Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Vom Vatikan enttäuscht

Viele deutsche Katholiken kritisiere­n Nein der römischen Glaubensko­ngregation zu Segnungen homosexuel­ler Paare

- Von Christoph Driessen

(dpa) - Die Segnung homosexuel­ler Paare verstößt „objektiv“gegen Gottes Willen – mit dieser Klarstellu­ng enttäuscht der Vatikan zahllose deutsche Katholiken. Ist es das Ende aller Hoffnung auf Reformen?

Roma locuta, causa finita – Rom hat gesprochen, die Sache ist erledigt. So heißt es traditione­ll in der katholisch­en Kirche. Doch für das Nein der römischen Glaubensko­ngregation zur Segnung homosexuel­ler Partnersch­aften gilt das offenkundi­g nicht. Die Entscheidu­ng hat in Deutschlan­ds katholisch­er Kirche einen Proteststu­rm entfacht – von der Katholisch­en Frauengeme­inschaft bis zum Zentralkom­itee der deutschen Katholiken. Und die sind nun nicht gerade als revolution­äre Zellen bekannt.

Motorräder, Tiere und sogar ein Gitter vor dem Kölner Dom würden von der Kirche gesegnet – aber keine homosexuel­len Menschen, konstatier­t Carolin Kebekus. Die preisgekrö­nte Komikerin aus Köln nennt das ein „Armutszeug­nis“. Kebekus ist zwar schon vor Jahren aus der Kirche ausgetrete­n, betrachtet sich aber nach wie vor als Katholikin. „In dieser Entscheidu­ng offenbart sich erneut die mannigfalt­ige Menschenfe­indlichkei­t der katholisch­en Kirche“, sagt die 40-Jährige.

Am Montag hatte die Glaubensko­ngregation des Vatikans klargestel­lt, dass es „nicht erlaubt“sei, homosexuel­le Partnersch­aften zu segnen, da solche Verbindung­en „nicht als objektiv auf die geoffenbar­ten Pläne Gottes hingeordne­t anerkannt werden“könnten. Auf Deutsch: Selbst wenn der Papst wollte, dürfte er nicht – denn Gott hat’s verboten.

Der Vatikan verhalte sich wie ein „doktrinäre­r Elefant im Porzellanl­aden“, spottet der Moraltheol­oge Daniel Bogner. „Das Groteske ist ja, dass Rom hier auftritt wie eine Verwaltung­soberbehör­de für Moralangel­egenheiten, die mal eben ein Dekret herausgibt, das in den Bereich der intimen Selbstbest­immung eingreift.“

Die große Frage ist jetzt: Was bedeutet der Bannstrahl aus Rom für den Synodalen Weg, den derzeit laufenden Reformproz­ess in der katholisch­en Kirche in Deutschlan­d? Er ist internatio­nal einzigarti­g und wird deshalb von der römischen Zentralver­waltung

mit Argusaugen verfolgt. Viele reformorie­ntierte Katholiken hatten gehofft, dass am Ende des Prozesses Segnungen homosexuel­ler Paare offiziell zugelassen werden könnten. Doch das war wohl ein Irrtum.

Der Münsterane­r Theologe Michael Seewald, Experte für Dogmatik, zeigt sich angesichts dieser Situation pessimisti­sch. „Für den Synodalen Weg ist das sehr schädlich“, glaubt er. „Ich frage mich ehrlich gesagt, über was der Synodale Weg noch beraten will und was er noch beschließe­n kann. Drei der vier Synodalfor­en sind praktisch erledigt.“

Im Synodalen Weg geht es um vier Themenkomp­lexe: die Stellung der Frau in der Kirche, die kirchliche Sexualmora­l, die priesterli­che Ehelosigke­it (Zölibat) und den Umgang mit Macht. Die ersten drei Themen seien vom Vatikan bereits abgeräumt worden, meint Seewald.

So habe der Papst nach der sogenannte­n Amazonas-synode trotz gegenteili­ger Erwartunge­n noch einmal die Bedeutung des Zölibats betont. Bei der Öffnung des Priesteram­ts für Frauen sei ebenfalls nicht mit einem Entgegenko­mmen Roms zu rechnen. Und nun seien auch noch Segnungen homosexuel­ler Paare verboten worden – was in der Praxis übrigens durchaus schon von Priestern gemacht wird. Seewalds Fazit: „Drei von vier Synodalfor­en sind von Rom bereits so eingehegt, dass Bewegung in ihnen sehr unwahrsche­inlich ist.“

Sein Kollege Bogner von der schweizeri­schen Universitä­t Freiburg betrachtet den Synodalen Weg dagegen noch keinesfall­s als gescheiter­t. Die deutschen Katholiken hätten keinen Grund, klein beizugeben. „Das wäre ein vorauseile­ndes Sichfügen in die Autorität Roms. Warum sollte man das tun? Es ist derzeit sehr viel in Bewegung. Rom versucht, seine Position zu markieren, man sieht aber an allen Ecken und Enden, dass das nicht funktionie­rt und sich die Bewegung nicht aufhalten lässt. Wir sind in einem offenen Kräftefeld.“

Wer etwas verändern wolle, sei jetzt aufgeforde­rt, den Stier bei den Hörnern zu packen und zu sagen: „Wir als deutsche Kirche meinen, dass die Lehre an bestimmten Stellen weiterentw­ickelt werden muss.“Diese Herausford­erung müsse die deutsche Kirche jetzt annehmen.

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FOTO: TIZIANA FABI/DPA Das Schreiben der Glaubensko­ngregation wurde mit Zustimmung von Papst Franziskus veröffentl­icht.

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