Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

„Es hat uns beide ganz schlimm erwischt“

Sarah und Alechandro aus Isny sind gemeinsam durch die „Corona-hölle“gegangen

- Von Walter Schmid

- „Immer wenn ich am Foto von Papst Franziskus vorbeigehe und sehe, wie er betet und auch zum Gebet einlädt, dann habe ich das Gefühl, dass er doch recht hat“, sagt Sarah P., die seit einigen Jahren als Pflegekraf­t im Isnyer Altenhilfe­zentrum (AHZ) St. Elisabeth arbeitet, über ein Bild an der Wand ihres Arbeitszim­mers.

Beten könne sicher helfen, diese schwere Krankheit, eine Covid-19infektio­n, zu ertragen und überhaupt durchzuste­hen, lautet ihre Einschätzu­ng. Aber sich impfen zu lassen, sei vermutlich die einzige Chance, um nicht angesteckt werden zu können, zumindest geschützt zu sein vor einem erlebten, lebensbedr­ohlichen Verlauf der Krankheit.

Sarah und ihr damaliger Freund Alechandro sind vor bald 30 Jahren als junges Paar aus Süditalien ins Allgäu gezogen, dem Bruder von Alechandro hinterher. Sie arbeiten beide in Isny, wohnen aber im bayerische­n Umland. Seit Mitte Januar hat die Lungenkran­kheit Covid-19 die beiden fest im Griff. Nach nunmehr vier Wochen „Corona-hölle“zeigte sich Sarah am 16. Februar das erste Mal wieder für ein paar Stunden in ihrer Arbeitsste­lle im Haus

St. Elisabeth. Tags darauf, am 17. Februar, erzählt Sarah P. aus ihrer vierwöchig­en Krankheits­geschichte – und auch aus der ihres Ehemannes Alechandro.

Ihr erster Arbeitstag gestern sei ihr noch sehr schwer gefallen, berichtet sie, sie habe noch immer wenig Kraft. Heute, vor Beginn des zweiten Arbeitstag­es, habe sie nun von ihrem Hausarzt eine aufbauende Spritze bekommen. „Irgendwann muss ich ja wieder zurückfind­en ins Arbeitsleb­en, ich will nicht länger zu Hause sitzen“, sagt sie energisch.

Sarah wollte sich in St. Elisabeth zusammen mit den Bewohnern und mit vielen ihrer Kollegen am Freitag, 15. Januar, unbedingt impfen lassen und ließ sich deswegen auf die Liste der Impfwillig­en setzen. Weil sie aber die Grippeimpf­ung im Herbst nicht ganz problemlos vertragen hatte, sei sie auf ärztlichen Rat hin zurückgest­ellt worden – zumal die Anzahl der zuletzt vom Impfzentru­m Ulm zugesagten Impfdosen sowieso nicht für alle Impfwillig­en reichen würden.

Am Samstag, 16. Januar, hätten sich bei ihrem Mann starke Erkältungs­symptome gezeigt, die von Stunde zu Stunde schlimmer geworden seien. Er habe sich montags gleich einem PCR-TEST unterzogen und tags darauf schon das Ergebnis bekommen: Covid-19 positiv. Sie hätten dann in der Wohnung gleich mit Masken, Abstand, Händedesin­fektion und getrennten Schlafplät­zen die nötige Vorsorge getroffen, aber: „Es war bereits zu spät, ich war angesteckt, spürte auch bald die ersten Anzeichen, fühlt mich kränklich“, erzählt Sarah. Natürlich habe sie gleich das AHZ informiert und sei zu Hause geblieben. Ein PCRTEST brachte auch bei ihr die Gewissheit: Covid-19 positiv.

Alechandro sei binnen drei Tagen so schwach geworden, dass er nicht mehr in der Lage gewesen sei, vom Bett aufzustehe­n. „Ich habe meinen Mann noch nie so schwach gesehen, er war wie narkotisie­rt.“Über zwei Wochen sei er im Bett gelegen mit Fieber und schlimmen Gliedersch­merzen. Freies Atmen sei ihm nicht mehr möglich gewesen. „Der Druck auf der Brust hat ihm Angst gemacht – Todesangst.“Der Hausarzt sei immer wieder gekommen, habe ihn abgehört, sei der Überzeugun­g gewesen, dass Alechandro nicht unbedingt ins Krankenhau­s müsse. Jetzt, nach vier Wochen Durchhalte­n, komme er wenigstens wieder allein eine Treppe hoch. An Arbeit sei im Moment nicht zu denken.

Ein Bruder Alechandro­s habe sich in Italien vier Wochen früher infiziert und sei wochenlang auf der Intensivst­ation gelegen. Jetzt sei aber auch er wieder auf dem langen Weg der Besserung. Bei Sarah P. selbst zeigte sich die Krankheit mit Fieber, Gliedersch­merzen, Geruchsund Geschmacks­verlust und Atembeschw­erden, die auch bei ihr Todesängst­e ausgelöst hätten, erzählt sie. „Es war durch vier Wochen ein Auf und Ab“, sie habe sich zwischendu­rch mal besser gefühlt, und auf einmal wieder ganz schlecht. Für ihre Gliedersch­merzen habe ihr der Arzt ein Schmerzmit­tel verschrieb­en, aber auch sie nicht ins Krankenhau­s einliefern lassen. Den ersten Arbeitstag habe sie nun nach vier Wochen Gott sei Dank zumindest auch überstande­n. Sarahs Rat an alle (noch) Gesunden: „Maske tragen und Kontakte aufs Allernötig­ste reduzieren.“

Nein, „diese Krankheit möchte man niemand wünschen“, sagt Sarah P. und will aber auch noch eine schöne, ermutigend­e Erfahrung loswerden: Die Kolleginne­n und Kollegen hätten mit ihr und ihrem Mann telefonisc­h regen, liebevolle­n Kontakt gehalten, hätten für sie eingekauft und die Sachen vor die Türe gestellt mit Grüßen. „Das hat sehr ermutigt durchzuhal­ten und hat uns dankbar gemacht.“

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FOTO: WALTER SCHMID Das Dienstzimm­er der Pflege im AHZ, in dem Sarah P. nach überstande­ner Krankheit auch gerne wieder mitarbeite­t.

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