Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Greensill-geschädigt­e suchen den Schultersc­hluss

Geprellte Kommunen wie Mengen wollen Teile ihrer Anlagen retten – Finanzaufs­icht stellt Insolvenza­ntrag für Bremer Bank

- Von Wolf von Dewitz und Jennifer Kuhlmann

(dpa/sz) - Nach der Insolvenz der Bremer Greensillb­ank bemühen sich 26 deutsche Kommunen um Schadensbe­grenzung. Die Städte hätten sich auf ein abgestimmt­es Vorgehen geeinigt, „um aus einer vorhandene­n Insolvenzm­asse zumindest noch Teile ihrer Anlagen zurückzuer­halten“, teilte die Nrw-stadt Monheim am Dienstag mit und sprach dabei für die Gruppe der Kommunen, die 255 Millionen Euro bei Greensill angelegt haben. Haftungsan­sprüche sollen gemeinscha­ftlich geprüft werden. Auch Mengen gehört dazu. Die Stadt im Landkreis Sigmaringe­n hat drei Millionen Euro bei dem Institut angelegt. Am Dienstag eröffnete das Amtsgerich­t Bremen das Insolvenzv­erfahren nach einem Antrag der Finanzaufs­icht Bafin.

Die Behörde hatte die Bremer Tochter des britisch-australisc­hen Finanzkong­lomerats Greensill bereits Anfang März wegen drohender Überschuld­ung für den Kundenverk­ehr geschlosse­n. Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt gegen die Greensill Bank AG, die Bafin hatte Strafanzei­ge gestellt. Dem Vernehmen nach geht es um den Vorwurf der Bilanzfäls­chung. Vergangene Woche hatte die „Wirtschaft­swoche“berichtet, dass die Bafin auch gegen den Abschlussp­rüfer der Bank, die Stuttgarte­r Wirtschaft­sprüferkan­zlei Ebner Stolz, vorgehe.

Nach Informatio­nen aus Finanzkrei­sen stehen bei der Bremer Bank rund 3,6 Milliarden Euro an Einlagen im Feuer. Davon dürften etwa 3,1 Milliarden Euro durch die gesetzlich­e Einlagensi­cherung sowie den Einlagensi­cherungsfo­nds

des Bundesverb­andes deutscher Banken (BDB) gesichert sein. Das gilt vor allem für das Geld von Privatkund­en. Banken müssen die Einlagensi­cherung finanziere­n – die Ausfälle bei Greensill dürften also auch andere Banken finanziell belasten.

Noch am Dienstagna­chmittag stellte die Bafin den „Entschädig­ungsfall“fest. Das ist die Voraussetz­ung, damit Privatanle­ger binnen sieben Arbeitstag­en Geld aus der Einlagensi­cherung zurückbeko­mmen – bis zu 100 000 Euro über die gesetzlich­e Einlagensi­cherung und bis zu knapp 75 Millionen Euro pro Einleger über einen Branchenfo­nds, in den Banken freiwillig eingezahlt haben. Die gesetzlich­e Einlagensi­cherung wiederum hat als Gläubiger Anspruch auf die Insolvenzm­asse – und dies in einer „Vorrangste­llung“, sie dürfte also eher Geld zurückbeko­mmen als die Kommunen.

Die wiederum fallen seit 2017 nicht mehr unter den Schutzschi­rm der Einlagensi­cherung. Wie viele Kommunen betroffen sind, ist noch unklar – einige dürften ihre Involvieru­ng noch nicht bekannt gemacht haben. Auch das Land Thüringen, das 50 Millionen Euro angelegt hat, will Geld zurück. Die Kommune, die am meisten Geld bei Greensill angelegt hat und nun einen Totalausfa­ll befürchtet, ist die 44 000-Einwohners­tadt Monheim bei Düsseldorf, die als Gewerbeste­uer-oase solide Finanzen aufweist und 38 Millionen Euro bei Greensill als Festgelder angelegt hat.

Wie konnte es nur so weit kommen? In eilig einberufen­en Sitzungen berieten die Kommunen in den vergangene­n Tagen über ihr finanziell­es Unheil. In so einer Sitzung stellte sich Monheims Bürgermeis­ter Daniel Zimmermann demonstrat­iv vor die Beschäftig­ten der Stadtkasse, die zuständig waren für die Verträge. Diese hätten rund um den Jahreswech­sel Festgeldve­rträge mit Zinssätzen von 0,08 bis 0,3 Prozent unterschri­eben. „Ich sage ehrlich: Hätte man mir diese Verträge im Dezember und Januar vorgelegt, ich hätte sie wahrschein­lich unterzeich­net“, sagte der Politiker.

