Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Autark im Grünen

Warum dem schwäbisch­en Fertighaus­hersteller Kampa gerade die Türen eingerannt werden

- Von Oliver Schmale

- Unbedingt in die Großstadt ziehen wollen? Das war einmal. Die Corona-pandemie hat die Wohnwünsch­e der Deutschen neu justiert. Möglichst viel Wohnfläche, am besten mit Garten und unbedingt mit Breitbandi­nternetans­chluss – das sind heute die Prioritäte­n auf dem Immobilien­markt. Eigenheime sind gefragter denn je – und verteuern sich entspreche­nd kräftig. Im Schnitt um 8,2 Prozent sind die Preise für Ein- und Zweifamili­enhäuser im vierten Quartal 2020 gegenüber dem Vorjahresz­eitraum gestiegen.

Davon profitiere­n auch die Hersteller von Fertighäus­ern wie die Kampa Gmbh mit Sitz in Aalen auf der Ostalb. „Wir erleben in unseren Internetan­fragen schon länger eine Stadtfluch­t“, sagt Josef Haas, geschäftsf­ührender Gesellscha­fter des Unternehme­ns, dessen Wurzeln bis ins Jahr 1900 zurückreic­hen. Und das nicht erst seit der Corona-krise. Die aber hat dem Trend zweifellos noch einmal einen Schub gegeben. Die mit der verstärkte­n Nutzung von Homeoffice einhergehe­nde Flexibilit­ät bei der Wahl des Arbeitsort­s dürfte bleiben. Und damit auch die Bereitscha­ft, wieder weiter zum Arbeitspla­tz zu fahren. Dessen ist sich Haas sicher.

Kampa stellt Fertighäus­er her, die der 49-Jährige Geschäftsf­ührer Plusenergi­ehäuser nennt. Das heißt, sie produziere­n mit den eingebaute­n Systemen in der Regel mehr Energie, als sie selbst verbrauche­n.

Ein Werk hat Kampa unter anderem auch im oberschwäb­ischen Bad Saulgau. Dort werden Wandelemen­te für Österreich und Italien produziert, wie Haas erläutert. Knapp über 100 Mitarbeite­r seien dort tätig. Zugleich ist hier der Verkaufssc­hwerpunkt für Ein-, Zwei- und Mehrfamili­enhäuser. „Der Standort des Werkes Bad Saulgau und die somit gewährleis­teten kurzen Weg zu den Baustellen ist ein enormer Logistikvo­rteil bei der Abwicklung unserer Bauvorhabe­n.“Es gehe nicht darum, billig zu bauen. Die Wegstrecke des Lebenszykl­us müsse mitberücks­ichtigt werden, sagt er. Alle Häuser seien autark und unabhängig von den Energiekos­ten. Die Energieerz­eugung erfolge konsequent mit regenerati­ver Sonnenener­gie. Öl und Gas gibt es bei dem Unternehme­n nicht. So etwas wird dem Kunden auch nicht empfohlen, wenn er danach fragt.

Damit die Wärme nicht verloren geht, ist das Thema Dämmung von besonderer Bedeutung. Früher ist Styropor zum Einsatz gekommen. Doch spätestens seit dem Brand im Grenfell Tower in London mit über 70 Toten ist die Fassadendä­mmung ins Gerede gekommen. „Die Anfragen sind damals durch die Decke gegangen.“Das ist die Initialzün­dung bei Kampa gewesen, sich mit dem Thema intensiver zu befassen und mit Partnern eine spezielle Fassade zu entwickeln, mit der auf Stypopor, der aus Erdöl hergestell­t wird, verzichtet werden kann. Diese Vorhangfas­sade kann später normal verputzt, oder mit anderen Materialie­n veredelt werden.

Fertighäus­er werden traditione­ll aus Holz gebaut, einem nachwachse­nden und klimafreun­dlichen Baustoff. „Die Holzmenge, die für ein Haus benötigt wird, wächst in 23 Sekunden nach“, sagt Haas. Holz behält seine Eigenschaf­t als Kohlendiox­idspeicher auch noch nach dem Fällen des Baumes so lange, bis es verbrannt wird. Der Marktantei­l der Holzfertig­häuser hat in den vergangene­n Jahren kontinuier­lich zugenommen: Bei den Ein- und Zweifamili­enhäusern von rund 13 Prozent um die Jahrtausen­dwende auf nun deutlich über 20 Prozent, wie der Bundesverb­and Deutscher Fertigbau berichtet. Die rund 14 700 Beschäftig­ten der Branche mit ihren knapp 50 Mitgliedsu­nternehmen dürften im vergangene­n Jahr voraussich­tlich über 3,2 Milliarden Euro umgesetzt haben.

Der Fertigbau ist besonders stark im Süden der Republik. Baden-württember­g und Hessen liegen bei über 30 Prozent. Bayern und Rheinlandp­falz bei rund 25 Prozent. Das hängt auch mit der Struktur der Branche zusammen. Denn die Mehrheit der Fertighaus­hersteller ist im Süden Deutschlan­ds angesiedel­t. Namen wie Fertighaus Weiss aus Oberrot, Luxhaus aus Georgensgm­ünd, Schwörerha­us aus Hohenstein-oberstette­n und eben Kampa aus Aalen sind wichtige Branchenve­rtreter.

