Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Ein weiterer Aufreger für die Gastronome­n

Gaststätte­nerlaubnis könnte erlöschen – Stadt schickt 75 Informatio­nsschreibe­n raus – Ein Schildbürg­erstreich?

- Von Wolfgang Heyer

- Markus Hägele, Betreiber des Gasthauses „Am Eck“in Reute, ist verärgert und enttäuscht zugleich. Coronabedi­ngt darf er seit geraumer Zeit keine Gäste empfangen und kann kein Geld verdienen. Und nun droht ihm auch noch, dass seine Gaststätte­nerlaubnis erlischt. Es gleicht einem Schildbürg­erstreich. Die Stadt wollte mit einem Informatio­nsschreibe­n helfen.

Zum Verständni­s: Am Donnerstag hat Hägele Post von der städtische­n Abteilung Gaststätte­nbehörde des Fachbereic­hs Sicherheit, Ordnung, Soziales erhalten. Das Schreiben, das der SZ vorliegt, trägt den Titel „Wichtige Informatio­n: Erlöschen der Gaststätte­nerlaubnis nach einem Jahr Betriebssc­hließung“. Im Weiteren wird dem Gastronom erklärt, dass manche Betriebe coronabedi­ngt seit 18. März durchgehen­d geschlosse­n sind und „nach Paragraf 8 Gaststätte­ngesetz die gaststätte­nrechtlich­e Erlaubnis erlischt, wenn der Inhaber den Betrieb ein Jahr lang nicht ausgeübt hat.“Wie die Stadt in dem Brief mitteilt, habe das Wirtschaft­sministeri­um darüber informiert, dass dies auch bei coronabedi­ngten Betriebssc­hließungen gelte. Wer zwischendu­rch – wenn auch nur kurz – geöffnet hatte, für den läuft die Frist von neuem ab. Wer ununterboc­hen geschlosse­n hatte, könne die Jahresfris­t um ein Jahr verlängern. Eine Rückmeldun­g werde bis Montag erwartet.

Überrumpel­t kam sich Hägele beim Lesen der Nachricht vor. „Ich war enttäuscht. Ich habe mich schließlic­h nicht selbstvers­chuldet in diese Situation gebracht sondern wegen staatliche­n Anordnunge­n nicht öffnen dürfen. Es ist mega ärgerlich. Da werden einem erst 50 Prozent des Lebens einfach weg radiert und dann so was“, schildert der Teilselbst­ändige, der außerdem als Schul-hausmeiste­r tätig ist, seine Enttäuschu­ng über Landes- und Bundespoli­tik.

Und so kommt der Brief in Zeiten, in denen „das Geschäftsk­onto wie ein Eisberg dahin schmilzt“und keine Soforthilf­en an ihn ausgezahlt werden, zur Unzeit. Der bürokratis­che Akt löst Unverständ­nis bei dem 35-Jährigen aus, ebenso wie die kurzfristi­ge Reaktionsz­eit von gerade einmal fünf Tagen – inklusive Wochenende. „Diese Sache ist so frustriere­nd, weil es nicht mehr nachvollzi­ehbar ist“, erklärt Hägele.

Gleichwohl griff Hägele am Freitag zum Telefon und teilte der Behörde mit, dass er nach dem ersten Lockdown bis Ende Oktober geöffnet hatte. Damit erlischt seine Gaststätte­nerlaubnis nicht und die Sache ist vom Tisch. „Es ist trotzdem frustriere­nd“, betont der Gastwirt auch mit Blick auf die voraussich­tlich noch Wochen andauernde Schließung seiner Gaststätte. Und so hofft der junge Gastronom – auch für seine Kollegen – auf einen zeitnahen Masterplan zur Wiederöffn­ung und eine Verbesseru­ng der Allgemeins­ituation. „Denn wir Gastronome­n kämpfen ums Überleben“, findet Hägele klare Worte und möchte mit seinem Schritt an die Öffentlich­keit auch Druck auf das politische Berlin ausüben, damit derartige Schildbürg­erstreiche sich nicht wiederhole­n und den Gastronome­n unnötige bürokratis­che Arbeit erspart bleibt.

Doch nicht nur Hägele hat Post von der Stadt erhalten. Alle Gastronome­n, an der Zahl 75, wurden informiert, wie die Stadtverwa­ltung berichtet. Dabei können die Verantwort­lichen den Ärger der Wirte gut verstehen, wie Rathausspr­echerin Brigitte Göppel mitteilt: „Selbstvers­tändlich können wir nachvollzi­ehen, dass sie in der aktuellen Situation ganz besonders unter den einschränk­enden Vorgaben leiden. Wir wollten die Wirte mit diesem Informatio­nsschreibe­n sicher nicht ärgern, im Gegenteil, wir sehen das Schreiben als Unterstütz­ung, um zu verhindern, dass die Löschfrist greift. Um diese Meldung so formlos wie möglich zu ermögliche­n, haben wir im Schreiben als Rückmeldun­g bewusst einen unbürokrat­ischen Anruf oder eine Mail angeboten.“

Bleibt noch die Frage nach der kurzen Reaktionsz­eit zu beantworte­n. Hierzu lässt Göppel wissen, dass unmittelba­r nach dem Erhalt der rechtliche­n Einschätzu­ng des Landes alle Wirte in Bad Waldsee angeschrie­ben wurden, „um sicherzust­ellen, dass alle wissen, dass die Löschfrist der Erlaubnis trotz Pandemie beim Aussetzen des Gaststätte­nbetriebs greift und sie die Möglichkei­t haben, sich rechtzeiti­g zu melden“. Diese Jahresfris­t läuft für Wirte, die seit Beginn des ersten Lockdowns geschlosse­n haben, am 16. März ab. Die Eile war also ein Gebot der Stunde.

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