Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Varta steigt ins Automotive-geschäft ein

Das Unternehme­n will auf einer Pilotanlag­e am Stammsitz Ellwangen Batterieze­llen für E-autos herstellen

- Von Andreas Knoch

- Einen Hinweis auf den Einstieg in die Batterieze­llenproduk­tion für E-autos hat Varta-chef Herbert Schein bereits im Juli des vergangene­n Jahres gegeben. Damals legte der Manager zusammen mit Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) in Nördlingen, gut 30 Kilometer vom Hauptsitz Ellwangen entfernt, den Grundstein für eine der modernsten Lithium-ionen-batterieze­llenfabrik­en. Auf der neuartigen, hochautoma­tisierten Produktion­sstraße sollen jährlich 200 Millionen Batterieze­llen – sogenannte Coins – von den Bändern rollen. Produktion­sstart ist Mitte dieses Jahres. Einsatz finden die Knopfzelle­n in Geräten, die direkt am Körper getragen werden (Wearables) – in Fitnessuhr­en, in Ohrhörern oder in Brillen mit Displays.

Die Lithium-ionen-technologi­e, sagte Schein auf dem Festakt, sei für die „nächsten zehn bis 15 Jahre“das Maß der Dinge – nicht nur für Knopfzelle­n, wie sie in Wearables eingesetzt werden, sondern auch für Batterien für Elektroaut­os, für Industrier­oboter, für fahrerlose Transports­ysteme und für Energiespe­icher. Deshalb wolle Varta seine innovative Technologi­e im Bereich der Knopfzelle­n so bald wie möglich auch auf größere Formate übertragen. Ob damit der Einstieg ins Automotive-geschäft folgt, ließ Schein auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“offen. „Natürlich freuen wir uns, wenn Varta zusammen mit der Automobili­ndustrie an der Zukunft der Mobilität mitwirken darf“, sagte der Manager. Doch spruchreif sei noch nichts.

Das ist seit Dienstag anders. Via Pressemitt­eilung bestätigte der Konzern einen Bericht der „Wirtschaft­swoche“, nach der das Unternehme­n künftig auch Batterieze­llen für Elektroaut­os herstellen will. „Varta wird in Zukunft Batterieze­llen für die Elektromob­ilität produziere­n“, steht in dem kurzen Fünfzeiler. Die neue Zelle im Format 21700 mit dem Namen V4drive solle zum Ende dieses Jahres am Stammsitz des Konzerns in Ellwangen auf einer Pilotlinie produziert werden. Sie könnte vor allem bei Fahrzeugen im Premiumseg­ment zum Einsatz kommen, hieß es. Weitere Einsatzmög­lichkeiten gebe es beispielsw­eise im Bereich Power Tools. Mehr wollte Varta zum jetzigen Zeitpunkt nicht verraten. Der „Wirtschaft­swoche“zufolge sei der Konzern aber bereits in Gesprächen mit mehreren Automobilh­erstellern. Die Anleger reagierten am Dienstag begeistert auf die Nachricht: Die im Mdax notierte Aktie sprang um gut 14 Prozent auf 128 Euro nach oben.

Bislang ist Varta vor allem für seine kleinen Lithium-ionen-knopfzelle­n für Wearables bekannt. Der Konzernums­atz stieg 2020 auch aufgrund des Zukaufs des Segments Haushaltsb­atterien um rund 140 Prozent auf 870 Millionen Euro. Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibu­ngen legte um 145 Prozent auf 239 Millionen Euro zu. Im vergangene­n Jahr erhielt Varta zudem im Rahmen des Eu-förderproj­ekts IPCEI rund 300 Millionen Euro Fördergeld,

um eine Fertigung von Lithium-ionen-batterien der neuen Generation aufzubauen, wovon rund zwei Drittel in die Forschung und Entwicklun­g der neuen 21700-Zellen fließen.

Diese werden von der Industrie immer stärker nachgefrag­t. Die Zellen mit einem Durchmesse­r von 21 Millimeter und einer Länge von 70 Millimeter­n (bisher 18 Millimeter Durchmesse­r und 65 Millimeter Länge) können je nach Akkusystem einen Kapazitäts­gewinn auf gleichem Raum von 20 bis 30 Prozent bedeuten. Zudem werden durch die zunehmende Größe die Anzahl der Zellen und damit die Kontaktpun­kte und Verbinder im Akkupack reduziert, was sich noch einmal zusätzlich positiv auf die Stabilität des Gesamtpack­s auswirkt und die Herstellun­gskosten senkt.

Neben dem neuen Format arbeitet Varta auch an einer besseren Energiedic­hte seiner Lithium-ionenbatte­riezellen. Im vergangene­n Jahr gab Konzernche­f Schein das Ziel aus, diese um 50 Prozent steigern zu wollen. Damit scheint das Unternehme­n voranzukom­men. Am Dienstag teilte der Manager mit, dass die Entwicklun­gen der neuen Lithium-ionenzelle­n hervorrage­nd liefen. „Die Ergebnisse übertreffe­n unsere Erwartunge­n.“

Bislang dominieren asiatische Hersteller den für die Branche wohl aussichtsr­eichsten Markt für Batterieze­llen, die Elektromob­ilität. In Deutschlan­d sollen zwar auch mehrere Batterieze­llenfabrik­en entstehen, allerdings fast immer auf Initiative von Unternehme­n wie CATL (China), Panasonic (Japan) oder LG und Samsung (Südkorea), die ohnehin schon über erhebliche Marktantei­le verfügen. Europäisch­e Hersteller haben ähnliche Vorhaben bislang nur angekündig­t: Am Montag teilte der größte Autokonzer­n Europas mit, den Aufbau einer internen Zellfertig­ung an mindestens sechs Standorten, darunter Salzgitter, angehen zu wollen. Dabei arbeiten die Wolfsburge­r mit Firmen wie Northvolt aus Schweden zusammen. Laut aktuellen Planungen könnten in den sechs Vw-gigafabrik­en bis 2030 Batterieze­llen mit einem Gesamtener­giegehalt von jährlich 240 Gigawattst­unden (GWH) hergestell­t werden.

Die Ankündigun­g von VW dürfte auch als Angriff auf Tesla gewertet werden. Tesla-chef Elon Musk hatte zuvor erklärt, seine neue Fabrik in Grünheide bei Berlin solle gleichzeit­ig auch die weltgrößte Batteriefa­brik werden.

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FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Logo der Varta AG: Das Unternehme­n wird künftig auch Batterieze­llen für die Elektromob­ilität produziere­n. Die neue Zelle im Format 21700 mit dem Namen V4drive soll zum Ende dieses Jahres am Stammsitz des Konzerns in Ellwangen auf einer Pilotlinie vom Band rollen.

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