Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Es wird anstrengen­d für die Landwirte

Insektensc­hutz, Tierwohl, Billigprei­se – Viele Bauern sind sauer über die Vorgaben – Kanzlerin Merkel im Austausch mit Branchenve­rbänden

- Von Sascha Meyer

(dpa) - Mit dem Ende des Winters geht es für die Landwirte wieder ans Bestellen der Felder. Auf der politische­n Bühne wird die Zeit bis zur Bundestags­wahl am 26. September aber langsam knapp, um mehrere umkämpfte Themen zu beackern. Gerade rumort es bei vielen Bauern wegen geplanter strengerer Vorgaben zum Schutz von Insekten. Auch im Ringen um mehr Tierschutz in den Ställen samt einer sicheren Finanzieru­ng für die Höfe stehen noch Klärungen an. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) lud deshalb gut ein Jahr nach einem ersten „Agrargipfe­l“für Dienstag erneut zum direkten Austausch mit Branchenve­rbänden.

Unter Landwirten hat sich einiges aufgestaut. „Es braucht jetzt eine Umkehr. Die Verbotspol­itik der Bundesregi­erung gefährdet unsere Landwirtsc­haft“, sagte Bauernpräs­ident Joachim Rukwied vor der abendliche­n Videokonfe­renz mit Merkel und Agrarminis­terin Julia

Klöckner (CDU). Die geplanten Einschnitt­e des Insektensc­hutzpakets gingen einseitig zulasten der Bauern, dafür brauche es Ausgleich.

Das Kabinett hatte die Pläne kürzlich auf den Weg gebracht. Der Gesetzentw­urf von Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD) zielt darauf, Biotope wie Streuobstw­iesen und artenreich­es Grünland als Lebensräum­e für Insekten zu erhalten. Eine Verordnung des Agrarminis­teriums soll Einschränk­ungen des Pflanzensc­hutzmittel-einsatzes in Schutzgebi­eten

regeln. Ausnahmen von einem Verbot soll es zum Beispiel für Obst- und Gemüsebau geben. Der Einsatz des umstritten­en Unkrautgif­ts Glyphosat soll generell stark eingeschrä­nkt und Ende 2023 ganz verboten werden.

Die Pläne haben auch in Teilen der Union Unmut ausgelöst. Viele Bauern sind sauer über die nächsten Vorgaben, nachdem im vergangene­n Jahr bereits Düngeregel­n nochmals verschärft worden waren. Der erneute Gesprächst­ermin mit Merkel solle denn „auch einmal mehr die hohe Wertschätz­ung“für die tägliche Arbeit der Bäuerinnen und Bauern unterstrei­chen, signalisie­rte die Regierung vorab. An der Schalte teilnehmen sollten 30 Verbände auf Bundesund Landeseben­e – von konvention­ellen Bauern und Biobranche, Winzern und Waldbesitz­ern. Aber auch Umwelt- und Tierschütz­er dringen auf Entscheidu­ngen. Der Tierschutz­bund warnte am Dienstag davor, einen nötigen Systemumba­u der Tierhaltun­g bis nach der Wahl zu schieben. Ein Überblick über weitere umkämpfte Felder, Klärung bis zur Wahl teils offen:

Zoff um Billigprei­se: Mit dem Handel liefern sich Landwirte einen heftigen Streit. Es geht um Schranken gegen ständigen Preisdruck und Billigange­bote für Fleisch und Wurst. Die Bauern fordern mehr von den Erlösen für sich. Klöckner will unfaire Geschäftsp­raktiken zulasten kleinerer Lebensmitt­ellieferan­ten gesetzlich unterbinde­n. Die großen Supermarkt­ketten beschwerte­n sich in der Sache schon bei Merkel.

Agrar-konsens: Nach jahrelange­m Streit über die Landwirtsc­haft soll eine Regierungs­kommission einen neuen Versuch für einen Konsens machen. Merkel hatte sie beim Agrargipfe­l Ende 2019 vorgeschla­gen. Das Gremium mit Vertretern von Bauern, Handel und Ernährungs­branche, Verbrauche­r-, Umwelt-, Tierschütz­ern sowie Wissenscha­ftlern startete im Herbst. Ein Abschlussb­ericht soll im Frühsommer 2021 da sein.

Tierwohl: Eine andere Kommission hat ein Konzept für deutlich mehr Tierschutz in den Ställen vorgelegt – samt Finanzieru­ng, damit Bauern nicht auf Milliarden-investitio­nen in bessere Ställe sitzen bleiben. Im Gespräch ist ein Preisaufsc­hlag von 40 Cent pro Kilogramm Fleisch und Wurst. Für ein lange geplantes Tierwohlke­nnzeichen für Fleisch aus besserer Haltung hat das Kabinett im September 2019 einen Entwurf von Klöckner beschlosse­n – seitdem steckt der aber im Bundestag fest.

Eu-agrarmilli­arden: Wie genau die künftige Eu-agrarfinan­zierung in Deutschlan­d umgesetzt werden soll, ist noch umstritten. Klöckner dringt auf eine zügige Verständig­ung zwischen Bund und Ländern für die Umsetzung in nationalen „Strategiep­länen“– und betont, dass eine nie da gewesene Verbindlic­hkeit von Umweltvorg­aben für die Zahlungen aus Brüssel kommen werde. Es werde anstrengen­d für die Landwirte, aber Umweltleis­tungen sollten ihnen auch honoriert werden.

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FOTO: HAUKE-CHRISTIAN DITTRICH/DPA Gülle ausbringen: Viele Bauern sind sauer über weitere Vorgaben, nachdem im vergangene­n Jahr bereits die Düngeregel­n nochmals verschärft wurden.

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