Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
So wehren sich Frauen gegen Gewalttäter
Kommissarin gibt Tipps – Wer sich einschüchtern lässt, wird leichter Opfer
- Nach dem mutmaßlichen Raubmord am Ravensburger Bahnhof fühlen sich viele Frauen noch unsicherer, wenn sie allein unterwegs sind. Wie berichtet, soll eine 15-Jährige eine 62-jährige Frau, die abends auf dem Heimweg von der Arbeit zur Bushaltestelle war, auf dem Bahnhofsvorplatz erstochen haben, um an ihre Handtasche zu kommen. Meist sind die Täter jedoch Männer. Wie sich Frauen vor (sexualisierter) Gewalt schützen und Gefahrensituationen vermeiden können, schilderte Kriminaloberkommissarin Sigrid Blenke von der Abteilung Kriminalprävention des Polizeipräsidiums Ravensburg in einem spannenden Online-vortrag der Ravensburger Volkshochschule.
Eine Botschaft stellte die 47-Jährige in den Vordergrund: Keine Frau trage selbst Schuld oder Mitschuld, wenn sie Opfer einer Vergewaltigung oder sexueller Belästigung wird. Viele hätten leider das Gefühl, durch ihr Verhalten oder ihre Kleidung den Täter ermutigt zu haben. Daher würden manche Vergehen gar nicht angezeigt – aus Scham. Besonders dann, wenn der Täter ein Verwandter, Bekannter oder Kollege sei. „Die Dunkelziffer in dem Bereich ist hoch.“Gleichwohl hätte die Me-too-debatte, die in den USA 2017 eine breite Diskussion über sexuelle Belästigung ausgelöst hatte, auch in Deutschland Früchte getragen: „Frauen sind selbstbewusster geworden und lassen sich nicht mehr so viel gefallen wie früher“, weiß Blenke aus ihrem beruflichen Alltag, in dem sie sich auch jahrelang mit organisierter Kriminalität und zuletzt besonders dem Rotlichtmilieu beschäftigt hat.
Was kann eine Frau tun, wenn sie nachts allein auf dem Weg zum Bahnhof, Busbahnhof oder zum am Stadtrand
geparkten Auto ist? Zunächst mal: keine Kopfhörer tragen. Musik oder Podcasts lenken die Aufmerksamkeit ab, Verfolger werden nicht oder zu spät erkannt. Frauen sollten möglichst hell beleuchtete, gerade Strecken wählen, die auch auf eine gewisse Distanz gut einsehbar sind. Im Idealfall sucht man sich einen vertrauenswürdigen Begleiter und fragt, ob er oder sie nach einer Feier beispielsweise mit zum Parkplatz kommt. Ein weiterer Tipp: Auf dem Weg telefonieren oder wenigstens ein Telefonat vortäuschen. So denken potenzielle Angreifer, dass die Frau schnell Hilfe holen kann.
Wer sich unsicher fühlt, wenn zwielichtige Gestalten in der Nähe sind, sollte auf Abstand gehen, also die Straßenseite wechseln oder einen Umweg gehen. Zur Not auch zurück ins Restaurant, aus dem man gekommen ist, und dort ausnahmsweise ein Taxi rufen. Unbedingt sollten Frauen dabei auf ihr Bauchgefühl hören.
Wenn es doch zu einer unangenehmen Anmach- oder sogar Grabschsituation komme, sei es wichtig, dass Frauen selbstbewusst und laut auftreten. Schreien lasse sich beispielsweise im Wald üben. „Täter wollen keine lauten Geräusche, sondern verschüchterte, leise Opfer.“Man sollte die Angreifer zudem immer siezen, damit Zeugen nicht glauben, es handele sich um einen Beziehungsstreit.
Wer sich abends in Bus oder Bahn unwohl fühlt, sollte sich möglichst in die Nähe des Fahrers oder einer vertrauenswürdigen Person setzen und auch da auf sein Bauchgefühl hören. Keinesfalls empfiehlt die Kommissarin Waffen zur Selbstverteidigung. „Es kann sein, dass dadurch der Angreifer noch aggressiver wird, einem die Waffe abnimmt und gegen einen selbst einsetzt“, weiß Blenke. Auch für hinzugerufene Polizisten sei es dann schwierig, Täter und Opfer auseinanderzuhalten. Pfefferspray bringe meist nichts, maximal gegen Tiere. „Wenn man etwas mitnehmen möchte, empfehlen wir einen Schrillalarm.“Einmal ausgelöst, sei das Gerät gar nicht so einfach wieder auszuschalten und vertreibe Täter in der Regel.
In einer Notsituation sollten Passanten oder andere Zeugen unbedingt einbezogen werden, am besten mit klaren Anweisungen wie „Sie rufen jetzt die Polizei“. Körperlich einschreiten sollten Zeugen aber nur, wenn sie in der Mehrheit sind. Wer allein gegen eine größere Gruppe antrete, riskiere, selbst verletzt zu werden.