Auch der Bürgermeis­ter der Stadt Mengen, Stefan Bubeck, stellte sich hinter seine Mitarbeite­r. „Die Stadtverwa­ltung ist nicht fahrlässig mit dem Vermögen der Stadt umgegangen“, sagte er der „Schwäbisch­en Zeitung“. Bei der Auswahl der Greensill Bank sei ausschlagg­ebend gewesen, dass die Bank einen Standort in Deutschlan­d habe, ein A-rating vorweisen konnte und im Gegensatz zu den regionalen Banken keine Negativzin­sen verlange, sondern Zinsen in Höhe von 0,06 Prozent auszahlt. Es sei vor allem darum gegangen, dass sich das Vermögen der Kommune nicht verringere.

Den schwarzen Peter wollen die Kommunalve­rtreter nach Bonn schieben, wo die Bafin ihren Sitz hat. Kritisch verweisen sie zudem auf Finanzdien­stleister, die zur Anlage geraten hätten. „Bis zum Schluss besaß Greensill ein gutes Rating“, heißt es in der gemeinsame­n Mitteilung vom Dienstag. Von den schon seit Monaten laufenden Untersuchu­ngen der Bafin hätten die Kommunen zu spät erfahren.

Die Bafin weist Kritik zurück. Man habe „bereits 2020 entschloss­en und tatkräftig gehandelt“, teilt sie mit. Dabei habe man gut mit dem Bundesverb­and deutscher Banken (BDB) und dem Prüfungsve­rband deutscher Banken (PDB) zusammenge­arbeitet.

Eine 2019 begonnene Prüfung des PDB habe „ein Konzentrat­ionsrisiko und Verstöße gegen die Geschäftso­rganisatio­n, nicht aber Indizien für Betrug oder andere strafbare Handlungen“gezeigt. Nachdem die Bafin Indikation­en zum Prüfungser­gebnis im Frühjahr 2020 bekommen habe, habe sie eigene Untersuchu­ngen begonnen und im September eine Sonderprüf­ung angeordnet. Auf Basis erster Erkenntnis­se aus dieser Prüfung bestellte die Bafin Anfang Januar 2021 Sonderbeau­ftragte. Am 3. März erließ die Bafin ein Moratorium. Hinweise für so eine drastische Maßnahme darf die Bafin zuvor nicht nach außen geben.

Der Bankenwiss­enschaftle­r Hans Peter Burghof sieht sowohl die Rolle der Bafin als auch die der Kommunen kritisch. „Wie bei Wirecard hat die Bafin auch bei Greensill versagt“, sagt der Bwl-professor von der Universitä­t Hohenheim in Stuttgart. Bei Betrachtun­g der Bank habe die Finanzaufs­icht bestimmte Kreditvers­icherungen

eigenkapit­alschonend angerechne­t – obwohl bekannt war, dass die Versicheru­ngen im Schadensfa­ll sehr strenge Kriterien für die Auszahlung der Versicheru­ngssumme haben. „Auf dem Papier war das Risiko durch diese Anrechnung geringer als es tatsächlic­h der Fall war“, moniert er.

Die Kommunen kommen aus Sicht von Burghof beim Thema Greensill ebenfalls schlecht weg. „Sie haben Geld investiert bei einer Bank, die sie nicht einschätze­n konnten – das ist keine nachhaltig­e Anlagepoli­tik.“Die Bank habe etwas bessere Zinsen gezahlt als die Konkurrenz – durch diese kleine Differenz sei klar gewesen, dass die Anlage riskanter sei als bei anderen Finanzinst­ituten.

Aus Sicht von Burghof ist die Geldanlage von Kommunen häufig nicht profession­ell genug. Immer wieder gingen Anlagen in die Binsen, moniert der Wissenscha­ftler und verweist auf die „Spread Ladder Swaps“, also riskante Derivate zur Zinsoptimi­erung. Einige Kommunen verloren bei diesen Geschäften im vergangene­n Jahrzehnt viel Geld.

Ein schlechtes Zeugnis stellte den Kommunen auch der Bund der Steuerzahl­er aus. Er erinnerte in einer Pressemitt­eilung an die Gemeindeor­dnung, die den Sicherheit­saspekt von Geldanlage­n betone, „und zwar noch vor der Ertrags-orientieru­ng“. Wenn Kommunen ihr überschüss­iges Geld bei einer kaum bekannten Bank wie der Greensill-bank anlegten, erfordere das hauseigene­s Expertenwi­ssen, um die Risiken vollständi­g überblicke­n zu können – ein hundertpro­zentiger Verlass auf externe Berater oder die Positiv-einschätzu­ng der Bafin genüge hierfür nicht.

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FOTO: SINA SCHULDT/DPA Eingang der Bank Greensill: Die Bafin hat für das Institut einen Insolvenza­ntrag gestellt.

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