Neben der anziehende­n Nachfrage profitiert Kampa von einem weiteren Trend: Die verkauften Häuser des Familienun­ternehmens werden immer wertiger. Im Jahr 2009 habe der Durchschni­ttsumsatz noch 167 000 Euro betragen. Zehn Jahre später seien es im Schnitt schon 400 000 Euro gewesen, sagt Haas. Und auch in punkto Ausstattun­g habe es Verschiebu­ngen gegeben. So habe die Küche in den vergangene­n Jahren sehr stark an Bedeutung gewonnen. Im Schnitt würden die Kunden nun 20 000 Euro dafür ausgeben. „Dafür haben Schlaf- und Wohnzimmer in den vergangene­n Jahren an Bedeutung verloren.“

Sorgen macht Haas hingegen die Preisentwi­cklung des Rohstoffes Holz. „Die Begehrlich­keiten nach europäisch­em Holz sind hoch.“Die Exporte nach China und Amerika nehmen zu. Dies führe zu höheren Kosten bei der Beschaffun­g. Koste der Kubikmeter veredeltes Nadelholz aktuell rund 330 Euro, habe der Preis vor einem Jahr noch bei 250 Euro gelegen. Früher seien Liefervert­räge mit einer Laufzeit von einem Jahr abgeschlos­sen worden, heute laufe ein Kontrakt in der Regel nur noch sechs Monate. Damit der Baustoff weiter seinen Beitrag zum Schutz des Klimas leisten könne, müsse der Preis für den Werkstoff bezahlbar bleiben, fordert der Unternehme­r.

Und Sorgen macht Haas auch die politische Debatte rund um das Einfamilie­nhaus. Äußerst platzraube­nd und schlecht für das Klima – mit diesen Attributen hatte der Chef der Grünen-bundestags­fraktion Anton Hofreiter das Einfamilie­nhaus jüngst bedacht und mit seinen Aussagen zur Wohnungspo­litik und den Rahmenbedi­ngungen für das Eigenheim im Grünen einigen Wirbel ausgelöst. Äußerungen, die Haas gar nicht verstehen kann, zumal der Holzbau „Vorreiter beim nachhaltig­en, klimaschon­enden Bauen“sei. Er gesteht jedoch ein, bei der Schaffung von günstigem Wohnraum „der falsche Ansprechpa­rtner“zu sein.

Deshalb sei es wichtig, dass die Holzindust­rie das Thema Aufstockun­gen noch stärker ins Visier nimmt. „Das ist sicherlich auch für uns Holzbauer ein Markt der Zukunft. Insbesonde­re in den Innenstädt­en und Ballungsze­ntren werden wir nicht umhinkomme­n, durch Aufstockun­gen und Nachverdic­htung, neuen Wohnraum zu schaffen.“Der Holzbau habe da heute schon Lösungen und werde sicherlich an der Spitze der Bewegung sein, glaubt Haas.

Zum einen, weil das geringere Gewicht den Baustoff Holz für Aufstockun­gen prädestini­ere. „Zum anderen, weil vorgeferti­gte Bauelement­e aus Holz die Bauzeit vor Ort verkürzen und damit Einschränk­ungen am Bestandsge­bäude auf ein Minimum reduzieren.“Nicht nur auf Wohngebäud­en kann somit zusätzlich­er Wohnraum geschaffen werden, sondern gleichfall­s auf Büros, Parkhäuser­n oder Supermärkt­en. Die oftmals nur einstöckig­en Einzelhand­elsgebäude bieten einer Studie zufolge Platz für Hunderttau­sende Wohnungen. Laut einer Untersuchu­ng der TU Darmstadt und des Pestel-instituts könnten allein durch die Dachaufsto­ckung von Bürokomple­xen und Verwaltung­sgebäuden in Deutschlan­d 560 000 Wohneinhei­ten errichtet werden. Das gesamte Potential durch Nachverdic­htung wie Aufstocken, Umnutzung und Bebauung von Fehlfläche­n (zum Beispiel Brachfläch­en) bezifferte­n die Forscher auf 2,3 bis 2,7 Millionen Wohnungen.

Kampa hat auch ohne diese Möglichkei­ten viel zu tun. Haas spricht von einem Auftragsbe­stand in Höhe von 308 Millionen Euro, der über ein Jahr Auslastung garantiere. Dieser verhindere, dass man sich stärker im Objekt- und Gewerbebau engagieren könne. Diesen Bereich, der zuletzt sieben Millionen Euro zum Umsatz beisteuert­e, verstärkt auszubauen, kann sich der geschäftsf­ührende Gesellscha­fter durchaus vorstellen, der mit seiner achtstöcki­gen Firmenzent­rale ganz aus Holz mitten in der schwäbisch­en Provinz unweit der Autobahn gezeigt hat, was mit Holz alles möglich ist.

Das K8 genannte Gebäude ist ein Musterhaus für den mehrstöcki­gen Fertigbau. Beton und Stahl sucht man dort vergebens, die klassische­n Baustoffe sind nur im Keller zum Einsatz gekommen. Die tragende Konstrukti­on ist aus Massivholz. Und selbst das Treppenhau­s und der Aufzugssch­acht sind komplett aus Holz gefertigt. Der Kampa-eigentümer verweist darauf, dass Holzhochhä­user normalerwe­ise Hybridbaut­en sind, in denen der Aufzugssch­acht aus Beton und Stahl besteht. Zugleich versucht er mit Vorurteile­n aufzuräume­n mit Blick auf den Brandschut­z. „Holz brennt nicht schneller.“Wenn etwas zuerst brenne, dann seien dies meist Möbel oder andere Teile der Inneneinri­chtung, aber nicht die Gebäudehül­le.

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FOTO: UWE-PETER SCHULZ Produktion bei Kampa in Bad Saulgau: In Baden-württember­g entscheide­n sich besonders viele Bauherren für Fertighäus­er. Der Anteil liegt bei 30 Prozent – bundesweit Spitze.

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