder kauften sich ein Pedelec. Zwischen Kempten und dem Bodensee, stieg die Zahl der schwerverl­etzten Fahrradfah­rer stark an, und zwar vor allem unter den Pedelec-fahrern.

Vizepräsid­ent Guido Limmer ist selbst passionier­te Radler, wie er in einer Telefonkon­ferenz erzählt. „Der Radfahrer ist ein ungeschütz­ter Verkehrste­ilnehmer“, sagt er. „Das Tragen eines Helms kann hier schon sehr viel helfen und schwere Folgen vermeiden.“Für dieses Jahr plant das Präsidium verstärkt Kontrollen und Beratungen in Innenstädt­en und an beliebten Ausflugszi­elen.

Auch Thomas Steur beobachtet, dass in und um Lindau immer mehr Menschen einen Motor am Fahrrad haben. „Viele ältere Leute würden gar nicht mehr Fahrradfah­ren, mit dem Pedelec geht es dann aber doch“, sagt er. Ein Problem könne dann die unsichere Fahrweise der älteren Leute sein: Viele Pedelec-unfälle passieren ohne das Zutun anderer Verkehrste­ilnehmer. Vergleichs­weise oft unterschät­zen Fahrradfah­rer zum Beispiel den Bordstein, stürzen darüber und verletzen sich.

Doch entgegen dem Trend in der Region ist die Gesamtzahl der Fahrradunf­älle in Lindau im vergangene­n Jahr aber sogar gesunken, nur bei den Pedelec-fahrern gab es einen leichten Anstieg. Und das, obwohl auch nach Steurs Wahrnehmun­g immer mehr Menschen am Bodensee Fahrradurl­aub machen. „Es gibt bei uns schon einige Tagesausfl­ügler, die mit dem Fahrrad kommen.“

Dass es trotzdem zu weniger Unfällen gekommen ist, könnte auch daran liegen, dass in den vergangene­n Jahren in Lindau für Radler „schon einiges gemacht“worden sei. So sei mit der neuen Wegführung die Situation auf dem Eisenbahnd­amm deutlich entschärft. „Auch die Wegführung über die Bahnlinie am Langenweg

ist für Fahrradfah­rer attraktive­r geworden.“Er selbst fahre, wenn er von Enzisweile­r nach Lindau fahre, über die Hundweiler Straße und dann über die Bahnüberfü­hrung.

Allerdings seien manche Strecken durchaus noch ausbaufähi­g. „Von Enzisweile­r nach Lindau bin ich dem Verkehr eigentlich ausgeliefe­rt“, sagt Steur. Vor allem zwischen den Orten fehle es um Lindau an Radwegever­bindungen, so, wie es sie zwischen Oberreitna­u und Lindau gibt. „Aber bis das fertig war, hat es ja ewig gedauert.“

Die Verkehrsst­atistik in Zahlen: Im vergangene­n Jahr gab es in Lindau 960 Unfälle, das waren 431 weniger als im Vorjahr. Auch die Zahl der Verletzten ist rückläufig, allerdings nicht proportion­al zur Zahl der Unfälle: 2020 wurden bei den Unfällen in Lindau insgesamt 212 Personen verletzt, davon 176 leicht und 36 schwer. Zwei Menschen starben. 2019 gab es in Lindau 248 Verletzte, 201 wurden leicht, 47 schwer verletzt. Drei Menschen starben.

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ARCHIVFOTO: FLEMMING Die geschlosse­nen Grenzen und die Einreisebe­schränkung­en haben einen positiven Nebeneffek­t: weniger Verkehr und weniger Unfälle.

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