Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Der unterschät­zte Bruder

Simone Inzaghi macht bei Bayern-gegner Lazio Rom als Trainer Karriere

- Von Patrick Strasser

- Größer als Trainer-größen wie Carlo Ancelotti und Giovanni Trapattoni – das muss man erst mal schaffen. Simone Inzaghi, der Coach von Bayerns Champions-leaguegegn­er Lazio Rom am Dienstag (21 Uhr, Sky live), hat es geschafft. Durch das 1:0 am Wochenende gegen Sampdoria Genua erreichte Inzaghi die Marke von 100 Siegen als Trainer in der Serie A, er brauchte dafür 182 Spiele. Also mehr als Antonio Conte (145 Spiele), Maurizio Sarri (169) und Fabio Capello (180), die diesen Meilenstei­n schneller erreichten. Aber eben weniger als die Ex-bayern-trainer Ancelotti (185) und Trapattoni (187). Super! Bravissimo, Simone – feiern ihn die Italiener.

Und so tritt er einmal aus dem Schatten seines Bruders Filippo, besser bekannt als „Superpippo“oder: der stets auf der Abseitslin­ie tanzte, die „gleiche Höhe“aus Fleisch und Blut. Pippo Inzaghi war der Schrecken aller Torhüter im Allgemeine­n und im Speziellen der Alptraum von Oliver Kahn, der einst über ihn sagte, Inzaghi sei „der unangenehm­ste Stürmer“gewesen, gegen den er je gespielt habe, weil der ihn „immer am meisten genervt“habe – ob im Trikot von Juventus Turin oder dem AC Mailand. „Du wusstest nicht, ob er überhaupt mitgespiel­t hat, und am Ende stand auf der Anzeigetaf­el: ,1:0 und 2:0 Inzaghi'“, ärgert sich Kahn heute noch.

Simone (44) war ebenfalls Stürmer, nur längst nicht so kaltschnäu­zig und erfolgreic­h. Er kickte in Piacenza, war Edeljoker bei Lazio, wurde nach Bergamo und Genua verliehen. Insgesamt 13 Jahre in der Serie A, zehn davon in Rom – stets begleitet von chronische­n Rückenprob­lemen, daher nur drei Länderspie­le in der Squadra Azzurra. Sein Höhepunkt als Aktiver: die Meistersch­aft mit Lazio im Jahr 2000, errungen an der Seite von Juan Sebastián Verón und Pavel Nedved. Simone aber blieb stets: der kleine Bruder von Superpippo, der knapp drei Jahre älter ist. Der größte gemeinsame Bruder-erfolg: 2000 wurden die Inzaghis mit der italienisc­hen Nationalel­f unter Trainer Dino Zoff Vizeeuropa­meister.

Seit dem 3. April 2016 ist Simone Trainer der Laziali, zuvor arbeitete er dort als Jugendcoac­h, fing 2010 direkt nach Ende der aktiven Karriere an, insgesamt ist seit 1999 Inzaghi ununterbro­chen bei seinem Herzensver­ein. Zu den sieben Titeln als Stürmer fügte er als Trainer 2019 den Gewinn der „Coppa Italia“hinzu, holte 2017 und 2019 den italienisc­hen Supercup. Keiner der Lazio-vereinsges­chichte war erfolgreic­her – und bodenständ­iger. „Seit 20 Jahren parkt er sein Auto auf demselben Parkplatz in Formello (dem Lazio-trainingsg­elände, d. Red.)“, erzählt sein Vater Giancarlo, der die Spiele seiner Söhne immer mit einem Gläschen Likör und ein paar Zigaretten verfolgt. Superpippo trainiert nach Stationen beim AC Mailand, Venedig und Bologna aktuell Aufsteiger Benevento Calcio. Nicht so super.

Simone Inzaghi ist ein Verfechter des schnellen und vertikalen Spiels. Lazio spielt Umschaltfu­ßball à la Jürgen Klopp. Nicht lange den Ball haben. Erobern und kontern, zackzack. So will er den Bayern beikommen, die Heimserie im Olimpico von Rom (seit Mitte Dezember wurden sieben Pflichtspi­ele hintereina­nder gewonnen) ausbauen. Für seinen Bruder ist Simone „durch und durch Laziale“und die Symbiose zwischen Verein und seinem Bruder „ein Märchen“. Er hofft, dass Simone „Lazios Alex Ferguson“wird – ein ewiger Coach wie jener schottisch­e Sir einst bei Manchester United.

Der dynamische Spielstil der Laziali ist maßgeschne­idert für Stürmer Ciro Immobile (31), hierzuland­e bekannt als Gescheiter­ter, der Borussia Dortmund und Trainer Klopp nach nur einer Saison (2014/15) wieder verließ. In Italien erlebt Immobile, amtierende­r Torschütze­nkönig der Serie A, seinen x-ten Frühling. Miroslav Klose (42), heute Bayerns Co-trainer, hat nicht mehr mit Immobile gespielt. Nach vier Jahren bei Lazio ging er 2016, Immobile war sein Nachfolger.

Die Bayern wissen um die Torgefährl­ichkeit des Italieners, schließlic­h ließ er in der vergangene­n Saison selbst Weltfußbal­ler Robert Lewandowsk­i als Europas bester Torjäger hinter sich. Dennoch geht der Titelverte­idiger, der vor knapp zwei Wochen in Katar auch noch den Titel Club-weltmeiste­r eingeheims­t hat, als klarer Favorit in die Duelle gegen Lazio, das in der italienisc­hen Serie A aktuell Fünfter ist und erstmals seit 12 Jahren wieder in der Königsklas­se mitmischt. Dank des Titel-sixpacks mit breiter Brust gegen Lazio? Von wegen! Das 1:2 bei Eintracht Frankfurt hat die immer wiederkehr­enden Defizite aufgezeigt, zur Schläfrigk­eit bei Anpfiff kommen Unkonzentr­iertheiten. „Ich möchte, dass unsere Mannschaft von Anfang an da ist“, forderte Trainer Hansi Flick vor der Abreise und betonte: „Wir müssen gucken, dass wir möglichst in Topform sind. In der Champions League sind es besondere Spiele für uns und ich erwarte, dass die Mannschaft besonders motiviert ist.“

Doch, davon darf man ausgehen, auch Simone Inzaghi wird seine Mannschaft einmal mehr hervorrage­nd einstellen.

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FOTO: IANTONELLO SAMMARCO/IMAGO IMAGES Einst als Stürmer im Schatten seines Bruders Filippo, als Lazio-trainer aber seit 2016 erfolgreic­h: Simone Inzaghi

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