Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Extremismus und Amtshilfe
Die Wehrbeauftragte beschäftigt sich mit Altbekanntem und dem Afghanistan-einsatz
- Es ist ein Ritual – und für die Bundeswehr meist unerfreulich. Dass der jährliche Wehrbeauftragten-bericht „immer auch ein Mängelbericht“ist, räumt Eva Högl (SPD) gleich zu Beginn ihrer Präsentation am Dienstag ein. Für die seit Mai amtierende Wehrbeauftragte ist es das erste Mal; viele der Probleme sind allerdings altbekannt.
Rechte Umtriebe im KSK
Das Kommando Spezialkräfte (KSK) ist eigentlich die Eliteeinheit der Bundeswehr, ausgebildet für geheime und gefährliche Einsätze. Sie geriet wegen rechter Umtriebe derart in Verruf, dass Verteidigungsministerin Annegret Kramp-karrenbauer (CDU) sich persönlich einschaltete und die besonders aufgefallene zweite Kompanie auflöste. Seither ist das KSK auf Bewährung; Komplettauflösung nicht ausgeschlossen. Jetzt sorgen neue Vorwürfe für Wirbel: Ksksoldaten sollen vergangenes Jahr die Möglichkeit erhalten haben, unerlaubt gehortete oder womöglich auch gestohlene Munition anonym in Kisten einzuwerfen und so straffrei zurückzugeben. Verantwortlich dafür ist demnach der Kommandeur Markus Kreitmayr persönlich. Inzwischen steht die Frage im Raum, was im Ministerium von der Amnestieaktion bekannt war. Högl hält die Angelegenheit für „erklärungsbedürftig“– und zwar von „allen Beteiligten vom Kommandeur bis hin zur Bundesministerin“. Der Fdp-verteidigungsexperte Marcus Faber hat bereits „erhebliche Zweifel daran, dass das KSK zur eigenverantwortlichen Arbeit gegen Extremismus fähig ist“.
Corona-hilfen und -Sorgen
Die Pandemie ist auch für die Bundeswehr derzeit „das alles überragende Thema“. Die Truppe startete die größte Amtshilfe ihrer Geschichte, was den Soldaten einerseits viel Anerkennung beschert, andererseits zunehmend Probleme bereitet. Der zuständige Inspekteur Martin Schelleis schlug bereits Anfang des Monats Alarm: Die Unterstützung von Gesundheitsämtern, Impfzentren oder Altenheimen mit beinahe 20 000 Soldaten dürfe „nicht selbstverständlich werden“. Hauptaufgabe der Streitkräfte sei es immer noch, die Sicherheit des Landes zu gewährleisten. Schon jetzt seien Grundausbildung und Übungen durch die Amtshilfe eingeschränkt. Wie hoch die Belastung durch die Pandemie sei, zeigt sich nach Angaben von Högl auch darin, dass sich fast 500 von knapp 2800 persönlichen Soldaten-eingaben auf Covid-19 bezogen.
Rüstungsmängel und Beschaffungsprobleme
Der Bereich gehört zu den hartnäckigsten Problemzonen der Bundeswehr; ein „bleibendes Ärgernis“, wie Högl es formuliert. Wie in den Jahren zuvor habe sich „die Einsatzbereitschaft von relevantem Großgerät insgesamt auf einem niedrigen Niveau eingependelt“. Bei den 69 Hauptwaffensystemen liegt sie nach dem jüngsten Bericht des Verteidigungsministeriums
bei 74 Prozent. Soldatenvertreter halten allerdings auch diese Zahl noch für zu hoch. „Das darf nicht so bleiben“, moniert Högl, auch, weil fehlende oder fehlerhafte Ausrüstung negativ auf die Motivation der Soldaten durchschlage – und die Bundeswehr als Arbeitgeber unattraktiv mache. Zuletzt sorgten die fehlgeschlagenen Beschaffungsverfahren für einen neuen Transporthubschrauber sowie für ein neues Sturmgewehr für Ärger. Manche Beschaffung scheitert allerdings auch an politischen Widerständen: So verweigert sich der Koalitionspartner SPD bislang dem
Kauf von bewaffneten Drohnen. Die Sozialdemokratin Högl hält diese dagegen für „absolut erforderlich“und „bedauert“es ausdrücklich, dass die SPD darüber lieber noch länger diskutieren will.
Afghanistan-einsatz ohne absehbares Ende
Am heutigen Mittwoch soll das Kabinett das neue Mandat für den nun schon fast 20-jährigen Einsatz beschließen. Das alte läuft Ende März aus – und damit ist das Timing diesmal äußerst ungünstig. Denn welche Strategie und vor allem welche Zeitpläne der neue Us-präsident Joe Biden
und seine Regierung am Hindukusch verfolgen, ist noch nicht klar. Die Nato-verteidigungsminister hatten daher vor einigen Tagen ihre Entscheidung über den eigentlich für dieses Frühjahr vorgesehenen Abzug verschoben. Die Bundeswehr muss sich also ebenfalls auf einen verlängerten Einsatz vorbereiten. Der dürfte nach Einschätzung auch von Kramp-karrenbauer womöglich sogar wieder gefährlicher werden. Högl fordert deswegen für den Afghanistan-einsatz nicht nur „eine klare Perspektive, wie es weitergeht“, sondern auch, „dass die Sicherheit gewährleistet ist“.