Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Ein weiterer Aufreger für die Gastronomen
Gaststättenerlaubnis könnte erlöschen – Stadt schickt 75 Informationsschreiben raus – Ein Schildbürgerstreich?
- Markus Hägele, Betreiber des Gasthauses „Am Eck“in Reute, ist verärgert und enttäuscht zugleich. Coronabedingt darf er seit geraumer Zeit keine Gäste empfangen und kann kein Geld verdienen. Und nun droht ihm auch noch, dass seine Gaststättenerlaubnis erlischt. Es gleicht einem Schildbürgerstreich. Die Stadt wollte mit einem Informationsschreiben helfen.
Zum Verständnis: Am Donnerstag hat Hägele Post von der städtischen Abteilung Gaststättenbehörde des Fachbereichs Sicherheit, Ordnung, Soziales erhalten. Das Schreiben, das der SZ vorliegt, trägt den Titel „Wichtige Information: Erlöschen der Gaststättenerlaubnis nach einem Jahr Betriebsschließung“. Im Weiteren wird dem Gastronom erklärt, dass manche Betriebe coronabedingt seit 18. März durchgehend geschlossen sind und „nach Paragraf 8 Gaststättengesetz die gaststättenrechtliche Erlaubnis erlischt, wenn der Inhaber den Betrieb ein Jahr lang nicht ausgeübt hat.“Wie die Stadt in dem Brief mitteilt, habe das Wirtschaftsministerium darüber informiert, dass dies auch bei coronabedingten Betriebsschließungen gelte. Wer zwischendurch – wenn auch nur kurz – geöffnet hatte, für den läuft die Frist von neuem ab. Wer ununterbochen geschlossen hatte, könne die Jahresfrist um ein Jahr verlängern. Eine Rückmeldung werde bis Montag erwartet.
Überrumpelt kam sich Hägele beim Lesen der Nachricht vor. „Ich war enttäuscht. Ich habe mich schließlich nicht selbstverschuldet in diese Situation gebracht sondern wegen staatlichen Anordnungen nicht öffnen dürfen. Es ist mega ärgerlich. Da werden einem erst 50 Prozent des Lebens einfach weg radiert und dann so was“, schildert der Teilselbständige, der außerdem als Schul-hausmeister tätig ist, seine Enttäuschung über Landes- und Bundespolitik.
Und so kommt der Brief in Zeiten, in denen „das Geschäftskonto wie ein Eisberg dahin schmilzt“und keine Soforthilfen an ihn ausgezahlt werden, zur Unzeit. Der bürokratische Akt löst Unverständnis bei dem 35-Jährigen aus, ebenso wie die kurzfristige Reaktionszeit von gerade einmal fünf Tagen – inklusive Wochenende. „Diese Sache ist so frustrierend, weil es nicht mehr nachvollziehbar ist“, erklärt Hägele.
Gleichwohl griff Hägele am Freitag zum Telefon und teilte der Behörde mit, dass er nach dem ersten Lockdown bis Ende Oktober geöffnet hatte. Damit erlischt seine Gaststättenerlaubnis nicht und die Sache ist vom Tisch. „Es ist trotzdem frustrierend“, betont der Gastwirt auch mit Blick auf die voraussichtlich noch Wochen andauernde Schließung seiner Gaststätte. Und so hofft der junge Gastronom – auch für seine Kollegen – auf einen zeitnahen Masterplan zur Wiederöffnung und eine Verbesserung der Allgemeinsituation. „Denn wir Gastronomen kämpfen ums Überleben“, findet Hägele klare Worte und möchte mit seinem Schritt an die Öffentlichkeit auch Druck auf das politische Berlin ausüben, damit derartige Schildbürgerstreiche sich nicht wiederholen und den Gastronomen unnötige bürokratische Arbeit erspart bleibt.
Doch nicht nur Hägele hat Post von der Stadt erhalten. Alle Gastronomen, an der Zahl 75, wurden informiert, wie die Stadtverwaltung berichtet. Dabei können die Verantwortlichen den Ärger der Wirte gut verstehen, wie Rathaussprecherin Brigitte Göppel mitteilt: „Selbstverständlich können wir nachvollziehen, dass sie in der aktuellen Situation ganz besonders unter den einschränkenden Vorgaben leiden. Wir wollten die Wirte mit diesem Informationsschreiben sicher nicht ärgern, im Gegenteil, wir sehen das Schreiben als Unterstützung, um zu verhindern, dass die Löschfrist greift. Um diese Meldung so formlos wie möglich zu ermöglichen, haben wir im Schreiben als Rückmeldung bewusst einen unbürokratischen Anruf oder eine Mail angeboten.“
Bleibt noch die Frage nach der kurzen Reaktionszeit zu beantworten. Hierzu lässt Göppel wissen, dass unmittelbar nach dem Erhalt der rechtlichen Einschätzung des Landes alle Wirte in Bad Waldsee angeschrieben wurden, „um sicherzustellen, dass alle wissen, dass die Löschfrist der Erlaubnis trotz Pandemie beim Aussetzen des Gaststättenbetriebs greift und sie die Möglichkeit haben, sich rechtzeitig zu melden“. Diese Jahresfrist läuft für Wirte, die seit Beginn des ersten Lockdowns geschlossen haben, am 16. März ab. Die Eile war also ein Gebot der Stunde.