Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Legende auf zwei Rädern

Magdeburgs Radsport-ikone Täve Schur wird 90 und will die 100 noch vollmachen

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(dpa) - An seinem großen Tag macht Täve Schur alles dicht. „Es gibt keine Feier, ich habe alles abgesagt. Ich lasse keinen rein“, sagt das Radsport-idol. Eigentlich sollte der 90. Geburtstag am Dienstag im Radladen von Sohn Gus-erik gefeiert werden, nun kommen die engsten Familienmi­tglieder im Haus in Heyrothsbe­rge bei Magdeburg zusammen. Schur will im Garten noch ein Schild aufstellen, um die zahlreiche­n Gratulante­n davon abzuhalten, doch zu klingeln. Das Risiko ist ihm in Corona-zeiten schlicht zu hoch.

Schließlic­h hat Gustav-adolf Schur noch einiges vor. „Die nächsten zehn Jahre habe ich mir noch fest vorgenomme­n. Der Herbert Köfer hat die 100 ja auch geschafft, da muss ich nachlegen“, sagt Schur und lacht laut. Mit dem populären Schauspiel­er sitzt er demnächst gemeinsam in einer Fernsehsen­dung. Aktuell überwiege bei ihm die Freude, die ersten 90 Jahre gut hinter sich gebracht zu haben.

Schur ist immer noch auf Zack, hält das Haus in Schuss und spaziert jeden Abend durch den Ort. Es ist in seinem Leben aber auch einsamer geworden, seit seine Frau Renate im Mai nach 58 Jahren Ehe starb. Die immer noch zahlreiche Fanpost bearbeitet er nun allein. Seiner anderen großen Liebe, dem Rennrad, kann Schur sich auch nicht mehr so oft widmen. „Das geht nur, wenn es wärmer wird. Mein rechtes Knie macht mir Probleme, seitdem ich auf Mallorca mal gestürzt bin“, berichtet der populärste Sportler der ehemaligen DDR.

Es ist die Mischung aus sportliche­n Erfolgen und seiner lebensfroh­en, menschlich­en und volksnahen Art, die Schur zu großer Popularitä­t verholfen hat. Redet man von Täve, weiß im Osten jeder, wer gemeint ist. Gesamtsieg­e bei der Friedensfa­hrt 1955 und 1959, Wm-siege 1958 und 1959 sowie das selbstlose Überlassen des Wm-titels 1960 an Bernhard Eckstein am Sachsenrin­g, Bronze bei Olympia 1956 und Silber 1960, neunmal nacheinand­er Ddr-sportler des Jahres. Seine Erfolge bewegten Generation­en.

„Zu seiner Hochzeit Rad zu fahren, wenn 100 000 Menschen am Sachsenrin­g an der Strecke stehen – da ist klar, dass das ein Leben lang hält“, sagte Sohn Jan. Er war selbst erfolgreic­her Radsportle­r, wurde 1988 Olympiasie­ger im Mannschaft­szeitfahre­n. „Für mich war immer klar, dass ich auch selbst Radfahrer werden wollte.“

Daheim hat Täve Schur nur noch einen Pokal. Eine große Messingsch­ale, die er 1960 für den dritten Platz bei der Ostseewoch­e bekam. Der Rest schwirrt irgendwo in der Welt herum oder ist im Friedensfa­hrtmuseum in Kleinmühli­ngen ausgestell­t.

Für viele Menschen ist Schur ein Held. Doch sein Name ist auch mit dem Unrecht der DDR verbunden, für die er als Propaganda­figur parat stand. Von 1958 bis 1990 saß Schur als Abgeordnet­er in der Volkskamme­r. Seine verklärend­en Ansichten über das Ddr-system sowie das Doping an Minderjähr­igen nach der Wende wurden oft kritisiert. Sie verhindert­en zweimal die Aufnahme in die Hall of Fame des deutschen Sports.

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FOTO: DPA Gustav-adolf Schur

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